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Über 20 Jahre nach seiner klassischen Studie Mozart im Inneren seiner Sprachen setzt sich Hanns-Josef Ortheil von Neuem intensiv mit dem Geheimnis der Mozartschen Musik auseinander. In seinem groß angelegten Buch, einer Mischung aus Tagebuch, Erzählung und Essay, geht er auf sehr persönliche Weise dem Faszinosum Mozart nach, lässt den Leser an seiner Art zu hören teilnehmen und entschlüsselt dabei nicht nur viele der bekannten und auch weniger bekannten Musikstücke dieses großen Komponisten, sondern kommt auch ausführlich auf dessen Opern und deren Entstehung zu sprechen. Damit wendet sich dieses Buch an alle, die Näheres über Mozarts Genie erfahren möchten, die seine Musik intensiver hören und die ihr Verständnis von Mozarts Lebens-, Denk- und Empfindungskosmos vertiefen wollen.
"Ein anregendes und inspirierendes Buchexperiment."
Autorentext
Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Seit vielen Jahren gehört er zu den beliebtesten und meistgelesenen deutschen Autoren der Gegenwart. Sein Werk wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Thomas-Mann-Preis, dem Nicolas-Born-Preis, dem Stefan-Andres-Preis und dem Hannelore-Greve-Literaturpreis. Seine Romane wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt.
Klappentext
Über 20 Jahre nach seiner klassischen Studie "Mozart im Inneren seiner Sprachen" setzt sich Hanns-Josef Ortheil von Neuem intensiv mit dem Geheimnis der Mozartschen Musik auseinander. In seinem groß angelegten Buch, einer Mischung aus Tagebuch, Erzählung und Essay, geht er auf sehr persönliche Weise dem Faszinosum Mozart nach, lässt den Leser an seiner Art zu hören teilnehmen und entschlüsselt dabei nicht nur viele der bekannten und auch weniger bekannten Musikstücke dieses großen Komponisten, sondern kommt auch ausführlich auf dessen Opern und deren Entstehung zu sprechen. Damit wendet sich dieses Buch an alle, die Näheres über Mozarts Genie erfahren möchten, die seine Musik intensiver hören und die ihr Verständnis von Mozarts Lebens-, Denk- und Empfindungskosmos vertiefen wollen.
Leseprobe
Vorbemerkung
Im Januar 2005 las ich durch Zufall, daRossini empfohlen habe, jeden Tag eine oder zwei Kompositionen Mozarts zu hren. Die Empfehlung gefiel mir und brachte mich auf den Gedanken, durch ein solches tiches Hren meinen Mozart-Hrsinn zu schen. Jeden Tag wrde ich mich fragen: Was hre ich und wann hre ich es?, tich g es, wo auch immer ich unterwegs w, zumindest eine kleine Mozart-Sce, ja ich knnte diese Unterbrechung des Alltags sogar mit bestimmten Ritualen verbinden und dadurch zu einem besonderen, herausgehobenen Tagesmoment machen. Darber hinaus aber wrde ich auch notieren, wie Mozarts Musik auf mich wirkt, wie sie die jeweilige Umgebung verwandelt und was mir durch den Kopf geht, wenn ich sie hre.
Hatte das schon einmal jemand versucht, hatte schon einmal ein Hrer mglichst genau und ber einen leren Zeitraum davon erzt, wie er Mozarts Musik hrt und warum sie ihn mehr als jede andere animiert und begeistert? Genau das, dachte ich damals sofort, me man aber einmal genauer erkunden, anstatt immer nur ins Biographische oder Analytische zu flchten, zu Lebensdetails also oder in das oft hilflose Sezieren der Stcke und damit in Se von der Art Es folgt eine Auflsung von H nach Ais mit einer sich anschlienden chromatischen Stufensequenz, die, rckgeleitet zur Grundtonart A-Dur, nach dem Doppelstrich in Krebsfhrung erneut auftritt.
Anstatt mich an solche Se zu klammern, wollte ich an den verschiedensten Orten und zu den unterschiedlichsten Zeiten mglichst genau hinhren: In der Abgeschiedenheit eines Musikzimmers, in einem Cafin der Natur, mitten in einer Grotadt, frhmorgens, spin der Nacht, im Sitzen, in Bewegung, in allen nur denkbaren Konstellationen.
