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In den letzten zwei Jahrzehnten sind weltweit so viele Hochhäuser gebaut worden wie nie zuvor. Auch in Europa, wo lange Zeit vor allem Kirchtürme und Schornsteine vertikale Akzente setzten, prägen sie vermehrt das Gesicht der Städte. Die neuere monumentale Architektur ist mit vielfältigen Versprechen, Begehrlichkeiten und Befürchtungen verknüpft. Am Beispiel von Paris, London und Wien diskutiert diese Studie, welche Vorstellungen von Urbanität dabei im Spiel sind. Sie verortet das vertikale Bauen im Spannungsfeld von globalisierten Vergleichshorizonten einerseits und städtischem Eigensinn andererseits.
Autorentext
Andrea Glauser ist Professorin für Kulturwissenschaft am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
Leseprobe
I Einleitung 1 Ausgangslage, Fragestellung "Himmelsstürmer sind wieder in", hieß es in der Neuen Zürcher Zeitung anlässlich der Ausstellung "L'invention de la tour européenne" im Pariser Pavillon de l'Arsenal (Zitzmann 2009). Nach wechselhaften Konjunkturen spielt das Hochhaus in heutigen Debatten um Urbanität, Stadtentwicklung und Architektur eine herausragende Rolle, und es prägt unübersehbar das Gesicht der Städte: In den letzten rund 15 Jahren sind weltweit so viele Hochhäuser gebaut worden wie nie zuvor (Museum für Gestaltung Zürich/Janser 2011; Matzig 2017; Wood 2010). Vor allem in Asien - und hier besonders in China sowie in der Golfregion - wachsen Metropolen rasant in die Höhe. Aber auch in Europa, wo mit Ausnahme von Frankfurt am Main Hochhäuser in Stadtzentren lange Zeit weitgehend fehlten und vor allem Kirch- und Rathaustürme sowie Schornsteine vertikale Akzente setzten, mehren sich solche Projekte. Mittlerweile formulieren sogar Kleinstädte in ländlichen Gegenden Hochhauskonzepte und ergreifen Maßnahmen zur Förderung des aufragenden Bautyps (Ackermann 2011). Diese Hinwendung zu einer stärkeren Vertikalisierung des Stadtbildes ist jedoch umstritten und konfliktreich. Wie der Bautyp des Hochhauses in europäischen Städten eingesetzt werden kann und soll - darüber gehen die Ansichten stark auseinander. Die Hochhausdebatten drehen sich dabei meist nicht nur um einzelne Bauprojekte, sondern grundsätzlich um Fragen nach erstrebenswerter Urbanität sowie Macht in städtischen Räumen. Das vertikale Bauen involviert Interessenkonflikte und vereint vielfältige Versprechen und Schwierigkeiten: Wenn heute vom Hochhausbau die Rede ist, sind Verweise auf Bevölkerungswachstum und eine zunehmende Urbanisierung des sozialen Lebens meist nicht weit. Durch die Stapelung von Flächen soll zusätzlicher Raum generiert und der "Zersiedelung" (dem "urban sprawl") Einhalt geboten werden. Vertikales Bauen wird gerne als Strategie propagiert, um Grün- und Freiflächen zu bewahren - ein veritables modernistisches Leitmotiv (Fromonot 2008: 16). Im Mittelpunkt solcher Diskussionen stehen vor allem, aber keineswegs ausschließlich, Büro- und Wohnräume. In Brasilien und Israel etwa gibt es Hochhausfriedhöfe, und ausgehend von New York wird seit einiger Zeit über Landwirtschaft im Wolkenkratzer - "vertical farming" - debattiert sowie mit einschlägigen Techniken experimentiert (Despommier 2011; Frazier 2017). Forderungen nach effizienter Nutzung der Bodenfläche durch Hochhäuser werden nicht zuletzt mit Renditefragen verknüpft. Wo es die Bauordnung erlaubt, durch Stapelung von Flächen eine höhere Ausnutzung des Grundstücks zu erreichen, tangiert der Hochhausbau zentral auch ökonomische Interessen (Willis 1995). Das vertikale Bauen weckt zudem in Sachen Visualität Begehrlichkeiten: Stadtregierungen und Unternehmen greifen auf den augenfälligen Baustil zurück, um "Signale" zu senden und prosperierende Urbanität zu inszenieren bzw. zu simulieren (Bodenschatz 2000). Die neueren, für Zentrumslagen entworfenen Projekte sind typischerweise Prestigebauten par excellence. Sie stehen für einen, wie es gerne