

Beschreibung
»Erzähler der Nacht« ist einer der berühmtesten Romane des großen Erzählers Rafik Schami. Kutscher Salim, der beste Geschichtenerzähler von Damaskus, verstummt plötzlich. Nur sieben besondere Gaben können ihn erlösen. Seine Freunde finden allmählich heraus, we...»Erzähler der Nacht« ist einer der berühmtesten Romane des großen Erzählers Rafik Schami. Kutscher Salim, der beste Geschichtenerzähler von Damaskus, verstummt plötzlich. Nur sieben besondere Gaben können ihn erlösen. Seine Freunde finden allmählich heraus, welche Gaben gemeint sein könnten - die schönsten, die es gibt: Geschichten In unnachahmlicher poetischer Weise werden hier Märchen und Wirklichkeit miteinander verquickt.
Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus geboren. Von 1966 bis 1969 war er Herausgeber und Mitautor der Wandzeitung »Al-Muntalak« im alten Viertel von Damaskus. 1971 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Er promovierte in Chemie. Seit 1982 ist er freier Schriftsteller und lebt in Marnheim/Pfalz. Für sein literarisches Werk erhielt er viele wichtige Auszeichnungen, u.a. den Adalbert-von-Chamisso-Preis, Hermann-Hesse-Preis, den Tüddelbandpreis, den Preis der Stiftung Bibel & Kultur und den großen Preis der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. Außerdem wurde der Roman »Eine Hand voller Sterne« in Wien für »Eine Stadt, ein Buch« (2011) und in Köln für »Ein Buch für die Stadt« (2015) ausgewählt. Sein Werk wurde in 30 Sprachen übersetzt. Seit 2002 ist Rafik Schami Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Bei Beltz & Gelberg erschienen von Rafik Schami außerdem die Romane »Erzähler der Nacht«, »Der ehrliche Lügner« und »Sami und der Wunsch nach Freiheit« sowie die Bilderbücher »Der Wunderkasten« (Bilder Peter Knorr) und »'Hast du Angst', fragte die Maus« (Bilder Kathrin Schärer).
Autorentext
Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus geboren. Von 1966 bis 1969 war er Herausgeber und Mitautor der Wandzeitung »Al-Muntalak« im alten Viertel von Damaskus. 1971 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Er promovierte in Chemie. Seit 1982 ist er freier Schriftsteller und lebt in Marnheim/Pfalz. Für sein literarisches Werk erhielt er viele wichtige Auszeichnungen, u.a. den Adalbert-von-Chamisso-Preis, Hermann-Hesse-Preis, den Tüddelbandpreis, den Preis der Stiftung Bibel & Kultur und den großen Preis der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. Außerdem wurde der Roman »Eine Hand voller Sterne« in Wien für »Eine Stadt, ein Buch« (2011) und in Köln für »Ein Buch für die Stadt« (2015) ausgewählt. Sein Werk wurde in 30 Sprachen übersetzt. Seit 2002 ist Rafik Schami Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.Bei Beltz & Gelberg erschienen von Rafik Schami außerdem die Romane »Erzähler der Nacht«, »Der ehrliche Lügner« und »Sami und der Wunsch nach Freiheit« sowie die Bilderbücher »Der Wunderkasten« (Bilder Peter Knorr) und »'Hast du Angst', fragte die Maus« (Bilder Kathrin Schärer).Doro Göbel und Peter Knorr sind das deutsche Künstlerpaar, das hinter den erfolgreichen Wimmelbilder-Geschichten von Beltz & Gelberg steckt. Mit viel Liebe zum Detail und einer Leidenschaft für Geschichten kreieren sie einzigartige Bilder mit spannenden Szenen. Doro Göbel schreibt dafür das Drehbuch, Peter Knorr zeichnet die Bilder, im Team werden die Bildgeschichten bis weiterentwickelt. So entstehen Wimmelbücher, die Klein und Groß begeistern.
Leseprobe
1: Wie der Kutscher Salim sitzend zu seinen Geschichten kam und sie unendlich lang frisch halten konnte.
