

Beschreibung
Anfang des 19. Jahrhunderts, im Schweizer Bergell: Die jung verwitwete Alma führt mit der kleinen Lisabetta ein hartes Leben. Als junge Frau will Lisabetta ein solches Leben nicht führen, weshalb sie ins Engadin geht, das zu jener Zeit vom Tourismus entdeckt w...Anfang des 19. Jahrhunderts, im Schweizer Bergell: Die jung verwitwete Alma führt mit der kleinen Lisabetta ein hartes Leben. Als junge Frau will Lisabetta ein solches Leben nicht führen, weshalb sie ins Engadin geht, das zu jener Zeit vom Tourismus entdeckt wird. Doch auch sie wird nach wenigen glücklichen Jahren ihre Familie allein versorgen müssen ... In dieser authentischen und ergreifenden Familiensaga erzählt Marcella Maier das Leben ihrer eigenen Vorfahren über vier Generationen.
Marcella Maier, geboren 1920 in St. Moritz, schloss ihre Ausbildung mit dem Handelsdiplom ab und arbeitete nach Aufenthalten in Genf und Italien im Tourismus und Verkauf und war politisch aktiv. Später wurde sie Journalistin und Autorin etlicher Bücher. 1947 heiratete sie den Schreiner Duri Maier und wurde im Lauf von neun Jahren Mutter von vier Töchtern. Ihre Familiensaga 'Das grüne Seidentuch' handelt von vier Generationen ihrer eigenen Familie und gibt dabei spannende autobiographische Erinnerungen preis. Marcella Maier starb im Sommer 2018 im Alter von 97 Jahren.
Vorwort
Eine authentische Familiensaga aus dem Engadin und dem Bergell
Autorentext
Marcella Maier, geboren 1920 in St. Moritz, schloss ihre Ausbildung mit dem Handelsdiplom ab und arbeitete nach Aufenthalten in Genf und Italien im Tourismus und Verkauf und war politisch aktiv. Später wurde sie Journalistin und Autorin etlicher Bücher. 1947 heiratete sie den Schreiner Duri Maier und wurde im Lauf von neun Jahren Mutter von vier Töchtern. Ihre Familiensaga "Das grüne Seidentuch" handelt von vier Generationen ihrer eigenen Familie und gibt dabei spannende autobiographische Erinnerungen preis. Marcella Maier starb im Sommer 2018 im Alter von 97 Jahren.
Leseprobe
ALMA 1797 1877
Der Priester war fort. Alma wusste es gleich, als sie am Morgen die Küche betrat. Obwohl alles war wie an jedem anderen Morgen in den vergangenen zwei Jahren die beiden Wasserkessel waren gefüllt, und im Herd war das Holz so aufgeschichtet, dass sie das Feuer nur noch anzuzünden brauchte und doch, irgendetwas sagte ihr: Don Gerolamo war nicht mehr da. Alma blieb stehen und schaute sich um. Was war es? Sie konnte es nicht erklären. Langsam ging sie in den zum Garten hin halb offenen Vorraum. Sie hatte sich nicht getäuscht. Das Bündel auf dem Wandbrett war verschwunden. Darin hatte Don Gerolamo, sorgfältig in ein schwarzes Tuch eingeschlagen, seine Messgeräte aufbewahrt.
In aller Frühe war er jeweils aufgestanden, hatte dem Bündel Weinkrug, Kelch und Tücher entnommen und auf dem Wandbrett aufgestellt. Dann feierte er für sich die Messe, ehe er durch den Garten zum Bach ging, Almas Wasserkessel auffüllte und in die Küche zurücktrug. Im Herd machte er das Feuer bereit. Zuerst wischte er die Asche zusammen und schüttete sie in den alten Kessel, den er ins Freie stellte. Dann legte er einige dürre Zweige zurecht, auf die er kreuzweise die dünnen Scheite legte, die er schon am Abend vorbereitet hatte. Darauf kamen die groben Scheite, und wenn man an diesen kunstvoll geschichteten Turm ein Zündholz legte, flackerte gleich ein lustiges Feuer im Herd. Mit einer Art von stiller Ehrerbietung, wie ein Ritual, verrichtete er diese Arbeit, obwohl Alma den Herd erst für die Zubereitung des Mittagessens anzündete.
Don Gerolamo verließ alsdann das Haus, sein Brevier in der Hand, ging den Bach entlang hinunter zum Steg und vom jenseitigen Ufer hinauf in den Wald, wo er eine Stunde betend verbrachte. Erst dann kam er zurück und setzte sich mit Alma an den sauber gescheuerten Holztisch in der Küche zum Frühstück.
Auch Alma war eine Frühaufsteherin, aber Don Gerolamo war stets lange vor Tagesanbruch auf den Beinen. Schweigend verzehrten sie ihr Roggenbrot, manchmal auch ein Stück harten Käse, und tranken einen Becher Ziegenmilch.
Alma stand noch eine Weile in Gedanken versunken im Vorraum, ehe sie das Haus wieder betrat. Die vertraute Küche kam ihr plötzlich fremd und leer vor. Sie öffnete die Tür zur daneben liegenden Vorratskammer. In der Ecke stand das Spinnrad, auf dessen Querhölzern lag ein Seidentuch und daneben ein Brief. Sie öffnete ihn und las die wenigen Zeilen, in denen sich Don Gerolamo dafür bedankte, dass sie ihm nun fast zwei Jahre lang Obdach gewährt hatte. Für ihn sei jetzt die Zeit gekommen, da er wieder zu den Menschen gehen müsse, die seiner Hilfe und seines Zuspruchs bedürften. Er schenke ihr hier sein Spinnrad und das Tuch seiner Mutter.
Alma nahm das Tuch in die Hand. Sie hatte es bisher nie gesehen. Ob er es wohl im Bündel mit den Messgeräten aufbewahrt hatte? Es war aus feinster Seide. In den grünen Grund waren goldfarbene Ornamente eingewoben, und eine zarte Fransenbordüre bildete den Saum. Langsam faltete Alma das Tuch auseinander, hielt das feine Gewebe an die Wange und legte es sich dann auf den Kopf. Sie ging in die Küche und betrachtete sich im kleinen, halbblinden Spiegel. Es sah tatsächlich gut aus auf ihrem vollen, kastanienbraunen Haar. Was würden wohl die Leute sagen, wenn sie es am Sonntag trug? Alma warf den Kopf zurück und lächelte mit leisem Spott. Getuschelt würde sicher. Sie wusste nur allzu genau, dass über sie geredet wurde sie, die noch junge Witwe, die nun mit einem Mann im gleichen Hause lebte. Das allein erregte schon Aufsehen dass dieser Mann aber ein katholischer Geistlicher war in d
