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Anhand exemplarischer Filme verschiedener Genres - vom Western über den Polizei- und Kriegsfilm bis hin zum Animationsfilm - untersucht der Band, wie die Verzahnung von Recht, Gesetz und Gewalt im Kino dramatisiert wird.
Mit Beiträgen von Thomas Assheuer,
James Conant, Günter Frankenberg, Lisa Gotto, Julika Griem, Klaus Günther, Vinzenz Hediger, Konrad Paul Liessmann, Verena Lueken, Anja Peltzer, Rainer Winter, Hans-Jürgen Wulff sowie den Herausgebern.
Anhand exemplarischer Filme verschiedener Genres vom Western über den Polizei- und Kriegsfilm bis hin zum Animationsfilm untersucht der Band, wie die Verzahnung von Recht, Gesetz und Gewalt im Kino dramatisiert wird.
Mit Beiträgen von Thomas Assheuer, James Conant, Günter Frankenberg, Lisa Gotto, Julika Griem, Klaus Günther, Vinzenz Hediger, Konrad Paul Liessmann, Verena Lueken, Anja Peltzer, Rainer Winter, Hans-Jürgen Wulff sowie den Herausgebern.
Autorentext
Angela Keppler ist Professorin für Medien-und Kommunikationswissenschaft an der Universität Mannheim. Judith-Frederike Popp, M.A., ist wiss. Mitarbeiterin am Frankfurter Exzellenzcluster. Martin Seel ist Professor für Philosophie an der Universität Frankfurt am Main.
Leseprobe
Einleitung
Angela Keppler, Judith-Frederike Popp, Martin Seel
Dieses Buch ist einer Phänomenologie der Spannung von Gesetz und Gewalt gewidmet, wie sie fast seit Beginn des Kinozeitalters in zahllosen Spielfilmen vorgeführt wird. In einer Interpretation exemplarischer Filme verschiedener Genres und Epochen untersuchen die vorliegenden Beiträge, wie Filme die Verzahnung von Recht, Gesetz und Gewalt im Kino dramatisieren - und welches Licht diese Inszenierungen auf idealisierende Prämissen und Prinzipien in traditionellen und aktuellen Theorien des Rechts und der Politik werfen. Diese ästhetische Reflexionsleistung des Kinos wird aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven fruchtbar gemacht für einen nicht-illusionären Blick auf normative Ordnungen und ihren dialektischen Zusammenhang mit der Gewalt, die sie oft vergeblich zu bändigen versuchen. In dieser Einleitung stellen wir leitende Aspekte vor, die für eine Analyse der Intimität von Gesetz und Gewalt im Kino maßgeblich sind.
1 Gesetz und Gewalt
Das heikle Verhältnis von Gesetz und Gewalt ist seit jeher ein zentrales Motiv in den Künsten. Die antike Tragödie hat es vielfach verhandelt und es ist in der Dramatik Shakespeares, Büchners, Brechts, bei Peter Weiss und Heiner Müller unvermindert virulent geblieben. In der Literatur haben Autoren wie Kleist, Dostojewski und Kafka einen scharfen Blick auf die Gewalt des Rechts und die Paradoxien seiner Durchsetzung gerichtet. Die Frage nach dem Verhältnis von außergesetzlicher und moralisch wie rechtlich sanktionierter Gewalt hat im Gorgias und in der Politeia schon Platon umgetrieben, und sie hat der politischen Philosophie seither - bei Hobbes, Hegel, Benjamin, Foucault, Habermas, Derrida und vielen anderen - keine Ruhe gelassen.
Eine Grundfunktion allen Rechts ist die Sicherung des inneren und äußeren Friedens. Aus dem Anspruch auf Erfüllung dieser Funktion beziehen seine gesetzlichen Regelungen und die Forderung ihrer Durchsetzung seit jeher ihre Rechtfertigung, gleichgültig, welche Auffassung von Gerechtigkeit ihnen zugrunde liegt und in welchem Maß der Inhalt des Rechts eher mit egalitären oder autoritären Prinzipien verbunden ist. Erst in einem modernen Verständnis ist es der gleiche Schutz und die gleiche Freiheit aller Mitglieder einer Rechtsgemeinschaft, die - zumindest der Idee nach - durch die Kraft der Gesetze gesichert werden sollen. Das Recht, so verstanden, verpflichtet alle, die ihm unterliegen, auf die Respektierung grundlegender Rechte, die allen Menschen gleichermaßen zukommen. Gleichzeitig aber bleiben Recht und Gesetz auch und gerade in demokratischen Gesellschaften in ihrem Bestand auf die Möglichkeit ihrer zwangsweisen und damit potenziell gewaltsamen Durchsetzung angewiesen. Die Affinität von Recht, Gesetz und Gewalt wird zugleich für diese Gesellschaften auf eine besondere Weise zu einem Problem, das in ihnen fortwährend behandelt werden muss, ohne dass es beseitigt werden könnte.
