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Das Thema der Lebenspolitik ist in der reflexiven Moderne zwischen den Philosophien von Jürgen Habermas und Michel Foucault wiederentdeckt worden. Aber die Individualisierung der Risikogesellschaft legt nicht den anthropologischen Zirkel der Moderne frei, von dem die gegenwärtige Lebenspolitik inhaltlich abhängt. Dieser inhaltliche Fokus bedeutet nicht, wie viele Philosophen seit Heidegger glauben, die Auflösung der Philosophie. Sie kann mit ihren eigenen Methoden und theoretischen Ansprüchen diejenige personale Lebensform freilegen, die aus dem anthropologischen Zirkel herausführt. Speziesismen (im Naturenvergleich) und Ethnozentrismen (im Kulturenvergleich) lassen sich durch eine bestimmte Kombination aus Phänomenologie, Hermeneutik, verhaltenskritischer Dialektik und Rekonstruktion der praktischen Ermöglichungsbedingungen begründet kritisieren. Die Philosophischen Anthropologien des amerikanischen Pragmatismus, insbesondere von John Dewey, und von deutsch-jüdischen Denkern wie Hannah Arendt, Ernst Cassirer, Helmuth Plessner und Max Scheler haben solche interkulturellen und interdisziplinären Leistungen bereits im 20. Jahrhundert erbracht. Sie werden hier erstmals in eine systematische Diskussion miteinander versetzt, die der Gegenwartsphilosophie bislang fehlt.
Autorentext
Hans-Peter Krüger ist Professor für Politische Philosophie und Philosophische Anthropologie an der Universität Potsdam.
Zusammenfassung
"Krüger zeigt überzeugend, dass das westliche Verständnis eines gelungenen Lebens (sowohl individuell wie kollektiv) von einem Ideal menschlicher Souveränität ausgeht, das andere Kulturkreise so nicht kennen." Philosophische Rundschau, 56 (2009) 3
Leseprobe
Anthropologische Kritik der Philosophie und Philosophische Kritik der Anthropologie (S. 105-106)
Zur systematischen Problemlage moderner Philosophien
Viel zu oft wird für systematisch" ein bestimmter Fragenkreis gehalten, in den man durch lebensgeschichtliche Zufälle hinein geraten ist und aus dem man durch institutionelle Schutzwälle selten wieder herausfindet, auch dann, wenn man längst ahnt, einer hermeneutischen Vorurteilsstruktur aufzusitzen. In dieser Struktur sind einem die Fragen und Antworten so selbstverständlich wie ein Schachspiel geworden, dass alle möglichen anderen Fragen und Antworten abgewiesen werden, nicht nur durch Argumente, sondern auch aus einer Macht der Gewohnheit und einer schulpolitisch autorisierten Abschirmung heraus. Da man sich in der Vielfalt des Philosophierens nicht auskennt, hält man häufig die eigene Tradition oder Schule für die moderne Philosophie oder gar abendländische Philosophie überhaupt. Umso leichter fällt es dann anderen, die nicht mehr als eine andere Tradition oder Schule kennen, eine Kritik der modernen oder gar abendländischen Philosophie schlechthin zu schreiben. Dieses Imponiergehabe in einer Dauerinflation des Wörtchens Kritik" der Moderne und des Abendlandes kennen wir alle nur zu gut aus den letzten Jahrzehnten. Es ist ein Zitat entsprechender Titel aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, und es hat, abgesehen von Lockerungsübungen, der philosophischen Tätigkeit nicht weiter geholfen. Nicht einmal die seinerzeitigen Markennamen sind noch gegenwärtig. Sie sind in geschichtlich gewordenen Readern und Sammelbänden entschwunden, mal zu diesem oder jenem Postismus", mal zu diesem oder jenem Turn" und Return". In der Filmindustrie nennt man es Remake.
