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Wer möchte schon ein Zwerg und Schlossgeist bleiben, wenn er in Wirklichkeit ein verwunschener Prinz ist und König sein könnte! Der Schlossgeist Petermännchen bemüht sich seit Hunderten von Jahren redlich um seine Erlösung. Dafür gibt es viele verschiedene Möglichkeiten; mit ihm ringen, ihm das Schlüsselbund holen, sein Schwert putzen oder ihm bloß den Kopf abschlagen. Es würde auch schon genügen, wenn seine Laterne mit einer bestimmten Schere geputzt wird oder wenn jemand etwas ganz laut ruft. Reicher Lohn winkt dem, der das macht. Und fast alles scheint auch ziemlich einfach zu sein. Aber die Wirklichkeit ist eine andere, birgt Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Als das beinah verzweifelte Petermännchen selbst seine Erlösung in die Hand nehmen will und sie scheinbar auch nach Plan verläuft, stellt sich am Ende heraus: Sogar ein Geist kann sich irren. Aber eine Möglichkeit bleibt ihm noch. Dafür braucht er eigentlich bloß Geduld. Und wieder kommt alles anders Dies sind frei gestaltete Geschichten nach Volksüberlieferungen. Benannt sind auch die Sagenorte. Sie aufzusuchen, um dort das geheimnisvolle Geschehen in der eigenen Fantasie zu erleben wofür die Illustrationen einen zusätzlichen Raum bieten, mag ein weiterer Reiz des Buches sein.
Autorentext
Beide Jg. 1944 und miteinander verheiratet. Erika Borchardt, Dipl.-Kulturwissenschaftlerin, war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schlossmuseum Schwerin. Freie Autorin. Veröffentlichte eine Reihe von Erzählungen, Hör- und Puppenspielen und (gemeinsam mit ihrem Ehemann) Sachbüchern zur mecklenburgischen Kulturgeschichte. Jürgen Borchardt, Dipl.-Germanist, Dr. phil., arbeitete als Philosoph, Germanist und Journalist, war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Landesbibliothek M-V Schwerin. Freier Autor. Publikationen zur mecklenburgischen Literatur-, Kultur- und Zeitgeschichte, gemeinsam mit seiner Ehefrau auch Belletristik.
Leseprobe
Die Habgier des armen Fischers Sagenort: Schweriner See Großer Stein bei Kaninchenwerder Vor vielen Jahren stand unweit vom Schweriner See ein kleines Stroh gedecktes Haus. Dort wohnte ein Fischer, der sich, wie viele seines Standes, mehr schlecht als recht durchs Leben schlug und gern besser gelebt hätte. Er legte jeden Abend die Netze aus und holte sie jeden Morgen noch vor Sonnenaufgang ein. Er glaubte, wenn er nur recht fleißig wäre, würde er schon zu kleinem Wohlstand gelangen. Trotzdem blieb sein Leben ärmlich, wie bei den meisten Menschen in der Stadt und den umliegenden Dörfern. Wenn Peter, so hieß der Fischer, mit seinem Boot an der Burginsel vorbeifuhr und aus den hell erleuchteten Fenstern des Schlosses Musik, fröhliches Lachen und das Stimmengewirr der unzähligen Gäste des Schlossherrn schallte, dann dachte er, wie gut es doch diese Damen und Herren dort oben im Schloss hätten. In seiner Fantasie malte er sich aus, wie sie, in Samt und Seide gekleidet, mit Gold und Edelsteinen geschmückt, an reich gedeckten Tischen saßen und sich vor lauter Überfluss nicht entscheiden konnten, ob sie zuerst die zarte Fasanenpastete wählen sollten oder den köstlichen Hummer, den würzig geräucherten Lachs, das knusprig gebratene Hühnchen, den saftigen Lammbraten, den zarten Fisch oder die farbenfrohen süßen Torten und Kuchen, während ihm in der feuchten Kälte der Nacht der Magen knurrte. Aus tiefstem Herzen wünschte er sich dann, reich zu sein, und sollte es seine Seele kosten. Von niemandem aber hatte er etwas zu erhoffen. So fuhr er Nacht für Nacht auf den See, um zu fischen. Und so vergingen die Jahre. Er hatte zu essen, auch einige Taler für Notzeiten, aber seine Sehnsucht blieb. Es war mitten im Winter, der letzte Tag des Monats Dezember war angebrochen. Noch hatte es nicht gefroren, noch war kein Schnee gefallen. Die anderen blieben zu Hause, flickten die Netze und begnügten sich mit dem, was der Herrgott ihnen bescherte. Peter jedoch fuhr auch an diesem Abend hinaus, die Netze auszulegen. Vergebens