Synkretismen sind eines der zentralen Probleme der Morphologie. Sie bedeuten, dass eine Wortform (z.B. trag-en) mehrere grammatische Funktionen ausdrückt (1. und 3. Person Plural, Infinitiv) und es damit zu Asymmetrien von Form- und Funktionsebene kommt. Diese Studie untersucht den Wandel und die Konstanz von Distinktionen und Synkretismen in 2.427 hochdeutschen Dialekten vom Ende des 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.
Die Analyse zeigt, dass bestimmte linguistische Faktoren den Sprachwandel steuern und er in einer geographischen Logik erfolgt. Außerdem wird in allen hochdeutschen Dialekten (einschließlich der deutschen Standardsprache) ein morphologisches Minimum an Distinktionen eingehalten. Im Gegensatz zu anderen Sprachen mit Tendenz zu Einheitsformen (z.B. Englisch) behalten im Deutschen die Wörter eine verhältnismäßig große Zahl unterschiedlicher Formen.

Autorentext
Stefan Rabanus, geb. 1968, hat in Würzburg und Mainz Germanistik, Italienisch und Philosophie studiert. 1998 Stipendiat am Institut für Phonetik und Dialektologie der italienischen Forschungsgemeinschaft (C.N.R.) in Padua. 2000 Promotion an der Universität Greifswald. 20002005 wissenschaftlicher Mitarbeiter und geschäftsführender Assistent am Forschungszentrum "Deutscher Sprachatlas" der Universität Marburg. 2002 Gastdozent für deutsche Sprache und Linguistik an der Universität Aquila. 20052006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik und Slavistik der Universität Verona. Seit 2006 Professor für deutsche Sprachwissenschaft (professore associato) an diesem Institut.