Tiefpreis
CHF18.00
Print on Demand - Exemplar wird für Sie besorgt.
"Früher dachte ich, dass Kinder aus Fleisch und Blut gemacht sind. Heute weiß ich sicher: Kinder bestehen aus unterschiedlichen Klebstoffen. Die meisten Kinder haben keine Finger, sondern kleine, aufgeschraubte Prittstifte. Doppelseitiges Klebeband statt Zungen. Leim statt Spucke. Und schnüffelt man an ihnen, dann kann es passieren, dass man betäubt zu Boden sinkt. Bei hohen Temperaturen verklumpen Kinder zu einer klebrigen Masse ohne echte Form. Sie sind dann wie eine Rolle Kreppband. Nach dem Streichen. Zusammengeknüllt. Feucht. Und klebrig." In seinem Erstlingswerk Vater! beschreibt der Kölner Autor Anselm Maria Sellen, selbst Vater von vier Kindern, in unterhaltsamen und kurzweiligen Episoden die Fallstricke und alltäglichen Herausforderungen familiären Zusammenlebens. Ob Elternabend, die Bundesjugendspiele, warum ein Sousaphon vielleicht doch nicht das geeignete Musikinstrument ist und was geschieht, wenn man in einem unbedachten Moment Ja sagt - Sellen bringt den alltäglichen häuslichen Wahnsinn in seinen bissigen Kurzgeschichten und Betrachtungen zielsicher und scharfzüngig auf den Punkt. Vater! ist nicht nur ein ironisches und pointiertes, mit schwarzem Humor gespicktes Buch es verspricht auch einen hohen Wiedererkennungswert, ganz gleich, ob man selbst Kinder hat oder nicht
Autorentext
Sein Vater wollte ihn Che nennen. Am Ende wurde Anselm daraus. Studiert hat er trotzdem (Amerikanische Literatur und Politikwissenschaften). Heute arbeitet der gebürtige Kölner in 4711 Projekten als Educational Innovator, Blogger, Podcaster, Studienleiter und Zombieforscher. Für verschiedenste Stiftungen und Institutionen denkt und gestaltet Anselm Maria Sellen Bildungs-Projekte an den Schnittstellen zwischen politischer, kultureller und digitaler Bildung.
Leseprobe
Essen Wir hatten uns damals geschworen, unsere Essgewohnheiten nicht dem einseitigen Geschmack der Kinder unterzuordnen. Wir waren jung und naiv. Mittlerweile besteht der Essensplan aus fünf Gerichten. Lotte nennt sie liebevoll ihre Best Of. Die Kinder mögen diese kulinarische Monokultur. Überraschungen sind am Mittagstisch unerwünscht. Und wenn es doch einmal eine freche Variation auf die Teller der Kinder schafft, dann werden diese von mimischen und verbalen Entgleisungen begleitet. Geschmackliche Vielfalt wird einstimmig niedergenörgelt. Wenn Marie dürfte, wie sie wollte, dann würde sie sich nur von Brot ernähren. Weißem Brot natürlich. Und Kuchen. Sie heißt Antoinette mit Nachnamen. Natürlich mögen alle Töchter Nudeln. Für einen kurzen Moment habe ich einmal gedacht, meine Kinder wären anders als alle anderen. Ha. Was für ein Irrtum. Da sitzen sie. Die lieben Kleinen. Wie Spürhunde finden sie selbst mikroskopisch kleine Zwiebelstückchen in der Tomatensoße. Sie schnüffeln an ihrem Essen, als würde ich sie mit dem Möhrengemüse vergiften wollen. Argwöhnisch pieksen und fischen sie mit ihren Gabeln und Löffeln in Aufläufen und Eintöpfen. Sie sezieren und sortieren. Sie popeln und stochern. Sie stöhnen und wimmern. Sie mäkeln und rügen. Wenn ich sie dabei beobachte, wie sie versuchen, die Paprika unter dem Pizzakäse zu orten, dann