heißt, "glamourösen" Baustil, der ökonomisches und künstlerisch-architektonisches Kapital fusioniert und meist auch in technischer Hinsicht ambitioniert auftritt (Foster 2011; Peters 2003: 10; Sklair 2010). Offensichtlich verbinden sich mit diesen schillernden Monumenten nicht nur nüchtern-funktionale Anliegen. Gerade wegen ihrer Augenfälligkeit werden Hochhäuser jedoch auch häufig als "Störung" (oder Zumutung) wahrgenommen, zumal im Kontext von historischen Stadtbildern (Glauser 2016; Rodenstein 2006). Die Vorstellung, dass sich Hochhäuser von historischen Monumenten fernhalten sollten, ist keineswegs eine ausschließlich europäische. Wie verschiedene Quellen belegen, sorgten etwa auch in New York Wolkenkratzer in der Nähe von Kirchen für Irritationen. Ein Beispiel hierfür sind die Beschreibungen Henry James' in The American Scene, in denen er beklagt, dass die Trinity Church ("poor old Trinity") plötzlich von solchen Bauten - "monsters of the mere market" - umstellt sei (James 2000 378). Hochhäuser gelten als schwierige Nachbarn, insofern sie ihre Umgebung im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten stellen, und sie gehen bezüglich Sicherheit und Finanzierung mit besonderen Herausforderungen einher - mit zunehmender Bauhöhe steigen die notwendigen Aufwendungen typischerweise überproportional an (Peters 2003; Zaera-Polo 2007). In den Bauordnungen vieler europäischer Städte ist die Möglichkeit einer höheren Grundstücksausnutzung durch Vertikalisierung stark beschränkt. Ob solche Regelungen, etwa zur Verhütung von Bodenspekulation, angebracht sind, darüber gehen die Ansichten auch von Expertinnen und Experten auseinander. Nicht zuletzt gibt der Energieverbrauch von Bürotürmen Anlass zu Diskussionen: Als "Energiefresser" seien solche Bauten kaum mit den Zielen des Klimaschutzes vereinbar, lautet eine verbreitete Kritik (Paquot 2008a; Wood 2010). Im Zentrum dieses Buches steht die Frage, wie in europäischen Metropolen von der Möglichkeit des vertikalen Bauens Gebrauch gemacht wird und welche Interpretationen das Hochhaus dabei erfährt. Nach welcher Logik werden wünschenswerte von quasi illegitimen Bauten, mögliche von unmöglichen Standorten unterschieden und potentielle oder aktuelle Konflikte ausgetragen? Wofür steht das Hochhaus in der jeweiligen Stadt? Was wird überhaupt als Hochhaus aufgefasst, und welches sind die (expliziten und impliziten) Spielregeln, die den Umgang mit diesem Bautyp prägen? Meine Untersuchung interessiert sich für Parallelen und Unterschiede in städtischen Bau- und Diskussionspraktiken und verortet die unterschiedlichen Positionen im Spannungsfeld von globalisierten Mustern einerseits und individueller Stadtgeschichte - städtischem Eigensinn - andererseits. Ein besonderes Augenmerk gilt der Stadtplanung - also dem Agieren jener Akteure, die für das Erarbeiten von Strategien sowie die Umsetzung und Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben zuständig sind. Stadtplanungsämter haben zwar keineswegs in allen Ländern Europas dieselben Züge und dasselbe Gewicht; sie spielen jedoch in der europäischen Stadtgeschichte insgesamt eine wichtige Rolle und formen die Grenzen und Möglichkeiten gebauter Ordnung wesentlich mit (Albers 1997; Altrock/Schubert 2005; Siebel 2004a; Sutcliffe 1981; Weber/Crane 2012). Gerade weil das Hochhaus wie kaum ein anderer Bautyp polarisiert, ist es aufschlussreich zu beleuchten, wie sich diese Instanzen, welche die Stadt als Ganzes und nicht zuletzt auch das Gemeinwohl im Blick haben sollten, zum vertikalen Bauen stellen (Burckhardt 2013 [1981]; Burckhardt 2004 [1974]; Dröge/Magnin 2010: 105; Häußermann 1997). Die Studie setzt bei der Beobachtung an, dass in vielen Städten, namentlich europäischen, die Hochhausdebatten maßgeblich Auseinandersetzungen um Stadtbilder sind, also die materialisierte (bzw. rekonstruierte) Geschichte eines Ortes. Ein zentrales Bezugsproblem der Stadtplanung ist denn auch das Verh…