

Beschreibung
Roland Voigtel entwickelt ein theoretisch klar abgegrenztes und zugleich anwendungsorientiertes Konzept der Krankheit »Sucht«: Ausgehend von der Grundidee einer missglückten Beziehungserfahrung des Kleinkindes mit seiner Bezugsperson ermöglicht Voigtel Therape...Roland Voigtel entwickelt ein theoretisch klar abgegrenztes und zugleich anwendungsorientiertes Konzept der Krankheit »Sucht«: Ausgehend von der Grundidee einer missglückten Beziehungserfahrung des Kleinkindes mit seiner Bezugsperson ermöglicht Voigtel Therapeutinnen ein einfühlendes Verständnis, diagnostische Sicherheit und die Wahl der passenden Haltung und Behandlungsform für ihre Patientinnen.
Die Krankheit »Sucht« ist ein Massenphänomen in gegenwärtigen Industriegesellschaften. An den Schnittstellen von Therapie, Beratung, Prävention und Politik sind ihre Relevanz und Aktualität - als individuelles Leiden und gesamtgesellschaftliches Phänomen - seit Jahrzehnten ungebrochen. Angesichts bisheriger Theorien zu Sucht und Abhängigkeit, die zumeist widersprüchlich und für die Behandlungspraxis nur bedingt geeignet erscheinen, entwickelt Roland Voigtel ein theoretisch klar abgegrenztes und zugleich anwendungsorientiertes Konzept der Krankheit »Sucht«: Im Gespräch zwischen Neurochemie, Psychiatrie, Lerntheorie und vielfältigen Konzepten der Psychoanalyse sieht er den Anfangspunkt der Sucht in der missglückten Beziehungserfahrung des Kleinkindes mit seiner Bezugsperson. Zwischen der Illusion von Autonomie und der Betäubung unerträglicher Trennungsaffekte wird das Suchtmittel zu Beziehungsersatz und Ich-Stütze. Ausgehend von dieser Grundidee ermöglicht Voigtel Therapeutinnen ein einfühlendes Verständnis, diagnostische Sicherheit und die Wahl der passenden Haltung und Behandlungsform für ihre Patientinnen.
»Das beeindruckende Buch des Suchtforschers und -therapeuten Roland Voigtel setzt für die psychodynamische Orientierung im Bereich der Suchterkrankungen neue Maßstäbe. Es bietet eine umfassende historische und kritische Auseinandersetzung mit den bisher wichtigsten Erklärungsmodellen aus Psychiatrie, Neurochemie, Soziologie, Kulturkritik und Psychoanalyse und entwickelt eine neue Sicht der missglückten Bindung der Süchtigen und ihrer spezifischen Abwehroperationen, die in die drei Varianten adaptiver, fusionärer und resignativer Sucht unterschieden und anhand eindrücklicher Therapieverläufe transparent gemacht wird.« Günter Gödde
Autorentext
Roland Voigtel, geb. 1951, ist Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker (DGPT, DPG) und Supervisor in eigener Praxis in Berlin. Er war zwölf Jahre lang (1988-1999) Wissenschaftlicher Leiter eines Modellprojekts des Berliner Senats zur Suchtpävention an Schulen. Voigtel arbeitet seit vielen Jahren mit Suchtmittel-abhängigen Patientinnen in ambulanter psychodynamischer Einzeltherapie. Zugleich ist er sowohl für Kolleginnen mit eigener Praxis als auch für psychiatrische Klinikabteilungen und Teams aus Einrichtungen der Suchthilfe als Supervisor tätig. Er hatte Lehraufträge zu den Themen Psychoanalyse und Sucht an verschiedenen Fachbereichen der Berliner Universitäten, hat zur Psychoanalyse der Sucht, zu Jugendproblematiken und zu Fragen der psychodynamischen Behandlungsführung publiziert und Vorträge gehalten. Roland Voigtel arbeitete und arbeite noch in der psychoanalytischen und tiefenpsychologischen Ausbildung und ist derzeit Mitglied des Leitungsgremiums Tiefenpsychologie an der Berliner Akademie für Psychotherapie. Stand: August 2021