hatten ihn die Leute gewarnt, in der Neujahrsnacht zu fischen. Da wäre es auf dem See nicht geheuer. Peter hatte wie sie den sternenklaren Himmel gesehen, der Frost verkündete. Aber solange der See nicht zugefroren war, wollte er arbeiten, und so schlug er alle wohl gemeinten Ratschläge in den Wind. Er sah schon die Taler im Beutel klingen, die er für die frischen Neujahrskarpfen, die ihm ins Netz gehen würden, von den Bürgersfrauen erhielte. Seine Blicke glitten sehnsüchtig über die dunkle Fläche des Wassers, das solchen Fischreichtum barg. Plötzlich sah er im Bug des Bootes ein kleines Männchen sitzen. Peter hätte beschwören können, dass er allein losgefahren war. Hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu. Ihn sollte niemand zum Narren halten! In seinem Boot war er der Herr! Zornig ergriff er das Ruder und wollte auf den ungebetenen Fahrgast einschlagen. Aber was war das? Er konnte den Arm nicht bewegen. Wie fest gewachsen stand er im Boot, das bedrohlich schwankte. Hast dich erschrocken, Peter? Das wollte ich nicht! Aber wenn es dir nicht passt, kann ich ja aussteigen, sprach das Männchen. Petermännchen?!, fragte der Fischer ungläubig. Ich hab immer gedacht, du wärst ein Schlossgeist. Und dein Revier wäre das Schloss. Wie kommst du in meinen Kahn? Heute ist Altjahrsnacht, hast du das vergessen? Am letzten Tag im Jahr kann ich gehen, wohin ich will. Nach einer kleinen Pause fügte der Schlossgeist hinzu: An diesem Tag suchen wir Geister Menschen, die uns erlösen können. Dem Fischer war bei diesen Worten nicht wohl. Doch erwiderte er nichts, sondern legte sich mächtig in die Riemen. Ehe er sich's versah, waren sie am Großen Stein angelangt, nahe der Insel Kaninchenwerder. Peter wunderte sich. Hier pflegte er nie die Netze auszuwerfen. Er hatte doch eine andere Richtung eingeschlagen. Wie konnte er sich in dieser klaren Nacht nur verfahren? Das ging auch nicht mit rechten Dingen zu, darauf würde er seinen Kopf verwetten. Unvermittelt lief das Boot auf Grund und lag fest. Bevor der Fischer einmal tief Luft holen konnte, saß der Schlossgeist, als wäre er durch die Luft geflogen, auf dem Großen Stein und sprach: Gold und Geld regier'n die Welt. Aber Glück bringen sie nur, wenn man nicht zu viel davon hat. Hier, und damit zeigte er auf den Stein, auf dem er saß, hier unter diesem Stein kannst du heute all die Schätze, all das Gold sehen, das ich für mein Volk bewache. Gute kann ich damit belohnen. Aber sorgsam muss ich sein. Ich habe Menschen reich werden sehn, und sie wurden habgierig und böse, und geizig gegen sich selbst. Sie hatten keine Freude mehr, wurden misstrauisch und kannten keinen anderen Genuss, als das Geld im Beutel zu zählen. Argwöhnisch wacht so ein Mensch über seinen Reichtum und trachtet nur danach, noch mehr an sich zu raffen, indes sein Leben zerrinnt wie der Sand zwischen den Fingern. Während dieser Worte hatte sich das Wasser wie auf geheimen Befehl zurückgezogen. Der Stein lag mit einem Mal auf einem Sandhügel, der sanft im flachen Wasser auslief. Nun schob das kleine Petermännchen den Großen Stein zur Seite, mit einer Leichtigkeit, als besäße er Zauberkräfte. Ein riesiges Loch ward darunter sichtbar, bis obenan mit Gold und Silber angefüllt, mit Münzen, Diamanten, Halsketten und Armbändern, silbernen Pokalen und goldenen Bechern. Sie glitzerten und gleißten in der sternklaren Nacht gleich den Strahlen der aufgehenden Sonne. Der Fischer wurde fast blind von all dieser Pracht. Gold!, stöhnte er und die Finger krallten sich unbewusst in die Bordwand des Bootes. Unter dem stoßweisen Atem hob und senkte sich sein Brustkorb wie ein Blasebalg. Er konnte die Augen von dem unermesslichen Reichtum vor ihm nicht abwenden. Wenn du mich erlöst, Peter, wenn du machst, was ich dir sage, kannst du davon nehmen, soviel du brauchst, hörte er das Petermännchen sagen. Der Fischer stierte nur auf das Gold. Er schien plötzlich ein anderer Mensch geworden zu sein. Mit bebenden Lippen flüsterte er: Soviel wie ich brauche? Ich will alles! Alles wird m…