

Beschreibung
München. Ein Tag wie jeder andere. Die Dogwalkerin Mia bringt Albert, den Dackel ihrer schwer kranken Kundin Berna, zurück. Die alte Dame erwartet sie bereits an der Tür, sie wirkt benommen und fahrig, behauptet, ihr Neffe sei zu Besuch, und schickt Mia mit de...München. Ein Tag wie jeder andere. Die Dogwalkerin Mia bringt Albert, den Dackel ihrer schwer kranken Kundin Berna, zurück. Die alte Dame erwartet sie bereits an der Tür, sie wirkt benommen und fahrig, behauptet, ihr Neffe sei zu Besuch, und schickt Mia mit der Bitte fort, in zwei Stunden noch einmal wiederzukommen. Später reagiert sie jedoch nicht auf ihr Klingeln. Alarmiert dringt Mia in das Haus ein und findet dort Spuren einer heftigen Auseinandersetzung. Sie entdeckt Berna, die erdrosselt in ihrem Bett liegt. Von diesem Moment an ist sie für die Polizei eine wichtige Zeugin - und für den Täter eine ernst zu nehmende Gefahr.
Sabine Kornbichler, geboren 1957, wuchs an der Nordsee auf und arbeitete in einer Frankfurter PR-Agentur, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Schon ihr Debüt 'Klaras Haus' war ein großer Erfolg, ihr Kriminalroman 'Das Verstummen der Krähe' wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Sabine Kornbichler lebt und arbeitet als Autorin in der Nähe von München.
Autorentext
Sabine Kornbichler, geboren 1957, wuchs an der Nordsee auf und arbeitete in einer Frankfurter PR-Agentur, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Schon ihr Debüt "Klaras Haus" war ein großer Erfolg, ihr Kriminalroman "Das Verstummen der Krähe" wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Sabine Kornbichler lebt und arbeitet als Autorin in der Nähe von München.
Leseprobe
1
Irgendwo im Erdgeschoss schlug eine Tür. Coco richtete sich auf, spitzte die Ohren und gab ein heiseres Bellen von sich, bevor sie den Kopf zurück auf den Rand ihres Körbchens legte. Ein Windzug, dachte ich und konzentrierte mich wieder auf Berna Kiening, die in einem warmen Hausanzug auf ihrem Bett saß, auf den Knien einen Block, auf dem sie aufgelistet hatte, was sie an diesem Abend mit mir besprechen wollte.
Während das Pendel der antiken Standuhr in gleichmäßigem Rhythmus hin- und herschwang, wartete ich darauf, dass sie fortfuhr, aber sie hielt den Blick auf einen Punkt hinter mir gerichtet und lauschte. Das Geräusch, das aus den Tiefen des Hauses zu uns gedrungen war, hatte sie beunruhigt.
Ich schlug vor nachzusehen, aber sie winkte ab und sagte, wir hätten Wichtigeres zu tun. Vermutlich hatte sie unten ein Fenster nicht richtig geschlossen, ich könne mich darum kümmern, wenn ich später hinunterging. Es sollte beiläufig klingen, wirkte aber eher angestrengt. Irgendetwas schien sie zu beschäftigen. Als sie meinen skeptischen Blick bemerkte, zuckte sie die Schultern. Was solle ihr passieren, das ihr nicht längst passiert sei, meinte sie mit einem Lächeln, das die Augen nicht erreichte. Ihr Todesurteil sei längst gesprochen, und es würde sich wohl kaum jemand dazu hinreißen lassen, es vor der Zeit zu vollstrecken. Im Gegenteil: Ihre Familie tue alles, um es zu verhindern. Keiner von ihnen verstünde ihre Entscheidung - was sie ihnen nicht einmal verübeln könne, schließlich steckten sie nicht in ihrer Haut. Man müsse leiden, um Leid zu begreifen.
Während sie Mühe hatte, sich einigermaßen verständlich zu artikulieren, ballte sie die Hände zu Fäusten, sodass ihre Knöchel weiß hervortraten. In Situationen, in denen anderen längst die Tränen liefen, riss sich Berna, wie ich sie im Stillen nannte, immer noch zusammen. Ich kannte niemanden mit einer solchen Disziplin, niemanden, der dem eigenen Tod nach außen hin so gefasst entgegensah. Und einmal mehr wünschte ich, ihr Schicksal wäre ein anderes, eines, das die Möglichkeit, steinalt zu werden, nicht so kategorisch ausschloss.
Berna Kiening war neunundsechzig und vorzeitig gealtert. In ihre feinen Züge hatten sich Falten gegraben, die nicht vom Lachen erzählten, sondern von Amyotropher Lateralsklerose, einer unheilbaren Nervenkrankheit, die innerhalb von ein paar Jahren zu einer vollständigen Lähmung führt. Da diese Krankheit sie ohne dauerhafte Magensonde und künstliche Beatmung auf lange Sicht umbringen würde, hatte sie einen Termin in der Schweiz vereinbart. Auf den Tag genau vier Wochen blieben ihr bis zu ihrem selbstbestimmten Tod. Bis dahin wollte sie ihren gewohnten Alltag leben, der längst nicht mehr ohne fremde Hilfe zu bewältigen war. Für die häuslichen Belange hatte sie eine Haushälterin engagiert, für ihre schwarze Zwergpudelhündin Coco hatte sie mich, eine Dogwalkerin.
Wir kannten uns seit meiner Kinder- und Jugendzeit in Pullach. Ich war mit ihrer Nichte zur Schule gegangen und hatte lange Zeit einen ihrer beiden Neffen angehimmelt. Vor zwei Jahren war es mir gelungen, ihn elf Monate lang für mich zu gewinnen.
Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Es war leiser dieses Mal, undefinierbarer, aber laut genug, um uns beide aufhorchen zu lassen. Coco brach in lautstarkes Bellen aus und baute sich vor der geschlossenen Schlafzimmertür auf. Ohne auf Berna zu hören, die versuchte, mich zurückzuhalten, ging ich zur Tür und öffnete sie. Die Hündin stürmte an mir vorbei in den dunklen Flur und von dort aus die Treppe hinunter. Ihr Gebell war wütend und ohrenbetäubend, wurde jedoch leiser, je weiter sie sich entfernte. Kurz darauf hörte ich sie im Garten.
Ich konzentrierte mich auf die Geräusche im Haus, versuchte herauszuhören, ob sich unten etwas Ungewöhnliches tat. Die Lampe im unteren Flur warf ih