Inhalt
Einleitung I Maßlosigkeit als Krankheit. Geschichte und gängige Erklärungen der Sucht 1 Wo beginnt die Sucht? 2 Geschichte Am Anfang gab es keine Sucht Protestantische Moral Eine Krankheit wird hergestellt Körperliche Abhängigkeit Erbgut-Entartung Die nuchternen Arbeiter Ergebnisse 3 Psychiatrische Auffassungen Entartete Leidenschaft Äußerliche Deskription 4 Auffassungen in der Gesundheitspolitik Inflationierter Begriff Faktorenmodell Drogenpolitik Spezifische Definition 5 Ökonomische und soziologische Modelle Verfuhrerisches Angebot und schlechte Lebenslage Abweichende Subkulturen Soziologische Medizin-Kritik 6 Lerntheorie 7 Kulturkritik 8 Psychoanalytische Konzepte Ungezugelte Lust Die Macht des Triebes Eine initiale Verstimmung »You know, I'm no good« (Amy Winehouse) Ungereimtheiten des Triebkonzepts Sucht als Abwehr »Heroin, it's my wife and it's my life« (Lou Reed) Externalisierung Narzissmus versus Ordnung und Ehrbarkeit Angst vor Verschlungen-Werden Undifferenzierte Hassliebe Drei Sorten Sucht Passive Überlassung Überblick 9 Neurochemisches Modell Botenstoffe im Belohnungssystem Drogenwirkung im Gehirn Rattenversuche 10 Vererbung 11 Zwischenresumee II Missgluckte Bindung. Ein neues psychoanalytisches Modell der Sucht 12 Vorklärung: Sucht und nicht-suchtiger Gebrauch Kein Stoff macht psychisch abhängig Nicht-suchtiger Gebrauch Risiken des Gebrauchs 13 Das unbelebte Objekt Unbezogenheit beruhigt Abgrenzung zu ähnlichen Phänomenen 14 Die Beziehungsstörung Rekapitulation Die vorsprachliche Zeit Leben in prozeduralen Schemata Mangelnde Modulation Die fruhsprachliche Zeit Das begrenzende Selbstobjekt Das Nein Das bewertete Ich Die Triangulierung 15 Die Abwehroperationen Erste Operation: Überlassung an das direktive Objekt Zweite Operation: Donale Verschiebung Dritte Operation: Ruckzug in den beruhigenden Raum Separationsdruck und Angst Vierte Operation: Einsatz des unbelebten Objekts Destruktive Maximierung Exkurs: Die Verwerfung Ansteckung in der Gruppe? Eine Chance fur Therapie und Prävention 16 Varianten schwerer Sucht (Darstellung mit Fallbeispielen) Erste Variante: Adaptive Sucht Zweite Variante: Fusionäre Sucht Dritte Variante: Resignative Sucht Vergleich 17 Zur Therapie Die Übertragung des direktiven Objekts Das Ringen um die Abstinenz Die Identifikation mit der Therapeutin 18 Manische Abwehrsysteme Kontraphobische Selbstbehauptung (Antechie) Ideal-Anspruch Selbstverletzung Perversion »Sexsucht« 19 Symptomatische Sucht eine ergänzende Abwehroperation Pathologischer Narzissmus Borderline-Zustand Depression Neurosen 20 Reaktive Sucht Traumatische Erfahrungen Soziale Notlagen Punktuelle Vulnerabilität III Privates Elend. Sozio-Psychoanalyse der Abhängigkeitsbedingungen 21 Eine kurze Geschichte der Erziehungshaltungen Missachtung versus Anerkennung »Mutterliebe« Das burgerliche Privatleben Staatsmacht, exekutives Patriarchat und Volkserziehung Nazi-Erziehung Nach dem Krieg »The order is rapidly fading« (Bob Dylan) Autonomieförderung und Postheroik 22 Selbstsorge versus Fursorge Direkter Zwang Bedruckende Lebensumstände Statussicherung Innere Zwangslagen Was ändern? 23 Der Einschluss im Privaten Theoretische Schlussbemerkung Literatur Personen