frage ich mich jedes Mal, wieso sie so verdammt schlechte Sucher sind. Mit traumwandlerischer Sicherheit finden sie die winzigen weißen Knoblauchstücke im weißen Kräuterquark, sind aber unfähig ihre Jacken, Brillen und Turnschuhe zu lokalisieren, selbst wenn ich ihnen diese direkt vors Gesicht halte und sie dazu anbrülle Hier, Ida. Hier ist deine Jacke. Ich habe sie. Sie lag auf deinem Bett. Ganz obenauf. Ida schaut mich an und erwidert: Oh, habe ich gar nicht gesehen. Ich habe ja meine Brille noch nicht gefunden. Eine Zeit lang habe ich mir einen Sport daraus gemacht, den Kindern kleine Überraschungen ins Essen zu mischen. Eine Erbse ins Kartoffelpüree. Spinat in die Buchstabensuppe. Oder einen Kümmelsamen in den Milchreis. Sardonisch lächelnd habe ich ihnen dann nach der Mahlzeit gesagt, was sie da gegessen haben. Welch fader Triumph. Welch schwacher Trost. Wahrscheinlich trauen sie meinen Kochkünsten deshalb so wenig. Mittlerweile haben die Kinder verstanden, dass mein unbändiger Zorn über sie kommt, wenn sie ihrem Unmut über mein Essen lautstark Ausdruck verleihen. Statt einem Bäh, das mag ich nicht! dominiert jetzt das diplomatische Danke, ich bin so satt! Dieser Lernprozess hat ja auch nur acht Jahre gedauert. Mal sehen, wann sie es das erste Mal schaffen, die Toilettenspülung zu betätigen, den Klodeckel herunterzuklappen, Türen hinter sich zu schließen oder das Licht in Räumen zu lö-schen, die sie nicht mehr zu betreten gedenken. Heute bin ich zu Mürbeteig in ihren ignoranten Händen geworden. Willenlos koche ich immer gleiche (jüngste) Gerichte, die von den Kindern mit ewig gleicher Begeisterung heruntergeschlungen werden. Hmm, das war lecker. Was gibt's zum Nachtisch? Mit großer Regelmäßigkeit finden Pfannkuchen und Fischstäbchen den Weg auf die Teller. Für Erwachsene findet Essen erst statt, wenn Ernährung abgeschlossen ist. Wenn die Kinder den Tisch längst verlassen haben oder schon im Bett sind. Dann wird Gesottenes und Gebratenes aufgetragen. Geschmortes und Gegartes wird von kichernden Erbsen singend begleitet. Bald wird Lotte ein waschechter Teenie sein. Dann wird sie ein kulinarisches Modebewusstsein entwickeln und gar nicht mehr mit uns essen wollen, weil sie sich für ein veganes Leben entschieden hat. Ida isst ohnehin nur, weil sie leben will und nicht sterben möchte. Bis dahin werde ich an unserem Tisch sitzen und um der Sozialität Willen weiter Pfannkuchen erdulden. Von mir aus auch dreimal die Woche.
Inhalt
Inhaltsverzeichnis Kellerkind 7 Spülmaschine 11 Weichgekocht 15 Essen 20 Herrschaft 24 Kindermusikantenstadl 28 Elternabend I 33 Elternabend II 38 Evolution 43 Karneval 48 Tierwünsche 52 Entzug 56 Bethlehem 60 Ungespräch 64 Glückwunsch 69 Elternsprechtag 74 Geflüchtet 78 Zwangsheirat 84 mUNOpoly 89 Wartezimmer 93 Mauerbau 98 Wiegenfest 102 Ulf 108 Gemeinsamstag 114 Intelligenzbestien 119 Medienveganismus 124 Kreisheimattag 129 Familienfoto 134 Stallgeruch 139 Klebstoffe 145 Sex 150 Bundesjugendspiele I 154 Bundesjugendspiele II 160 Sorgenkinder 165 Endlosschleife 169 Digga 174 Wolfsmenschen 179 Blinddarm 184 Sprachlos 188 Flatrate 192 Verschenkt 197 Vorgeführt 201 Sankt Martin 207 Kinderschmuggel 212 Wahrsager 216 Qualvoll 221