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Globalgeschichte
»Hilfe zur Selbsthilfe« dieses Buch zeichnet die Geschichte des wohl meistversprechenden Konzepts moderner Entwicklungspolitik nach. Deutlich werden dabei die postkolonialen Leitlinien, mit denen sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die DDR im Kalten Krieg miteinander in Afrika um den jeweils besseren Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit rangen. Die globalhistorische Pionierstudie analysiert anhand von Fallstudien auch Praktiken vor Ort. Sie zeigt: »Hilfe zur Selbsthilfe«, die sich ausdrücklich der einvernehmlichen Zusammenarbeit zwischen Afrikanern und Deutschen verschrieb, konnte zu sozialem Druck, Ausgrenzung und Gewalt führen.
»Ein wichtiges Buch mit vielen interessanten Schlussfolgerungen und kenntnisreichen Darlegungen, die für weitergehende Studien sicherlich von großem Nutzen sein werden.«, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 18.12.2015
Vorwort
Globalgeschichte
Autorentext
Hubertus Büschel ist Juniorprofessor für Kulturgeschichte am Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) und an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Klappentext
»Hilfe zur Selbsthilfe« - dieses Buch zeichnet die Geschichte des wohl meistversprechenden Konzepts moderner Entwicklungspolitik nach. Deutlich werden dabei die postkolonialen Leitlinien, mit denen sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die DDR im Kalten Krieg miteinander in Afrika um den jeweils besseren Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit rangen. Die globalhistorische Pionierstudie analysiert anhand von Fallstudien auch Praktiken vor Ort. Sie zeigt: »Hilfe zur Selbsthilfe«, die sich ausdrücklich der einvernehmlichen Zusammenarbeit zwischen Afrikanern und Deutschen verschrieb, konnte zu sozialem Druck, Ausgrenzung und Gewalt führen.
Leseprobe
Einleitung "Wir sind [] hergekommen auf der Suche nach den letzten Überresten einer alten, überlebten Kultur eines Nomadenvolkes. Wir fanden ihre Kinder. Wir fan-den sie rechnend, lesend, schreibend. Lernend und singend. Singend von der Zukunft der freien Jugend Tansanias." Mit diesen Worten beschrieben die ostdeutschen Reiseschriftsteller Fritz Rudolph und Percy Stulz ihren Besuch in einer Internatsschule für Massai-Kinder im Norden Tansanias im Jahr 1968. Sie fuhren fort: "Selbst die Zeigerstellung der Uhren muß [im Schulunterricht] erst erklärt werden, denn in den Hütten der Hirtennomaden hat eine Uhr noch Seltenheitswert; doch die Kinder lernen schon, was die Stunde geschlagen hat, und die selbstgebastelten Häuschen aus Papier haben schon die Form von morgen. Die hier lernen, werden es selber verwirklichen, daß aus den kindlich geformten Modellen die Wohnstätten ihrer zukünftigen Familien werden. Ihre Kinder werden nicht mehr in Erdhütten aufwachsen und sich nicht mehr mit Rinderurin waschen." Diese Sätze sind geradezu typisch für Diskurse der 1960er- und 1970er-Jahre über alte, überlebte Kulturen, über sogenannte Unterentwicklung und die Notwendigkeit zur eigenständigen und selbstbestimmten Arbeit von Afrikanern an ihrer Zukunft, ob sie nun von Ost- oder Westdeutschen, von Briten, Franzosen und Nord-Amerikanern stammten. Sie stehen für eine Vielzahl von Annahmen, die Zeitkonzepte und Entwicklung in Zusammenhang brachten mit Termini wie Wandel, Fortschritt und Selbstbestimmung. Hier findet sich immer auch das Bild von der vermeintlichen Zeitlosigkeit und Zeitunkenntnis als unterentwickelt angesehener Gesellschaften. In Broschüren, Büchern, Tagebuchaufzeichnungen oder Radiosendungen war die Rede davon, dass viele Afrikaner allmählich erst "lernen" oder "begreifen" müssten und tatsächlich auch würden, dass für sie die "Stunde geschlagen" habe, sich endlich selbst zu entwickeln. Von durch die Regierung Tansanias bereits verwirklichter Selbsthilfe beeindruckt hatte sich bereits 1964 der Vorsitzende der CDU in der