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Eigentum und Person
Sowohl Individualität als auch Eigentum erhielten ihren heutigen Sinn erst mit den bürgerlichen Revolutionen. Die ökonomische Ordnung des Kapitalismus beruht auf der als Besitz bekannten Zuordnung von Dingen zu Personen und der strikten Trennung von Eigentum und Person. Christian Schmidt rekonstruiert die beiden Grundbegriffe der Moderne und diskutiert dabei Fragen der Entfremdung, des geistigen Eigentums und des Eigentums im Sozialismus.
Autorentext
Christian Schmidt, Dr. phil., studierte in Leipzig und an der Londoner City University Philosophie und Mathematik.
Leseprobe
Einleitung Ziel der Arbeit ist es, die Beziehung von Eigentum und Individualität zu bestimmen. Dabei wird davon ausgegangen, daß es sich sowohl bei Eigentum als auch bei Individualität um ein soziales Verhältnis handelt. Das Feld auf dem sich die Beziehung beider bestimmen läßt, ist mithin das Feld sozialer Interaktionen. Diese Ausgangsthese wird durch die Erkenntnis gestützt, daß weder Eigentum noch Individualität überhistorische Tatsachen sind. Ihre Bedeutung im heutigen Sinn erlangten sie vielmehr erst mit der Durchsetzung der bürgerliche Gesellschaft und ihrer auf Eigentum beruhenden ökonomischen Ordnung. Der Umbruch der bürgerlichen Revolutionen ist deshalb maßgeblich für eine Analyse der Beziehung. Worin besteht der Umbruch zwischen feudaler und bürgerlicher Gesellschaft? Der Kern der Souveränität war in der Feudalordnung die Verteilung von Gütern, die Nutzungs- und Verzehrrechte festlegten. Ausgangspunkt der Eigentumsordnung ist die Produktion. Den neuen Ansatz verdeutlicht die paradigmatische Eigentumstheorie Lockes. Was den Menschen ursprünglich gemeinsam sei, so Locke, ist nur die unberührte Natur. Was dagegen ihnen grundsätzlich als einzelnen zugehöre, sei ihre Körperlichkeit und das mit ihr verbundene Vermögen zur produktiven Tätigkeit. Es ist der produktive Einsatz des Körpers, der den Anspruch auf Eigentum begründet. Doch dieser Anspruch verändert die Situation. Die Welt ist den Menschen nicht mehr gemeinsam gegeben, sondern wird in Eigentumsparzellen aufgeteilt. Das Problem der Eigentumslosigkeit und der gesellschaftlichen Einbindung der Eigentumslosen entsteht. Lockes Begründung des Eigentums enthält bereits die Lösung für Teile des Problems der Eigentumslosigkeit. Als freie Personen veräußern die Eigentumslosen ihre Arbeitskraft, um die zum Leben notwendigen Eigentumsansprüche erwerben zu können. Die freie Arbeit schafft den Zustand der Eigentumslosigkeit ab, indem mit ihr die Arbeitskraft einer Person als Eigentum etabliert wird. Positiv gewendet ist die Unterwerfung unter den ökonomischen Zwang, am System des Eigentumstauschs teilnehmen zu müssen, die Schöpfung der Person als freies Individuum. Die Erhaltung der freien Person ist aber auch eine Voraussetzung der Eigentumsordnung. Ohne die Freiheit der Personen verwandelt sich die Eigentumsordnung wieder in ein gesellschaftliches Regime, in dem Verfügung über die Mittel der Produktion mit der Zuweisung von Nutzungs- und Verzehrrechten an die Eigentumslosen verbunden ist. Was aber bestimmt die in der Eigentumsordnung entstandene Person als freies Individuum genau? Die genauere Betrachtung des Appropriationsaktes zeigt, daß es nicht ausreicht, die Person mit ihrem Körper zu identifizieren, sondern daß die natürliche Zueignung des Arbeitsproduktes auch noch die freie Verfügung über die Fähigkeit zur Produktion erfordert. Es läßt sich deshalb konstatieren, daß auch die Teilhabe an geistigen Formen konstitutiv für die Person ist und - einmal erworben - als unveräußerlich postuliert wird. Die Eindeutigkeit des Befunds wird durch die Eigenschaft der Eigentumsordnung gestört, ihren Gegenstandsbereich immer mehr auszuweiten. Diese Entwicklung begann damit, daß die Landwirtschaft im System der Äquivalenzbeziehungen zu einem Güterproduktionsbereich unter anderen wurde, der denselben ökonomischen Gesetzen unterliegt wie die industrielle Produktion