Am 27.Januar 2005, Mozarts 249.Geburtstag, habe ich meine ersten Notizen gemacht, genau ein Jahr lang habe ich meine Hreindrcke notiert, dann habe ich die Notate gekrzt und eine Auswahl von ihnen fr dieses Buch zusammengestellt. Allzu private Eintragungen habe ich ausgelassen, dafr habe ich manchmal aber auch kurze Notizen aufgenommen, die den Blitz der erwigung nur registrieren, gerade durch ihre Sprachlosigkeit und Erstarrung vielleicht aber besonders deutlich von jenen intensiven Momenten des Glcks handeln, die Mozarts Musik immer wieder beschert.
Heute vor 249 Jahren wurde Wolfgang Amadeus Mozart gegen 8 Uhr abends im Wohnhaus seiner Eltern und seiner viereinhalb Jahre eren Schwester Nannerl in der Salzburger Getreidegasse 9 geboren und am darauf folgenden Tag im Salzburger Dom auf die Namen Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus getauft. Fast genau fnf Jahre spr, Ende Januar 1761, notiert Leopold Mozart, der Vater, die ersten Kompositionen des Sohnes in ein Notenbuch, das er zunst fr Nannerls Klavierunterricht angelegt hatte. Es handelt sich um zwei kurze, kaum eine halbe bzw. eine viertel Minute lange Klavierstcke, ein Andante und ein Allegro, beide in C-Dur, am frhen Vormittag habe ich sie mir angehrt und damit mein Hr- und Aufzeichnungs-Projekt begonnen. Ich saim Musikzimmer und spitzte die Ohren, ich war etwas aufgeregt und ermahnte mich, genau zuzuhren, Takt fr Takt, ohne mich ablenken zu lassen, es gelang aber nur zum Teil, denn ich hatte laufend die Zimmer des Salzburger Geburtshauses vor Augen, diese dunklen Hhlen mit ihren spichen Fensterlchern, die ich bereits seit meiner Kindheit kenne. Ich sah Mozarts Vater und den kleinen, fnfjigen Sohn, ich sah ein Kind, das sich ber ein Klavier beugt und immer neue Varianten erprobt: So nicht , vielleicht aber so, hier weiter , nicht dort. Zwei kleine He gehen auf den Tasten spazieren und erkunden noch nichtsahnend die Gesetze und Grenzen eines gewaltigen gron Terrains. Die kurzen, berschaubaren Stcke haben etwas immens Rhrendes, sie handeln von Laut und Leise, Vor und Zurck, beinahe wie Elementarskizzen. Anfangs habe ich die Stcke noch in zu gror Lautste gehrt, als knnte ich sie mir auf diese Weise besonders gut einprn, dann aber lasse ich den Knaben sehr leise spielen, es ist, als hrte ich die kleinen Stcke von nebenan, so verhuschen sie und tanzen schlieich im frhen Winterlicht, draun
28.-30. Januar 2005.
Draun, im Garten, liegt dichter Schnee, seine leicht verkrustete und vereiste Oberfle glt jetzt am Abend. Als ich durch den Schnee hinber in das kleine Musikzimmer des Gartenhauses gehe, erinnere ich mich pltzlich wieder an bestimmte Winterwochenenden in Salzburg. Salzburg ist mir immer wie eine winterliche Stadt vorgekommen, das Schneeweiauf seinen Dern brachte die Her der Altstadt unter der Burg noch enger zusammen und war ein starker Kontrast zu den schon am Nachmittag im tiefen Schattendunkel versinkenden Gassen, in denen sich am frhen Abend eine Bergeiseske breitmachte. Schon die blo Erinnerung an Mozarts Geburtsstadt und vor allem die Erinnerung an das Geburtshaus, Getreidegasse 9, wecken also bestimmte Bilder, immer wieder steht mir die alte Raum-Konstellation vor Augen, in der die ersten Kompositionen entstanden.
Nach Aussagen der Schwester soll der Knabe am liebsten spbends und oft bis tief in die Nacht Klavier gebt und auf dem Klavier improvisiert haben. Seine ersten Kompositionen entstehen im Winter, im familin Kosmos weniger Stuben, in denen er vom ersten Tag seines Lebens an den Vater und die Schwester Musik machen hrte, er selbst erh vrlichen Unterricht spstens seit seinem vierten Jahr.
Was sind das fr Kompositionen, diese ersten, kleinen Stcke? er das pure Klavierben hinaus markieren sie einen erfluund so etwas wie die Ahnung einer eigenen Stimme. Ihr C-Dur ist weniger kindlich als autonom: Hier bin ich! , ich trete hervor, diese ersten Stcke wollen sich abheben von dem familin Musizieren und Spielen, indem sie einen ersten Beweis davon liefern, dader Knabe die Musik nicht nur spielt, sondern …