

Beschreibung
Besondere Autorinnen, besondere Geschichten: btb SELECTION - Ausgezeichnet. Ungewöhnlich. Erstklassig. Cora Salme ist leidenschaftliche Fotografin und träumt davon, dies zu ihrem Beruf zu machen. Aber eine freiberufliche Existenz ist unsicher. Und so tritt sie...Besondere Autor*innen, besondere Geschichten: btb SELECTION - Ausgezeichnet. Ungewöhnlich. Erstklassig.
Cora Salme ist leidenschaftliche Fotografin und träumt davon, dies zu ihrem Beruf zu machen. Aber eine freiberufliche Existenz ist unsicher. Und so tritt sie in die Marketingabteilung einer Pariser Versicherungsgesellschaft ein. Alles geht für eine Weile gut. Als sie nach der Geburt ihrer Tochter jedoch wieder ins Unternehmen zurückkehrt, weht dort ein eisiger Wind. Auf den Fluren ist von Umstrukturierung und Kostenoptimierung die Rede, das Management wird immer aggressiver, der Druck auf Cora wächst. Ständig hat sie das Gefühl zu versagen - bei der Arbeit und Zuhause. Bringt sie sich wirklich nicht genug im Job ein? Vernachlässigt sie Mann und Kind? Cora fühlt sich immer mehr in die Enge getrieben. Und begeht an einem heißen Junitag, am Rande des Burnouts, einen unverzeihlichen Fehler.
Vincent Message, 1983 in Paris geboren, gilt als eine der interessantesten literarischen Stimmen Frankreichs. Für seine ersten beiden Romane »Les Veilleurs« und »Défaite des maîtres et possesseurs« wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Für sein jüngstes Buch »Ein Moment der Unachtsamkeit« wird er sogar mit Balzac und Zola verglichen. Im Zentrum von Vincent Messages literarischem Schaffen steht die Frage nach dem sozialen Ungleichgewicht unserer Gesellschaft und dem unerbittlichen Druck auf den Einzelnen. Nach längeren Aufenthalten in Berlin und New York lebt er wieder in Paris und unterrichtet Literaturwissenschaft an der Universität Paris VIII.
Besondere Autor*innen, besondere Geschichten: btb SELECTION Ausgezeichnet. Ungewöhnlich. Erstklassig.
Cora Salme ist leidenschaftliche Fotografin und träumt davon, dies zu ihrem Beruf zu machen. Aber eine freiberufliche Existenz ist unsicher. Und so tritt sie in die Marketingabteilung einer Pariser Versicherungsgesellschaft ein. Alles geht für eine Weile gut. Als sie nach der Geburt ihrer Tochter jedoch wieder ins Unternehmen zurückkehrt, weht dort ein eisiger Wind. Auf den Fluren ist von Umstrukturierung und Kostenoptimierung die Rede, das Management wird immer aggressiver, der Druck auf Cora wächst. Ständig hat sie das Gefühl zu versagen bei der Arbeit und Zuhause. Bringt sie sich wirklich nicht genug im Job ein? Vernachlässigt sie Mann und Kind? Cora fühlt sich immer mehr in die Enge getrieben. Und begeht an einem heißen Junitag, am Rande des Burnouts, einen unverzeihlichen Fehler.
Deutsche Erstausgabe.
Autorentext
Vincent Message, 1983 in Paris geboren, gilt als eine der interessantesten literarischen Stimmen Frankreichs. Für seine ersten beiden Romane »Les Veilleurs« und »Défaite des maîtres et possesseurs« wurde er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Für sein jüngstes Buch »Ein Moment der Unachtsamkeit« wird er sogar mit Balzac und Zola verglichen. Im Zentrum von Vincent Messages literarischem Schaffen steht die Frage nach dem sozialen Ungleichgewicht unserer Gesellschaft und dem unerbittlichen Druck auf den Einzelnen. Nach längeren Aufenthalten in Berlin und New York lebt er wieder in Paris und unterrichtet Literaturwissenschaft an der Universität Paris VIII.
