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Kein deutscher Autor des 20. Jahrhunderts hat mehr Leser begeistert als Hermann Hesse. Sein Werk zählt zur Weltliteratur. Der renommierter Journalist Heimo Schwilk legt die große Biografie eines Dichters vor, der ebenso exzessiv und widersprüchlich lebte wie die Helden seiner Romane. Ein Buch über die Abgründe einer zerrissenen Persönlichkeit, über Krisen und Triumphe, die Liebe und ihr Scheitern.
»Schwilk vermittelt lebendige, mit (teilweise wenig bekannten) Fakten angereicherte Ausschnitte aus dem Leben des Glasperlenspielers.«
Vorwort
»Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir heraus wollte.« Hermann Hesse, »Demian«
Autorentext
Heimo Schwilk, geboren 1952 in Stuttgart, Dr. phil., ist Autor zahlreicher Bücher über Politik und Literatur. Seine großen Biografien über Ernst Jünger und Hermann Hesse wurden im In- und Ausland hoch gelobt. Er war lange Jahre Leitender Redakteur der Welt am Sonntag und lebt in Berlin. 1991 wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis für herausragenden Journalismus ausgezeichnet.
Leseprobe
Vorwort
Als Hermann Hesse am 9. August 1962 im Alter von 85 Jahren starb, hinterließ er ein Werk von fast 40 Titeln, die inzwischen weltweit in geschätzten 125 Millionen Exemplaren verbreitet sind. Allein in den deutschsprachigen Ländern wurden annähernd 25 Millionen Bücher verkauft. Von rund 35 000 Briefen ist bislang ein Siebtel publiziert worden, Hesses Rezensionen füllen fünf Bände, die Sekundärliteratur zu Leben und Werk ganze Regale. Zahlreiche Materialienbände zu einzelnen Werken sind seit seinem Tod herausgekommen. Trotz dieser breiten Quellenbasis überrascht der Grundtenor der Urteilsbildung, der sich in den letzten Jahrzehnten kaum gewandelt hat. Wer sich mit Hermann Hesse beschäftigt, stößt sehr schnell auf eine Reihe von Allgemeinplätzen, mit denen man den irritierenden, geradezu unheimlichen Erfolg dieses Autors zu erklären versucht. Hesse sei der Dichter der Jugend und des Protests, ein Aufrührer gegen jede Autorität und Befürworter eines maximalen Individualismus. Sein phänomenaler Erfolg in den USA der Vietnamkriegsära habe mit dem zutiefst pazifistischen Charakter seines fernöstlich inspirierten Humanismus zu tun, die massenhafte Verbreitung seiner Bücher in Japan, China und Korea mit der Mittlerfunktion zwischen den Kulturen. Und in Deutschland teilt sich das Bild in den menschenscheuen, schizoiden Outsider (Steppenwolf) auf der einen und den aufgeklärten Kritiker einer "schwarzen Pädagogik" (Unterm Rad) auf der anderen Seite. Aber helfen solche Klischees wirklich, das Phänomen Hesse zu verstehen? Ist sein komplexes, spannungsvolles Werk tatsächlich Ausdruck einer durch und durch anarchischen Natur?
Es ist an der Zeit, das eigentlich Faszinierende an Hermann Hesse herauszustellen, das sich am besten in einer Doppel begrifflichkeit ausdrücken lässt: Dichten und Dienen. Ein Bild, das für Leben und Werk gleichermaßen gilt. Die Helden seiner Erzählungen und Romane sind ja, wie ihr Autor selbst, nicht bindungsscheu, sondern bindungsbedürftig, nicht an Willkür interessiert, sondern an Selbstverwirklichung. Hesse hat ein ganz eigenes, gleichsam aristotelisches Verständnis von Individualität entwickelt. Für ihn ist der Mensch nicht "frei geboren", sondern auf ein bestimmtes, sein ureigenes Wesen angelegt, dem er in seinem Wirken Gestalt zu verleihen, dem er zu dienen hat. Diese seelische Zielgerichtetheit hat Folgen für das Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft: Der Einzelne setzt seinen Eigen-Sinn gegen den Herden-Sinn. Protest und Revolte entspringen bei Hesse nicht einer bestimmten ideologischen Weltsicht, sondern kommen aus dem Misstrauen gegenüber jeder Weltanschauung, gegenüber allem Normierten, gegenüber jeder für verbindlich erklärten "Wahrheit", die vom eigenen Weg ablenkt. Der Mensch, lehrt Hesse, müsse sich der einzig wirklich tragfähigen Bindung versichern, die von Ideologen nicht auszubeuten ist: der Treue zu sich selbst.