und in dem nicht nur der Wert der Güter, sondern auch des Bodens als Produktionsvoraussetzung nach den Gesetzen der gesamten Produktion bestimmt wird. Heute konstituieren die geistigen Formen eine eigene, der dinglichen analoge Sphäre der Eigentumsordnung: das geistige oder immaterielle Eigentum. Die spezifische Tätigkeit, auf die sich die Anwendung der Eigentumsordnung in der Sphäre des Geistigen stützt, ist die Schöpfung der Formen. Schöpfung ist die Produktion sinnvoller geistiger Formen, die nicht durch die Anwendung einer Metaform erzeugt wurden. Die Expansion der Eigentumsordnung auf neue Gegenstandsbereiche ist kein willkürlicher oder umkehrbarer Prozeß. Sie ist Ergebnis der Gesetzmäßigkeiten der ökonomischen Systematik der Eigentumsordnung. Wo im Rahmen des Systems der gesellschaftlichen Bewertung durch Warentausch die Bedürfnisse mit immer weniger Aufwand befriedigt werden können, wächst zwar der materielle Reichtum, doch in gleichem Maße schwindet der Wert der Güter. Die reelle Subsumtion, der Vorgang, bei dem durch die Mischung der Produkte des primären und sekundären Sektors mit den Resultaten der Produktion des tertiären neue Bereiche des Lebens den Gesetzen der Eigentumsordnung und des kapitalistischen Produktionsprozesses unterworfen werden, erweist sich so als ökonomische Notwendigkeit. Die Bedeutung des tertiären Sektors liegt dabei in der Besonderheit der Tätigkeiten, die auf affektive Bindungen zielen. Affektive Bindung ist statt von der Logik der Zeitersparnis von der Notwendigkeit zur Zeitverausgabung bestimmt. Ihrer Unterwerfung unter Rationalisierungsprozesse sind damit Grenzen gesetzt. Was heute die Ausweitung der Eigentumsstruktur ausmacht, ist also nicht die Privatisierung des Sacheigentums öffentlicher Institutionen, sondern die Eigentumsschaffung an ihren Inhalten, wie Wissen, Heil-, Pflege- und Kommunikationsmethoden. Die Ausweitung der Eigentumsordnung auf die geistigen Formen offenbart die Instabilität im Verhältnis zwischen Individuum und Eigentum. Die notwendige Bildung des Individuums wird zur Produktion, die das Individuum in die Nähe eines Eigentumsgegenstandes rückt, der es als freie Person nicht sein kann. Von den Erfordernissen der Eigentumsordnung her betrachtet ist das Individuum immer beides: etwas nicht näher zu Bestimmendes, weil immer schon gegebenes, und Funktion innerhalb des durch die Eigentumsordnung gestifteten Zusammenhangs. Soll einem Subjekt jedoch die Möglichkeit eröffnet werden, mit anderen arbeitsteilig zu handeln oder auch nur zu kommunizieren, muß es selbstverständlich in die Formen des Handelns und in eine Sprache mit ihren Formen des Beziehens und Urteilens eingeführt werden. Aus diesem Grund ist die natürliche Person als rechtsfähige Instanz im sozialen Feld immer ein gebildetes Individuum und nicht eine einfach vorhandene Naturtatsache. Eine Rekonstruktion des Bildungsprozesses und die Bestimmung seines Umfangs ist das Ziel des zweiten Teils der Arbeit. Als Ausgangspunkt der Analyse dient Kants kritische Philosophie, weil sie als Projekt der Selbstreflexion die Bedingungen, unter denen einen Selbstreflexion möglich ist, thematisiert. Zunächst fällt auf, daß das Erkenntnissubjekt bei Kant als individuelles gar nicht bestimmt wird. Die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis liefern nur die Invarianten eines transzendentalen Subjekts. Doch zu diesen notwendigen Invarianten zählt auch eine Einheit des Erkennenden, die den Erkenntnisprozeß erst ermöglicht. Über die Kritik des Erkenntnisvorgangs hinausgehend, erweist sich diese Einheit in jedem Akt und ist aus diesem wie aus jeder Erkenntnis rekonstruierbar. Damit Handlungen möglich sind, bedarf es einer Einheit, die sich selbst und Wirkungen auf sich erlebt. Es existiert keine Wirkung auf das Subjekt, die nicht einen Bezug des Subjekts auf sich selbst auslösen würde. Die Beziehung des Subjekts auf sich selbst ist, wie schon bei der Diskussion der Wahrnehmung durch Kant, jeder Wirkung auf das Subjekt immanent. Die Beziehung…