Fragt man nach einer Alternative zu dem, was Habermastrennscharf und höchst strittig den Philosophischen Diskurs der Moderne" (1985) genannt hat, besteht in dem folgenden Thema ein Aspekt einer solchen Alternative: Der dualistische Mainstream moderner Philosophie kritisiert Anthropologien, und diese kritisieren ihn, beide teils in wechselseitiger Ignoranz, aber zu kritischeren Zeiten dann doch in einem sich systematisch hochschaukelnden Prozess wechselseitiger Kritiken. Die anthropologische Kritik der Philosophie und die philosophische Kritik der Anthropologie folgen nicht beide einem einzigen reflexiven Prinzip, wie es Habermas anhand Kants und Hegels als den Ursprung der sich selbst kritisierenden Moderne ausgemacht hat. Dieses Modell eines einzigen Reflexionsprinzips lässt sich auch nicht dadurch retten, dass man es vom Selbstbewusstsein in die Reflexionsstruktur der sprachlichen Intersubjektivität transformiert. Demgegenüber gibt es in der Moderne i. w. S. mindestens zwei, sich grundsätzlich in Frage stellende Weisen zu philosophieren, deren Wettbewerb man nicht ausweichen, sondern besser fair austragen sollte. Ich behandele mein Thema nun in fünf Schritten.
B) Philosophischer Anthropologie" und
C) anthropologischer Philosophie"
Der Ausdruck philosophische Anthropologie" ist mindestens zweideutig. Es kann damit eine Subdisziplin in der Philosophie (A) und eine philosophische Richtung (B) gemeint sein. Zu A): Schreibt man philosophische" in dem Ausdruck philosophische Anthropologie" klein, meint man meistens die gleichnamige Subdisziplin innerhalb der Philosophie als Fach. Diese Subdisziplin wertet die biomedizinischen, soziokulturwissenschaftlichen und geschichtlich-geisteswissenschaftlichen Disziplinen hinsichtlich der wesentlichen Dimensionen des Menschseins im Ganzen aus. Sie versucht, die erfahrungswissenschaftlichen Teildimensionen zu einer Gesamtansicht von der Spezifik dieser Art und Weise von Lebewesen zu integrieren. Dabei entstehen philosophische Fragen wie die nach den Grenzen und nach der Gewichtung der einzelnen er
Inhalt
1;Inhalt;8
2;Vorwort;10
3;I. TEIL: DAS GEGENWÄRTIGE BEDÜRFNIS NACH PHILOSOPHISCHER ANTHROPOLOGIE;24
3.1;1. Lebenspolitik: Die Zugänge von Habermas, Foucault und der Philosophischen Anthropologie;26
3.2;2. Die Grenzen der positiven Bestimmung des Menschen;64
3.3;3. Die geschichtliche Potentialität des Menschseins;86
4;II. TEIL: DIE PHILOSOPHISCH-ANTHROPOLOGISCHE KRITIK DER EUROPÄISCHEN MODERNE;104
4.1;4. Anthropologische Kritik der Philosophie und Philosophische Kritik der Anthropologie;106
4.2;5. Expressivität als Fundierung zukünftiger Geschichtlichkeit;131
4.3;6. Geist in der lebendigen Natur;153
4.4;7. Hassbewegungen;164
4.5;8. Die condition humaine des Abendlandes;184
4.6;9. Animal symbolicum und homo absconditus;209
4.7;10. Historismus und Anthropologie in Plessners Philosophischer Anthropologie;241
4.8;11. Die Leere zwischen Sein und Sinn;258
5;III. TEIL: DIE PRAGMATISTISCHE KRITIK DER US-AMERIKANISCHEN MODERNE;280
5.1;12. Klassische Pragmatismen, Sprachanalysen und Neopragmatismen;282
5.2;13. Öffentliche Untersuchungsprozesse, die Instrumentierung der Werte und die Vollendung in der ästhetischen Erfahrung;302
5.3;14. Die öffentliche Natur menschlicher Lebewesen;337
6;Literaturverzeichnis;349
7;Quellennachweise;361
8;Personenverzeichnis;364
9;Sachregister;368