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"Hier liegt Polleke, Dichterin, im Alter von elf Jahren an einer merkwürdigen Mutter gestorben." In Pollekes Leben sieht es ganz schön kompliziert aus. Erst macht Mimun, der liebste Junge auf der ganzen Welt, mit ihr Schluss. Dann verliebt sich ihre Mutter bis über beide Ohren in Pollekes Lehrer. Und dann ist da noch ihr Papa, der ein Dichter ist, aber nie Gedichte schreibt ...
Anrührend ehrlich und ungeschminkt komisch erzählt Polleke aus dem Leben ihrer wunderbaren Patchwork-Familie. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2002.
Nominiert für den Unesco-Preis für Kinder- und Jugendliteratur.
"Polleke ist so witzig, dass es kracht Ein großartiges Kinderbuch!"
Autorentext
Guus Kuijer, 1942 in Amsterdam geboren, war zunächst Lehrer und ist seit 1973 freier Schriftsteller. Für seine Kinder- und Jugendbücher wurde er international vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Holländischen Staatspreis für sein Gesamtwerk.
Leseprobe
INHALT:
Erstes Kapitel, in dem Mimun mit mir Schluss macht, weil ich Dichterin bin
Zweites Kapitel, in dem ich wütend bin, aber keine Rassistin, und in dem sich der Lehrer in meine Mutter verliebt
Drittes Kapitel, in dem es um meinen unnormalen Papa (UP) geht, um den Besuch des Lehrers und Mimuns Brief
Viertes Kapitel, in dem es darum geht, dass mein Vater ein Dichter ist, dass Hilletje eine Stoffpuppe in den Videorekorder steckt und dass der Lehrer bei uns zu Hause ist
Fünftes Kapitel, in dem es darum geht, dass ich vielleicht doch einen Glauben habe und dass Greetje Mutter wird
Sechstes Kapitel, in dem es darum geht, dass Spiek verschwindet, der Lehrer aber gerade nicht, und um Flussdeltas
Siebtes Kapitel, in dem es darum geht, dass getratscht wird und dass ich einen Hindu nehme und was mit Spiek passiert ist
Achtes Kapitel, in dem ich und mein Kalb einschlafen, ich auf Oma wütend werde und meine Mutter und der Lehrer sich küssen
Neuntes Kapitel, in dem es darum geht, dass es jetzt alle wissen und dass Spiek es auch weiß
Zehntes Kapitel, in dem es darum geht, dass mein Vater auf dem Weg zum Ende der Welt ist, dass der Lehrer ein anständiger Kerl ist und dass Mimun und ich nicht zusammen gehen
Elftes Kapitel, in dem Caro und ich ein albernes Spiel spielen und Gamesh etwas durch die Klasse ruft
Zwölftes Kapitel, in dem es darum geht, dass ich Bäume lerne, dass ich schön beten kann, dass man manche Sachen nicht darf, andere aber wohl, und dass der Lehrer manchmal nicht der Lehrer ist
Dreizehntes Kapitel, in dem es darum geht, dass viel zu viel passiert, woran man denken muss, und um einen Zahn, der nicht da ist
Vierzehntes Kapitel, in dem drei Gulden fehlen und Mimun mich erschreckt, ich dann aber sehr froh darüber bin
ERSTES KAPITEL,
IN DEM MIMUN MIT MIR SCHLUSS MACHT, WEIL ICH DICHTERIN BIN
Mein Lehrer ist in meine Mutter verliebt! Kann man sich was Schrecklicheres vorstellen? Nein! Na ja, mein Vater und meine Mutter sind schon lange geschieden. Verboten ist es also nicht direkt. Meine Mutter ist eine liebe Mama. Mein Lehrer ist ein netter Lehrer. Aber die beiden zusammen? Das ist ja wohl abartig.
Und dann bin ich wahrscheinlich auch noch selbst dran schuld.
Es ist vor ein paar Monaten passiert.
Es war der Tag, an dem das »Berufsprojekt« anfing. Wir wussten schon, dass wir als Nächstes ein Projekt über Berufe machen würden, aber der Lehrer wusste nicht, dass wir es wussten. Deshalb fing er so an: »Kinder«, sagte er, »später werdet ihr mal was. Ich zum Beispiel bin Lehrer geworden. Und ein anderer ist General. Um nur mal etwas Bedeutendes zu nennen. Und jetzt möchte ich wissen, was ihr werden wollt.«
Ein riesiger Tumult brach los. Alle schrien durcheinander. Da klopfte der Lehrer mit seinem Stock an die Tafel und es wurde still.
Der Lehrer ging uns der Reihe nach durch.