Dass dies kaum anders sein kann, geht schon aus der lakonischen Definition des Rechts hervor, die Immanuel Kant in seiner Metaphysik der Sitten gegeben hat: "Das Recht ist [] der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann." Kant lässt keinen Zweifel daran, dass die gegenseitige und allgemeine Einschränkung des Handlungsspielraums aller Betroffenen, gerade wenn sie im Namen ihrer Freiheit vorgenommen wird, innerhalb einer verbindlichen Rechtsordnung ohne zugehörigen Zwang weder gedacht noch realisiert werden kann. "Man kann den Begriff des Rechts in der Möglichkeit der Verknüpfung des allgemeinen wechselseitigen Zwanges mit jedermanns Freiheit unmittelbar setzen. [] Recht und Befugnis zu zwingen bedeutet also einerlei."
Dieser konstitutive Zusammenhang von Recht, Gesetz und Gewalt hat in Geschichte und Gegenwart höchst unterschiedliche, eher mit versöhnlichem oder unversöhnlichem Pathos formulierte Auslegungen gefunden. Eine vergleichsweise dramatische, in der Konsequenz fatalistische, jedenfalls auf einer unausweichlichen "Paradoxie" des Rechts bestehende Deutung findet sich jüngst in Christoph Menkes Abhandlung Recht und Gewalt. Dort heißt es pointiert:
"Jeder Versuch, das Verhältnis von Recht und Gewalt zu verstehen muss von zwei Feststellungen ausgehen, die zueinander in Spannung, wenn nicht im Widerspruch stehen. Die erste Feststellung besagt: Das Recht ist das Gegenteil der Gewalt; rechtliche Formen des Entscheidens werden eingeführt, um die endlose Folge von Gewalt und Gegengewalt und Gegengegengewalt zu unterbrechen, den Bann des Antwortenmüssens auf Gewalt mit neuer Gewalt zu lösen. Die zweite Feststellung besagt: Das Recht ist selbst Gewalt; auch rechtliche Entscheidungen üben Gewalt aus - äußere Gewalt, die am Körper angreift, ebenso wie innere Gewalt, die die Seele, das Sein des Verurteilten versehrt."
In der vom Autor an dieser Stelle noch offen gelassenen Differenz zwischen einer "Spannung" und einem "Widerspruch" zwischen den beiden paradigmatischen Reaktionen auf die Stellung von Recht und Gewalt liegt eine Grundspannung ihrer theoretischen Erörterung. Dass Recht und Gewalt nicht zu trennen sind, dürfte, wenn man Kants Hinweisen folgt, kaum zu bestreiten sein; ob beide aber - notwendigerweise - in einem antagonistischen Verhältnis zueinander stehen, bleibt eine rechtsphilosophisch offene Frage. Menke stellt sie mit einer Radikalität, die am Beginn seiner Darlegung bereits erkennen lässt, welche dieser Optionen ihm unausweichlich scheint.
"Das Problem von Recht und Gewalt ist das Problem des Verhältnisses dieser beiden Feststellungen: der Legitimation des Rechts als Gewaltüberwindung und der Kritik des Rechts als Gewaltanwendung. Beide Feststellungen stehen im Gegensatz zueinander, aber keine kann bestritten werden; beide sind wahr. Die Wahrheit beider Feststellungen einzusehen ist die erste Anforderung, um dem Verhältnis von Recht und Gewalt gerecht zu werden."
2 Gesetz und Gewalt im Kino
Im Rahmen dieser Einleitung kommt es nicht darauf an, den theoretischen Disput über das Verhältnis von Recht, Gesetz und Gewalt zu entscheiden. Die voranstehende Skizze hat vielmehr allein den Sinn, an die unübersichtliche Problemlandschaft zu erinnern, deren Tektonik der Film auf seinen eigenen Wegen erkundet. Schließlich ist die Darstellung von Gewalt seit jeher ein zentrales Motiv des Kinos. In unterschiedlichen Genres nimmt diese höchst unterschiedliche Funktionen ein. Einen wichtigen Strang aber bildet in den Erzählungen des Kinos immer wieder die Frage nach dem Recht der Gewalt und der Gewalt des Rechts. Viele Spielfilme, die von Akten, Ereignis…
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