Es ist schon eine seltsame Geschichte: Der Kutscher Salim wurde stumm. Wäre sie nicht vor meinen Augen geschehen, ich hätte sie für übertrieben gehalten. Sie begann im August 1959 im alten Viertel von Damaskus. Wollte ich eine ähnlich unglaubliche Geschichte erfinden, so wäre Damaskus der beste Ort dafür. Nirgendwo anders als in Damaskus könnte sie spielen.
Unter den Einwohnern von Damaskus gab es zu jener Zeit seltsame Menschen. Wen wundert das bei einer alten Stadt? Man sagt, wenn eine Stadt über tausend Jahre ununterbrochen bewohnt bleibt, versieht sie ihre Einwohner mit Merkwürdigkeiten, die sich in den vergangenen Epochen angesammelt haben. Damaskus blickt sogar auf ein paar Tausend Jahre zurück. Da kann man sich vorstellen, was für sonderbare Menschen in den verwinkelten Gassen dieser Stadt herumlaufen. Der alte Kutscher Salim war der merkwürdigste unter ihnen. Er war klein und schmächtig, doch seine warme und tiefe Stimme ließ ihn leicht als einen großen Mann mit breiten Schultern erscheinen, und schon zu Lebzeiten wurde er zur Legende, was nicht viel heißen will in einer Stadt, wo Legenden und Pistazienrollen nur zwei von tausendundeiner Spezialität sind.
Durch die vielen Putsche der Fünfzigerjahre verwechselten die Bewohner des alten Viertels die Namen von Ministern und Politikern nicht selten mit denen von Schauspielern und anderen Berühmtheiten. Aber für alle gab es im alten Stadtviertel nur diesen einen Kutscher Salim, der solche Geschichten erzählen konnte, dass die Zuhörer lachen und weinen mussten.
Unter den merkwürdigen Menschen hatten einige für jedes Geschehen ein passendes Sprichwort parat. Doch es gab nur einen Mann in Damaskus, der zu allem eine Geschichte wusste, ob man sich nun in den Finger geschnitten, sich eine Erkältung geholt oder unglücklich verliebt hatte. Wie aber wurde der Kutscher Salim zum bekanntesten Erzähler in unserem Viertel? Die Antwort auf diese Frage ist, wie nicht anders zu erwarten, eine Geschichte.
Salim war in den Dreißigerjahren Kutscher und fuhr die Strecke zwischen Damaskus und Beirut. Damals brauchten die Kutscher zwei anstrengende Tage für die Fahrt. Zwei gefährliche Tage waren es, weil die Strecke durch die zerklüftete »Hornschlucht« führte, wo es von Räubern nur so wimmelte, die ihr Brot damit verdienten, Vorbeifahrende auszurauben.
Die Kutschen waren kaum voneinander zu unterscheiden. Sie waren aus Eisen, Holz und Leder gebaut und boten Platz für vier Fahrgäste. Der Kampf um die Fahrgäste war unbarmherzig; nicht selten entschied die härtere Faust, und die Gäste mussten, noch bleich vor Schreck, in die Kutsche des Siegers umsteigen. Auch Salim kämpfte, doch selten mit der Faust. Er setzte seine List und seine unbesiegbare Zunge ein.
Zur Zeit der Wirtschaftskrise, als die Anzahl der Fahrgäste immer weniger wurde, musste sich der gute Salim etwas einfallen lassen, um seine Familie durchzubringen. Er hatte eine Frau, eine Tochter und einen Sohn zu ernähren. Die Raubüberfälle mehrten sich, weil viele verarmte Bauern und Handwerker in die Berge flüchteten und ihr Brot als Wegelagerer verdienten. Salim versprach den Fahrgästen leise: »Mit mir kommt ihr ohne jede Schramme und mit demselben Geldbeutel an, den ihr bei der Abfahrt hattet.« Das konnte er versprechen, weil er zu vielen Räubern gute Beziehungen unterhielt. Unbehelligt fuhr er immer wieder von Damaskus nach Beirut und zurück. Erreichte er das Gebiet eines Banditen, so ließ er - von den Fahrgästen unbemerkt - mal etwas Wein, mal etwas Tabak am Straßenrand zurück, und der Räuber winkte ihm freundlich zu. Er wurde nie überfallen. Aber nach einer Weile sickerte das Geheimnis seines Erfolges durch und alle Kutscher machten es ihm nach. Auch sie hinterließen Gaben am Straßenrand und durft