Vermutlich haben die amerikanischen Leser genau diese radikale Subjektivität gespürt, die Hesses Protesten gegen Massenkultur, falsche Autoritäten, gegen Profit und Kriegstreiberei ihre besondere Authentizität verlieh. Die "Interior Journey" der Flower-Power-Generation war ja im Kern nicht nur psychedelischer Drogentrip und sexuelle Befreiung, sondern vor allem auch Meditation, Askese, Gemeinschaftserfahrung. Zu Hermann Hesses Echtheit gehört aber auch eine Tatsache, die in der Forschung bislang eher verdrängt wurde der Patriotismus, seine Liebe zu Deutschland und vor allem zur deutschen, idealistisch-romantischen Kultur, die er früh schon als das ihm Eigentüm liche erkannt hatte und im Sommer 1914 für verteidigungswürdig erklärte. Hesse verstand sich zu keinem Zeitpunkt als Pazifist, er hatte drei Söhne, die ihren Wehrdienst in der Schweiz absolvierten, und hätte es für selbstverständlich gehalten, wenn sie ihre Heimat gegebenenfalls mit der Waffe in der Hand verteidigt hätten.
Hermann Hesse war aber ebenso wenig d
Inhalt
VORWORT
ERSTES KAPITEL
Die Flucht: Von Maulbronn über Sternenfels nach Kürnbach. Der Club der toten Dichter. »Die Odyssee ist kein Kochbuch.« Die Nacht im Strohhaufen. Der verborgene Gott. Licht auf der Dornenkrone. Mit dem Landjäger zurück ins Kloster. »Kennst Du das Land, wo keine Blumen blühen.« Karzerstrafe. »Bitte liebt mich noch wie vorher.« Morddrohung. Hermann muss das Seminar verlassen. Absturz in den Wahnsinn? Zum Teufelsaustreiber nach Bad Boll
ZWEITES KAPITEL
In der Privatheilanstalt von Pfarrer Blumhardt. Großvater Gundert. Verschmähte Liebe. Hermann kauft sich einen Revolver. »In das Gefängnis wollt Ihr mich sperren?« Verlegung in das Irrenhaus von Stetten. Briefe an den Vater: »Ich gehorche nicht und werde nicht gehorchen.« Nach Basel zu Pfarrer Pfisterer. »Gänzlich verkommen an Leib und Seele«: Im Cannstatter Gymnasium. Buchhandelslehrling in Eßlingen. Erneute Flucht
DRITTES KAPITEL
In der Bibliothek des Großvaters. Briefwechsel mit Maulbronner Schulkameraden. Das Vater-Drama Lebensfahrt. Mechanikerlehre in der Calwer Turmuhrfabrik von Heinrich Perrot. Der Schatten des Vaters als Verfolger. »Mein Motto ist Kampf und Sieg, nimmer Traum und Liebesrausch«. Noch einmal Cannstatt: Korrespondenz mit Ernst Kapff, Lehrer am Cannstatter Gymnasium. Buchhandelslehrling bei Heckenhauer in Tübingen
VIERTES KAPITEL
Tübingen: »Die Stadt gefällt mir wohl.« Zur Miete bei der Dekanswitwe Leopold. Hermann liest Goethe. Erste Gedichte erscheinen in Wien. Streit mit der Mutter: »Die Kunst als Mittel ist höchstens halbe Kunst.« Versöhnung mit den Eltern. Endlich das erste Buch: Romantische Lieder. Brieffreundin, Autorin und Förderin: Helene Voigt-Diederichs. Der »Petit Cénacle«. »Eine Stunde hinter Mitternacht«. Kündigung bei Heckenhauer. Das Lulumädele. Wieder in Basel: Reichsche Buchhandlung
FÜNFTES KAPITEL
Böcklin, Burckhardt und Nietzsche. Arbeit in der Buchhandlung. Bei den Wackernagels. Wohngemeinschaft mit dem Architekten Heinrich Jennen. Elisabeth La Roche. Musterung. Mit dem Boot auf dem Vierwaldstätter See. Hermann Lauscher. Erste Italienreise. Wechsel ins Antiquariat Wattenwyl. Gedichte. Tod der Mutter. Freundschaft mit Stefan Zweig. Zweite Italienreise
SECHSTES KAPITEL
Autorenvertrag mit dem S. Fischer Verlag. Verlobung mit Maria Bernoulli. Der Roman Peter Camenzind wird zum Bestseller. Noch einmal Maulbronn: Unterm Rad. Gerbersauer Erzählungen. Nach Gaienhofen am Bodensee. Der erste Literaturpreis. Ludwig Finckh kommt an den Bodensee. Geburt des Sohnes Bruno. Hausbau. Mit den »Sonnenbrüdern« auf den Monte Verità nach Ascona
SIEBTES KAPITEL
Im neuen Haus. Mia erleidet eine Fehlgeburt. Helena Blavatsky und Arthur Schopenhauer. Erzählungen. Der Künstlerroman Gertrud. Geburt des Sohnes Heiner. Nervenkur in Badenweiler. Reisen. Begegnung mit Wilhelm Raabe. Streit mit Samuel Fischer…