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In der Szene der Zauberklubs und -vereine gilt: Die Zauberkunst existiert mindestens seit der Zeit, da es des Schreibens fähige Menschen gibt. Dafür spricht ein Dokument, der 'Westcar Papyrus', das von einem Zauberkünstler namens Dedi berichtet, der im 3. Jahrtausend v.Chr. das berüchtigte Köpfen und die Wiederherstellung einer Gans vollzog.
Das vorliegende Buch setzt sich mit theaterwissenschaftlichen Aspekten der Zauberkunst auseinander, richtet das Hauptaugenmerk dabei auf das vorletzte Jahrhundert und auf Wien. Erst mit dem 19. Jahrhundert ist die Zauberkunst nämlich als moderne und eigenständige Unterhaltungsform, wie wir sie heute kennen und verstehen, entstanden. Wien ist als lukrativer und nahrhafter Boden für diese sich entwickelnde Kunst mit insbesondere drei Magiern bekannt - Leopold Ludwig Döbler, Johann Nepomuk Hofzinser und Anton Kratky-Baschik.
Das Buch beschäftigt sich zum einen mit der Frage, warum sich die Zauberkunst zu jener Zeit gerade in Wien zu einer viel gerühmten und geschätzten Vergnügungsform entwickelte und in wie weit diese Form der Unterhaltung Ähnlichkeiten mit anderen Vergnügungen des 19.Jahrhunderts in Wien aufweist. Ein weiteres Ziel des Buches ist es, die Frage zu beantworten, was unter Zauberkunst in Bezug auf Theater eigentlich zu verstehen ist, welche theatralen Aspekte diese artistische Kunstsparte also bietet.
Autorentext
Christian Gruber, Jahrgang 1969, ist Austro-Amerikaner von Geburt und lebt in Wien. An der Universität Wien studierte er Theater- Film- und Medienwissenschaften sowie Englisch. Als Zauberkünstler hat er über 1000 Zaubervorführungen nachweislich erbracht, wurde mit insgesamt fünf Ehrenurkunden ausgezeichnet und war von 1996 bis 2011 aktives Mitglied einer der ältesten Magischen Vereinigungen der Welt. Nach Anstellungen als Editor an der TU Wien und als Coach in AMS Projekten betreibt der Autor derzeit als Sprachtrainer die Sprachschule CSE-Languagecoaching in Wien und ist zudem als freier Autor und Künstler tätig.
Leseprobe
Textprobe:
Kapitel II.6: REVOLUTIONÄR DER BÜHNENZAUBERKUNST:
Der Zauberkünstler Döbler, der es immer verstand, aus seiner Kunst Profit zu machen, sich geschickt mit dem Wiener Charme in die Herzen seines Publikums zu zaubern, der auch ein großzügiges Verhalten mit Benefizveranstaltungen an den Tag legte; z.B. schon 1831 bei der Choleraepidemie als er in Berlin gastierte und 'festsaß'; hat sich als Star in der internationalen Zauberszene des 19.Jahrhunderts gleich einem Feuerwerkskörper hinaufgeschossen und als Fixstern etabliert. Mit seinen bahnbrechenden Erfindungen und Darstellungs-methoden als Zauberer der natürlichen Magie, als Professor der Physik oder Mechanik, der unterhaltsame Vorträge mit Zaubervorführungen gekonnt kombinierte, ist er Revolutionär der modernen Bühnenzauberkunst geworden. Er gilt auch als Pionier des Kinos, als erster Kinounternehmer der Geschichte mit seiner Produktion im Josefstädter Theater am 16. Jänner 1847.
Es ist ein Phänomen des 19.Jahrhunderts, dass sich "der Beruf eines "Physikus"" kaum "von dem eines "Eskamoteurs"" unterscheidet.
[...] die kunst der gelehrten ärzte und naturkundigen wurde gleichfalls als zauberkunst angesehen, setzte sich aber als natürliche zauberkunst allmählich durch. in den händen von zauberkünstlern wie Faust bildete sie sich jedoch zum blendwerk, dem aber oft physikalische kenntnisse zu grunde lagen, um, und fristet noch heute [Mitte des 19.Jhd.] als gaukelei, taschenspieler auf schauplätzen ihr dasein. Die curiöse sucht des 17. und 18. jahrh. benannt manche technische erfindung der physikalischen und chemischen wissenschaften (vgl. zauberlaterne) als zauberkunst, und einige auffällige geräthschaften tragen noch heute das kennwort zauber-.
Die verwandtschaftliche Nähe der Zauberkunst mit den Naturwissenschaften wird mit dem Bildungsdrang des aufstrebenden Bürgertums manifest. Das Bürgertum glaubte nun nicht mehr an die übernatürliche Magie, sondern vielmehr an die Unterhaltungsform eines Prestidigitateurs. Der Tausend-künstler versteht es, sich geschickt zu verkaufen, zu präsentieren und darzustellen mit dem Nimbus der Wissenschaftlichkeit und Aufklärung von Naturphänomenen im Sinne der Produktion des Effekts der Verwunderung, Bewunderung und Anerkennung der dargebrachten Unterhaltungskunststücke des domestizierten, 'natürlichen', weißen oder aufgeklärten, Magiers. Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß sich viele Zauberkünstler im Zuge des allgemeinen Fortschrittes und der Aufklärung im 19.Jahrhundert als Professoren der Physik, Mechanik etc. betitelten, auch wenn sie es nicht waren.
Die Aufklärung und der Bildungsdrang sind ein möglicher Grund, warum Döbler so ungeheuer beliebt war. Wie originell und unnachahmlich Döbler sowie seine Kunst waren, zeigt das Unterfangen, ihn zu kopieren oder seinem Erfolg gleichzutun. Das Konkurrenzunternehmen zu Pokornys Josefstädter Theater war Carls Theater an der Wien. Direktor Carl war schon früher als Figur Staberl erfolgreich und konnte dem berühmten Zauberkünstler Bosco aus Turin, der in Wien gastierte, bald Paroli bieten, indem er ihn parodierte und das erfolgreich. Bosco sah sich und sein Geschäft geschädigt und wollte Direktor Carl mit Hilfe der Zensur solch eine konkurrierende Unternehmung verbieten lassen. Die Zensurbehörden aber zeigten sich nicht sehr gewillt, dies zu tun: