Tiefpreis
CHF42.30
Derzeit vergriffen, Neuauflage/Nachdruck - Voraussichtlicher Termin: Mai 2024
Der dritte Band der Werkausgabe Alfred Sohn-Rethels, mit denen die Schriften abgeschlossen werden, enthält die sogenannten Exposés: angefangen mit dem auf Capri entstandenen frühen Positano-Exposé von 1926 bis hin zum ersten englischen Entwurf von Intellectual and Manual Labour von 1951. In der ihm eigenen Textgattung des Exposés ringt Sohn-Rethel um einen kritischen Standpunkt in Philosophie und Gesellschaftstheorie. Anders als etwa bei seinen temporären Weggefährten des Frankfurter Instituts für Sozialforschung stehen bei ihm Naturwissenschaft und Ökonomie als wesentliche Bestandteile der industriellen Moderne im Vordergrund seiner kritischen Untersuchungen. In seinen Bemühungen reagiert Sohn-Rethel auf wichtige intellektuelle und politische Strömungen und Ereignisse seiner Zeit: Neukantianismus und Neopositivismus in der Philosophie, die Ausbildung der Grenznutzenschule, die sozialistische Planungsdebatte und die Formalismus-Substantivismus-Debatte in der Wirtschaftswissenschaft, auf der politischen Ebene endlich die »objektive Möglichkeit« des Sozialismus sowie die sich stattdessen einstellende Wirklichkeit des Nazifaschismus. Die zu großen Teilen hier erstmals veröffentlichten Exposés ergänzen zwar die teils zu Lebzeiten veröffentlichten Schriften Sohn-Rethels, zeichnen aber nicht nur die bloße Vorgeschichte der späteren Veröffentlichungen nach, mit denen der Autor bekannt geworden ist, sondern zeigen ebenso ein ganz anderes Anliegen: Sohn-Rethels Versuch auf dem Höhepunkt des eigenen Schaffens, aber unter äußerst widrigen Umständen von Flucht und Exil die Fäden seines Denkens in einer Synthese von kritischer Erkenntnistheorie, Ökonomiekritik und politischer Faschismustheorie zusammenzuführen. In diesem Licht erscheinen die späteren Bücher als Bruchstücke eines sehr viel umfangreicheren Projekts, dem die Zeit nicht gewogen war.
Klappentext
Der dritte Band der Schriften Sohn-Rethels enthält die frühesten Ausarbeitungen seiner Erkenntniskritik, deren Problematik zeitlebens der zentrale Inhalt seines geistigen Schaffens bleiben sollte. Die Grundidee, dass das Kantsche »...Transzendentalsubjekt ein Fetischbegriff der Kapitalfunktion des Geldes...« (Alfred Sohn-Rethel, Schriften I, S. 270) sei, kam Sohn-Rethel bereits in den frühen 1920er Jahren. Oder, anders formuliert: »1921: Postulat: die Warenform begreift das Transzendentalsubjekt in sich (Alfred Sohn-Rethel, Vorwort zu Geistige und körperliche Arbeit; revidierte und ergänzte Neuauflage, 1989; hier den Schriften III und IV vorangestellt)«. Die Denkform resultiert aus der Warenform: das abstrakte Denken, dem die Sohn-Rethelsche Ideologiekritik als Erweiterung der Marxschen Kritik des Fetischcharakters der Ware gilt, hat seine Wurzel in der Tauschabstraktion. Diese wird bei der Tauschhandlung von den Tauschenden als Realabstraktion unbewusst mitgetätigt, es handelt sich also nicht um eine gedankliche Abstraktion, sondern um einen Akt, der bei dem Bezug von Waren auf eine allgemeine Ware (das Geld) unbewusst mitvollzogen wird. Dies ist ein Hinweis auf die Historizität jedweder Art und Weise des Denkens, letztlich darauf, dass der Begriff der objektiven Wahrheit ein je historischer ist. Die Kantsche Transzendentalphilosophie tritt nicht etwa zufällig in der Folge Newtons auf, auch nicht als die bis dahin entwickeltste Version einer zeitlosen Logik, sondern als Denken, das an der Zeit war (Hegel): als philosophisches Fundament der Newtonschen Physik (Sohn-Rethel verweist dazu auf Hermann Cohen), die ihrerseits am historischen Übergang von der formalen zur realen Subsumtion der Arbeit unters Kapital steht (Marx). Beim heutigen Stand der (fast vollständigen) Inwertsetzung aller Lebensbereiche sind die Menschen - vermeintlich - Teil einer in sich geschlossenen, ahistorischen Totalität, einer ganzen Fetischwelt, die sich mit ihrer Realität nicht so gerne konfrontieren möchte. Die sich auf das 'normale', alltägliche wie auch wissenschaftliche Denken erstreckt: warenförmiges, entfremdetes Denken, in dem allein schon der Begriff der Kritik vergessen wird, korrespondierend mit der zusehends total werdenden Asozialität aller zwischenmenschlichen Verhältnisse. Negation dieser durch das Mittel des Ausschlusses aller von allen und allem: des Geldes - einschließlich des negativen Verhältnisses zur ersten Natur (Lukács), also auch der eigenen in selbstzerstörerischer Tendenz. Der zentrale Text des dritten Bandes dieser Ausgabe ist das »Exposé zum Plan einer soziologischen Theorie der Erkenntnis«, geschrieben Februar bis August 1936. Diese Schrift ist die erste Gesamtdarstellung der erkenntniskritischen Gedanken Sohn-Rethels. Veröffentlicht wurde dieser Text erst 1985 als »Soziologische Theorie der Erkenntnis«. Sohn-Rethel: »...eigentlich 'marxistische Theorie der Erkenntnis'...« - noch besser: 'Materialistische Kritik der Erkenntnis'? Mehr noch als in der späteren Schrift 'Geistige und körperliche Arbeit' wird die real-historische Perspektive seiner Argumentation offensichtlich. Sohn-Rethel sandte Durchschläge seiner Schrift außer an das Institut für Sozialforschung (IfS) auch an Ernst Bloch und Georg Lukács, von denen jedoch keine Rückmeldung bekannt ist. Um so bemerkenswerter die konträren Reaktionen innerhalb des IfS: Adorno geradezu euphorisch in seiner Antwort auf Sohn-Rethels »Nottinghamer Brief«, dem »Exposé zur Theorie der funktionalen Vergesellschaftung«; Horkheimer hingegen generell ablehnend. Adorno bemühte sich Sohn-Rethel eine Anstellung am IfS zu verschaffen, die Schrift »Zur kritischen Liquidierung des Apriorismus« (1937) sollte als Zusammenfassung seines ersten frühen Hauptwerkes von Walter Benjamin begutachtet werden. Spätere, ergänzende Texte sowohl Sohn-Rethels anlässlich der Veröffentlichung der Haupttexte als auch Diskussionsbeiträge aus jüngerer Zeit schließen den Band ab.