DDR, Gerald Götting, nach einem Aufenthalt in Dar es Salaam geäußert: "Was mir besonders auffiel, waren die neuen großen Hütten, die, in bunten Farben getüncht, sauber und einladend an den Straßen am Stadtrand erst in letzter Zeit entstanden sind. Vor ihnen wickelt sich das tägliche Leben der Familie ab, so wie es nach Tradition und Klima jahrhundertelang geschah. Alle diese Häuser wurden in Selbsthilfe errichtet. [] Nur die Materialien wurden von der Regierung geliefert, alles andere machen die Einwohner in freiwilliger, unbezahlter Arbeit selbst". Götting berichtete auch vom ersten Präsidenten des unabhängigen Tansania, Julius Nyerere, der Selbsthilfe als tragendes Entwicklungsprinzip des Landes ausgerufen hatte, die "Selbsthilfe im Kampf gegen Armut, Unwissenheit und Krankheit". Überall seien Tansanier "zu Hunderttausenden" jenem "Ruf zu den Waffen der friedlichen Selbsthilfe" gefolgt. Nicht nur Wohnhäuser, sondern auch Schulen, Krankenstationen, feste Straßen und Wasserleitungen seien in gemeinschaftlicher, unentgeltlicher und freiwilliger Arbeit der Menschen vor Ort errichtet worden. So habe man alles gebaut, "was jetzt im Interesse der Afrikaner notwendig [sei], weil es die Kolonialherren dem Volk bisher vorenthalten" hätten. Man handele in der "Gewissheit", nun endlich nur für sich selbst zu arbeiten und zu bauen. Entsprechend gebe es sehr viel Freude und Dankbarkeit. Dabei brauche es allerdings auch oft Impulse von außen, sprich aus der DDR. So betonte man immer wieder den eigenen Beitrag zur Entwicklung Afrikas in Hilfe zur Selbsthilfe, die in der Regel unter dem Begriff Internationale Solidarität subsummiert wurde. Beispielsweise hieß es im Bericht einer Delegation der Sozialistischen Einheitspartei (SED), die 1965 Tansania einschließlich der Insel Sansibar besucht hatte: Es sei unbedingt notwendig, dass die Tansanier sich erst einmal grundsätzlich ihrer "erbärmlichen und lebensunwürdigen Lage" bewusst würden; mit Hilfe von Beratern der DDR sollten sie erkennen, dass sie "wie die Tiere leben". Daraus würden sie überall in ihrem Land den Antrieb gewinnen, durch eigene Arbeit entschlossen ihr Leben zum Besseren zu verändern. Dieser Logik folgend wurde 1969 von Sansibar berichtet, dass DDR-Entwicklungsexperten, Brigaden der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und afrikanische Jugendliche eine ganze Stadt in Hilfe zur Selbsthilfe aufbauen würden: "Hand in Hand", einvernehmlich, "ohne Bedingungen" und mit der "Schöpferkraft" eines vom "Kolonialismus befreiten Volkes" entstünde dort die Siedlung Bambi, ein wahres "Kind der Freundschaft". Ähnlich wie Autoren der DDR priesen auch Westdeutsche die Bedeutung ihrer Hilfe zur Selbsthilfe für die Entwicklung Afrikas: So schrieb der Theologe und Entwicklungsexperte Jochen Schmauch, durch dieses Entwicklungskonzept könnten sich in jenem am wenigsten entwickelten Kontinent "objektiv ablesbare Fortschritte" einstellen, die den "Namen Entwicklung" verdienen würden, wie "der Schritt von der Wurfsaat zur Reihensaat, von der Hacke zum Ochsenpflug, oder: der Wechsel vom Holzfeuer zum Elektroherd, vom Regenmacher zur Bewässerung, vom Trampelpfad zur Asphaltstraße, vom Geheimniskrämer zum Arzt. Oder: der Übergang von der Selbstversorgung zur Marktproduktion, von der wirtschaftlichen Abhängigkeit zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit, von der politischen Fremdbestimmung zur politischen Selbstbestimmung." Nach einer Stippvisite in den Usambara-Bergen Tansanias Mitte der 1970er-Jahre berichtete Lenelotte von Bothmer, Mitglied des Bundestages für die SPD, begeistert von einem entsprechenden deutsch-tansanischen Entwicklungsprojekt. In einer Landwirtschaftsschule sollten Mädchen und Jungen wirtschaftliches Haushalten, Feldanbau und Viehhaltung lernen. Hier sei wirklich erreicht worden, was man oft nur "in schönen Reden" höre. Denn es sei den "Menschen die Möglichkeit gegeben worden, sich selber zu helfen.&qu…