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Die Weltgesellschaft steuert früher oder später auf eine soziale und ökologische Katastrophe zu, wenn es nicht gelingt, eine nachhaltige Entwicklung zu realisieren. Welche Bedeutung hat utopisches Denken für einen umwelt- und sozialverträglichen Wandlungsprozess? Ist es zum Scheitern verurteilt oder sogar eine Bedingung für grundlegende Veränderungen? Björn Wendt untersucht auf Grundlage der Utopieforschung das Verhältnis von Utopie und sozialer Wirklichkeit. Wenngleich sich Utopien auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit nicht eins zu eins umsetzen lassen, leisten sie doch, so die These dieses Buches, einen wichtigen Beitrag zu einer sozial-ökologischen Transformation.
Autorentext
Björn Wendt ist wiss. Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Münster.
Leseprobe
Vorwort Der Zweck der vorliegenden Untersuchung ist die Vergegenwärtigung von Vergangenheit, um die Gegenwart am Maßstab der vergleichenden Erinnerung kenntlich zu machen. Kurzum: Das primäre Ziel lautet Zeitdiagnose. Nicht die Vergangenheit im Allgemeinen soll jedoch im Laufe der präsentierten Geschichte vergegenwärtigt werden, sondern die Utopie und Revolution. Wenngleich eine solche Geschichte in Anbetracht des gegenwärtigen Zeitgeistes anachronistisch erscheinen mag, lässt sich dieses Vorhaben insofern legitimieren, als dass nach dem "Ende der Utopie" ein neues Gesellschaftsprojekt jenen Platz eingenommen zu haben scheint, den der Sozialismus bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion innehatte: den der primären Gegenutopie zum business as usual des westlichen Entwicklungsmodells. Das intendierte Gesellschaftsprojekt trägt Namen "Nachhaltigkeit". Inwiefern dieses sozial-ökologische Projekt tatsächlich als kritisches Gegenmodell zur Gegenwartgesellschaft zu bestimmen ist oder die These vom "Ende der Utopie" die empirische Wirklichkeit überzeugender zu charakterisieren vermag, wird mithilfe der Utopie-, Bewegungs- und Nachhaltigkeitsforschung zu beantworten versucht. Unstrittig ist, dass "Nachhaltigkeit" inzwischen in den Feldern der internationalen Politik, der sozialen Bewegungen und der Wissenschaft zu einem neuen Leitbegriff zukünftiger Entwicklung avanciert ist. Doch wie realistisch ist eine Verwirklichung dieser Idee? Der ehemalige Bundespräsident meint: "Die Bewahrung des Planeten plus globale Gerechtigkeit - ist das überhaupt möglich? Ja! Wir sollten uns nicht entmutigen lassen" (Köhler 2016). Der Titel der vorliegenden Untersuchung - Nachhaltigkeit als Utopie - ließe sich auf den ersten Blick als Gegenposition zu dieser Antwort lesen. Denn: Wenn im Alltag oder in den Medien davon gesprochen wird eine Vorstellung sei "utopisch", dann ist damit in der Regel nicht nur gemeint, dass es sich um etwas handelt, das unmöglich zu verwirklichen ist. Zugleich schwingt implizit die Kritik mit, dass erst gar nicht versucht werden sollte die utopische Idee umzusetzen. Jene Akteure, die das Unmögliche trotzdem wagen, werden häufig als realitätsblinde und irrationale "Spinner" gebrandmarkt, deren Hirngespinste zwangsläufig scheitern müssten. Solange sie scheitern, bleibt es bei dieser Justierung des Utopischen. Erst wenn es gelingt, eine utopische Idee in die soziale Wirklichkeit zu überführen und somit doch einmal der Erfolgsfall eintritt, werden die Utopisten nachträglich zu Visionären umgewidmet. Dass das Verhältnis von Utopien zur sozialen Wirklichkeit jedoch komplexer ist als die Extremfälle des Scheiterns und der Verwirklichung, bleibt oftmals unterbelichtet. Welche Wirkungen haben Utopien also auf die soziale Wirklichkeit? Und ist es überzeugend in Bezug auf die gegenwärtige Situation von einem "Ende der Utopie" zu sprechen? Mit Blick auf das Nachhaltigkeitskonzept wird in der vorliegenden Untersuchung erstens der These nachgegangen, unsere Zeit zeichne sich gerade dadurch aus, dass sie ohne Utopien auskommt und zudem zweitens gefragt, ob und inwiefern Utopien einen Beitrag