Leseprobe
I
Personen im Tunnel
Seit zwei- oder dreihunderttausend Jahren spazierte unsere Spezies schon über den Erdball, als Cora Salme eines Morgens um Punkt halb acht die blau-weiß gekachelten Gänge der Pariser Métro mit völlig neuen Augen sah. Sie trug ihre eleganteste Jacke und schlenderte in einer Leinenhose und Ballerinas den Bahnsteig entlang, im Zickzack zwischen wartenden Schatten hindurch, die genau wie sie dem Herbst noch trotzen wollten. Sie betrachtete die ebenso gekachelten Bänke entlang der Wände, den dicken Bauch des Gewölbes, sein funkelndes Schuppenkleid oben über den gefährlichen Gleisen und fand das alles recht schön. Beinahe ihr ganzes Leben hatte sie in Paris verbracht und war die Métro derart gewohnt, dass sie sie gar nicht mehr wahrnahm. Erst nach dem Sommer, als die heitere Frau, die während der Ferien aus ihr geworden war, plötzlich an ihren üblichen Platz zurückmusste, fielen ihr diese Dinge wieder auf. Diesmal hatte sie sich dank Elternzeit noch länger aus dem ewigen Arbeitstrott ausklinken können. Sie vergaß bisweilen sogar, welcher Wochentag es war, und ließ die Leute zu sich kommen, statt zu ihnen hinzuhetzen. Vielleicht sollte sie diesen vergänglichen Augenblick nutzen und die Welt in sich aufnehmen. Das war schlauer, als sich ständig zu sagen, dass der Wiedereinstieg nach so langer Zeit hart werden würde.
Da standen überall Leute um sie herum. Positionierten sich so auf dem Bahnsteig, dass sie möglichst schnell würden einsteigen können. Sie waren aufgestanden, hatten geduscht oder sich wenigstens kurz gewaschen, hatten gefrühstückt oder zumindest einen Tee oder Kaffee hinuntergestürzt und sich mit noch schläfrig-fahrigen Bewegungen vor dem Spiegel ausreichend zurechtgemacht, um unter Leute gehen zu können. Sie hatten Kleider ausgesucht, die sie dickhäutiger aussehen ließen, als sie sich in Wahrheit fühlten. Und so standen sie am Bahnsteig aufgereiht, richteten den Blick in den Tunnel, aus dem der Zug kommen würde, oder ließen ihre Netzhaut die auf der gegenüberliegenden Seite gezeigten Bilder aufnehmen, Herbstjacken, Urlaubsangebote in der Nebensaison für kinderlose Paare, Schulranzen, die nicht nur robust, sondern auch kostengünstig und ausreichend modisch waren, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Fast alle befanden sie sich auf dem Weg zur Arbeit, nachdem das Verlangen, sich nützlich zu machen und an ihren Projekten weiterzuarbeiten, beziehungsweise die hartnäckige Not, irgendwie das Überleben sichern zu müssen, sie aus dem Bett geholt hatte. Seltsam, dass Cora sich daran gewöhnt hatte, das alles banal zu finden.
Beim Einsteigen sagte sie sich, dass auch sie nun wieder arbeite, dass auch sie wieder an Bord sei. Im selben Kahn, zurück in der Mannschaft. »Das neue Leben«, murmelte sie, »das neue Leben beginnt.« Im Gedränge wunderte sie sich, dass ihr Körper so dünn und wendig war. Immer wieder hielt sie sich reflexhaft eine Hand fünfzehn Zentimeter vor den Bauch, dorthin, wo vor drei Monaten die Haut gespannt hatte und unglaublich empfindlich gewesen war; vor diesen Bauch, der wieder verschwunden war, gerade als sie ihn als einen Teil ihrer selbst anerkannt hatte. Erstaunt darüber, dass Manon nicht mehr darin ist, fragte sie sich in einem Anflug von Panik, wo bloß das Kind nun sei, bevor ihr die Realität wieder bewusst wurde: Manon schlief in ihrem Bettchen, behütet vom Krokodil und von der Katzenspieluhr, die ihr in ihrem unruhigen Schlaf beide möglichst nahe sein mussten; oder sie war mit Pierre irgendwo unterwegs, oder bei den Großeltern, oder bei ihrer Tagesmutter Silué, wie es ab heute Normalität sein würde, nachdem Cora Silué in der letzten Woche die Betreuung schrittweise überantwortet hatte, zunächst besorgt und eifersüchtig, nach einigen Tagen aber in dem ruhigen Wissen, dass - wenngleich Manon ihr fehlte - die beiden ein gutes Team waren. Ungeachtet ihrer eigenen rasanten Fortschritte in der Säuglingspflege hatte s