»Mehmet?«
»General.«
»Mourad?«
»General.«
»Fatima?«
»General.«
»Hoho«, sagte der Lehrer. »Ich glaube, ihr habt es nicht richtig verstanden. Ihr dürft euch selbst was ausdenken. Ihr sollt mir nicht nachplappern. Ihr sollt ehrlich sagen, was ihr später mal werden wollt. Mehmet?«
Mehmet guckte den Lehrer an. Er seufzte tief. »Also kein General?«, fragte er. Der Lehrer seufzte ebenfalls tief. »Du darfst gern General werden, aber du darfst auch etwas anderes werden.«
Mehmet sah den Lehrer erleichtert an. »Ach so«, sagte er. »General!«
Der Lehrer zögerte einen Moment. Dann zeigte er auf Mourad. »Mourad?«
»General.«
Ich fing an zu lachen. Ich konnte einfach nicht anders. Der Lehrer lief rot an. »Was ist daran so lustig, Polleke?«, fragte er wütend.
»Nichts«, sagte ich.
»Was willst du später mal werden?«, fragte er.
In dem Moment sagte ich etwas ganz und gar Falsches. Ich sagte: »Dichterin.«
Dichterin
Mal fällt das Wort wie eine Schneeflocke
mal fällt es wie ein Stein
und dann sagen alle:
Still, da fällt ein Wort.
Der Lehrer starrte mich sehr lange an. Ich sah, wie ein paar Kinder die Worte Blöde Kuh dachten. Ein Zettel plumpste auf meinen Tisch.
Wir hatten doch abgemacht, dass alle dasselbe werden wollen!
Ich schämte mich fast zu Tode. Das hatte ich ja total vergessen!
Der Lehrer ging durch die Klasse. Er sagte nichts. Es dauerte furchtbar lange. »Bist du dir sicher?«, fragte er. »Willst du nicht lieber General werden?«
In dem Moment fand ich ihn unheimlich nett. Ich rief also: »Ja, eigentlich schon.«
Er fing an zu lachen. Er lachte und lachte, ganz für sich allein.
Auf der Straße drückte Mimun mir einen Zettel in die Hand.
Ich gehe nicht mehr mit dir, denn ich glaub, in meiner Kultur ist das gar nicht erlaubt, dass eine Frau Dichter ist, ganz bestimmt ist das nicht erlaubt, und wer will auch schon Dichter sein?
Als ich das Mama erzählte, lachte sie. Sie sagte: »Man muss schon was dafür übrig haben, Polleke.«
»Wofür?«
»Für die Kunst.«
Manchmal könnte ich ihr glatt eine scheuern.
Als ich im Bett lag, hab ich mir ein Gedicht über Mimun ausgedacht. Das braucht sonst keiner zu wissen. Nicht mal meine Mutter.
Deine Augen können so schwarz sein
dass es wie Afrika scheint
und kaum schau ich in sie hinein
scheinst du ganz weit weg zu sein.
Ich musste ein bisschen weinen und dann bin ich eingeschlafen.
ZWEITES KAPITEL,
IN DEM ICH WÜTEND BIN, ABER KEINE RASSISTIN,
UND IN DEM SICH DER LEHRER IN MEINE MUTTER VERLIEBT
Am nächsten Tag schrieb ich Mimun einen Zettel:
Deine Scheißkultur kannst du dir sonst wohin stecken!
Dann geh doch mit so 'nem Mädchen, das immer mit einem Staubtuch auf dem Kopf rumläuft. Ist ja auch praktisch!
Polleke
Das war dumm von mir, denn der Lehrer fand den Zettel. Er war ganz geschockt. Das Berufsprojekt wurde abgeblasen. Wir mussten alles wegräumen. Wir mussten die Arme übereinander legen und gut zuhören. Dann sagte der Lehrer, wir würden ein Antirassismusprojekt machen. Jetzt weiß ich, dass man sich höchstens als faule Kartoffel beschimpfen darf. Alles andere ist Rassismus.
Aber ich hab es aus Versehen getan. Weil ich so verrückt bin nach diesem bescheuerten Marokkaner.
Jeder will nach Holland kommen
ich will weg von hier
denn in andern Ländern
bin ich Ausländerin
und wenn es da Rassismus gibt
dann liegt es nicht an mir.
Als ich Mama davon erzählte, wurde sie auch noch wütend! Nicht auf mich, sondern auf den Lehrer.
Ich dachte, sie platzt gleich.
»Was?«, brüllte sie. »Hat dieser Kakerlak dich etwa als Rassistin beschimpft?«
Darüber musste ich nachdenken. Hatte dieser Kakerlak, ich meine, hatte der Lehrer mich als Rassistin beschimpft?
»Nein«, sagte ich. »Im tiefsten Innern sind wir alle ein bisschen rassistisch, das hat er, glaub ich, gesagt.«
»Gebrauch mal deinen Verstand, Polleke«, brüllte meine Mutter. »Das kam doch nach deinem Zettel, oder? Deine Scheiß…