zu einer sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft leisten können. Ich danke an erster Stelle Dieter Hoffmeister und Matthias Grundmann für die Betreuung und Begleitung der Arbeit, für ihre Unterstützung, den nötigen Freiraum und die gezielten Interventionen, die zur Vollendung des Dissertationsvorhabens notwendig waren. Ein weiterer Dank gilt allen Mitgliedern des Arbeitskreises Gemeinschafts- und Nachhaltigkeitsforschung und Lehstuhls für Sozialisation (insbesondere Jörg Gakenholz, Benjamin Görgen, Niklas Haarbusch, Jessica Hoffmann, Grit Höppner, Frank Osterloh und Sebastian Stockmann) für die inspirierende Zusammenarbeit in den letzten Jahren. Auch allen Teilnehmern des Doktorandenkolloquiums von Matthias Grundmann und Angela Wernberger sei an dieser Stelle herzlich gedankt, denn erst in diesem Diskussionszusammenhang konnten viele Gedanken durch Bestärkungen und kritische Kommentierungen weiter reifen. Ferner möchte ich mich bei Kerstin Jürgenhake für das Korrekturlesen des vorliegenden Textes sowie Isabell Trommer und Julia Flechtner für die Betreuung seitens des Campus Verlags herzlich bedanken. Schließlich gilt mein größter Dank meiner gesamten Familie, vor allem meiner Lebensgefährtin, Agn? Jurevi?iut? sowie meinen Eltern, Rosa und Jürgen Wendt. Vielen Dank für eure Geduld, euer Verständnis und eure Unterstützung! Björn Wendt, im Juni 2018 Einleitung: Nachhaltigkeit als Utopie "Die Zeit scheint reif, wieder über Utopien nachzudenken." (Nida-Rümelin/Kufeld 2010: 8) Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steckt die Menschheit in einer tiefen Krise. Weltweit flammen gewalttätige Konflikte auf, schreiten der Raubbau an den natürlichen Ressourcen und die Freisetzung von Schadstoffen voran und die Weltarmut erweist sich, trotz vieler Anstrengungen diese endlich zu beseitigen, als beständig. Die Empörung und Kritik am bestehenden Zustand sind weltweit vernehmbar. Gleichzeitig scheint es so, als würde es nicht gelingen, aus dieser negierenden kollektiven Kraft heraus eine überzeugende Vision von einer besseren Welt zu entwickeln, auf die sich alle einigen könnten. Es regiert, so könnte man meinen, die große Alternativ- und Orientierungslosigkeit. Oder ist dies nur ein Vorurteil? Denn: Existieren zugleich nicht nach wie vor unzählige alternative Leitbilder und Lebensformen in der Gesellschaft, die die Menschen motivieren, sich in der Gegenwart für eine bessere Zukunft einzusetzen? Und ist Nachhaltigkeit nicht geradezu idealtypisch eines dieser höchst lebendigen positiven Zielbilder, das auf eben jene Missstände reagiert, die unsere Zeit kennzeichnen? Nachhaltigkeit (sustainability) meint ursprünglich ein aus der Forstwirtschaft stammendes Prinzip, das besagt: "Nicht mehr abholzen, als nachwachsen kann". Nachdem die Holzbestände im Zuge der Frühindustrialisierung in den sächsischen Wäldern knapper wurden, nutzte der Oberberghauptmann Carl von Carlowitz in seiner Schrift Syvicultura Oeconomica (1713) als erster den Begriff, um eine "beständige und nachhaltende Nutzung" (Carlowitz, z.n. Grober 2013: 117) des Holzes zu beschreiben. Der Wald sollte pfleglich behandelt und dadurch dauerhaft als ökonomische Ressource für kommende Generationen erhalten werden. Anfang des 20. Jahrhunderts fand das Prinzip zudem Eingang in die Fischereiwirtschaft, indem der Fischfang an der Reproduktionsfähigkeit der Fischbestände ausgerichtet wurde. Nachhaltigkeit meinte demgemäß in erster Linie ein Bewirtschaftungsprinzip, um eine erneuerbare Ressource auf Dauer möglichst effizient zu nutzen (Grunwald/Kopfmüller 2006: 18). Spätestens mit dem Brundtland-Bericht der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung wurde der Nachhaltigkeitsbegriff in seiner Form der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) als ein globales politisches Leitbild entworfen, das ökologische und soziale Ziele als gleichwertige und interdependente Elemente des Nachhaltigkeitskonzepts zusammenführte. Eine nachhaltige Entwicklung,…