

Beschreibung
Als Wissenschaftler hat er bereits eine steile Karriere hinter sich, aber in seinen Lebens- und Liebeserfahrungen ist Maarten gescheitert: ein Sehnsüchtiger, der seiner Kindheit noch nicht entwachsen ist. Ruhig und gelassen erzählt der Dreißigjährige seine bit...Als Wissenschaftler hat er bereits eine steile Karriere hinter sich, aber in seinen Lebens- und Liebeserfahrungen ist Maarten gescheitert: ein Sehnsüchtiger, der seiner Kindheit noch nicht entwachsen ist. Ruhig und gelassen erzählt der Dreißigjährige seine bittere Geschichte, in immer neuen Erinnerungsbildern geht er den Ursachen seiner Einsamkeit und seiner Unfähigkeit zur Liebe nach.
Maarten 't Hart, geboren 1944 in Maassluis, studierte Verhaltensbiologie, bevor er sich als Schriftsteller niederließ. 1997 erschien auf Deutsch sein Roman 'Das Wüten der ganzen Welt', der zu einem überragenden Erfolg wurde. Nicht zuletzt seine autobiografischen Bücher machten ihn zu einem der renommiertesten europäischen Gegenwartsautoren, dessen Bücher sich allein im deutschsprachigen Raum über 2 Millionen Mal verkauft haben.
Vorwort
Die Biographie einer verletzten Seele
Autorentext
Maarten 't Hart, geboren 1944 in Maassluis, studierte Verhaltensbiologie, bevor er sich als Schriftsteller niederließ. 1997 erschien auf Deutsch sein Roman "Das Wüten der ganzen Welt", der zu einem überragenden Erfolg wurde. Nicht zuletzt seine autobiografischen Bücher machten ihn zu einem der renommiertesten europäischen Gegenwartsautoren, dessen Bücher sich allein im deutschsprachigen Raum über 2 Millionen Mal verkauft haben.
Leseprobe
Mein Sommer
In diesem Raum habe ich den Sommer eingefangen. Insekten summen träge in der feuchten Wärme. Die Zeit verstreicht in ihrem Flügelschlag. Draußen, wo schon die Blätter fallen, wären die Hummeln und Schwebfliegen in den kalten Nächten längst umgekommen. Hier im Treibhaus zwischen den Weintrauben aber ist es noch Sommer, mein Sommer, meine verdiente Beute im Kampf gegen den Wechsel der Jahreszeiten, der Beweis, daß es mir gelungen ist, das Verrinnen der Zeit aufzuhalten. Und ich habe nicht nur meinen Sommer, sondern auch meine Jugend zurückgewinnen können. Es riecht hier nun genauso wie früher, bevor die Trauben durch Tomaten ersetzt wurden. Oh, dieser unvergleichliche Duft; wenn ich ihn ganz tief einatme, ist es, als ob ich erst vier Jahre bin, und jeden Augenblick kann meine Mutter hereinkommen und mir übers Haar streichen.
Behutsam schneide ich mit einer Schere einige Trauben ab und lege sie in einen mit blauem Papier ausgeschlagenen Korb. Heute abend werden sich die Gäste an den Trauben gütlich tun, und nur Jakob und ich werden wissen, welche Sorgfalt ich auf ihren Anbau verwendet habe. Es hat mich Jahre gekostet, die Rebstöcke wieder heranzuziehen, nachdem sie den Tomaten hatten weichen müssen. Ja, Jakob wird das Geschenk zu schätzen wissen; Jacqueline wird nur die Stirn runzeln. Ich kann nicht verstehen, daß er sie heiratet. Über die Jahre hin war er in sie verliebt und ist ihr so beharrlich nachgelaufen, daß er nun endlich mit ihr zum Standesamt gehen darf. Es ist unglaublich, was eine Frau einem Mann, der in sie verliebt ist, antun kann. Umgekehrt mag es genauso sein; ich glaube aber, daß Männer Frauen Kummer bereiten, nachdem eine Beziehung zustande gekommen ist, während Frauen Männern Kummer bereiten, bevor es soweit ist. Jakob hat hier oft übernachtet, wenn es zwischen beiden wieder einmal kriselte. Wir ruderten dann stundenlang durchs Reetland, zählten am frühen Morgen Vögel, er sprach pausenlos von ihr, und wenn er sich alles von der Seele geredet hatte, ging er wieder. Wird nun irgendwann sie kommen, um sich über ihn zu beklagen? Das scheint mir undenkbar.
Ich verlasse das Treibhaus und gehe über den Kiesweg zum Haus. Wie unter einem Zwang drehe ich mich noch einmal um und betrachte die gekalkten Scheiben meiner beiden Gewächshäuser. Sie stehen dort als Symbole unseres manischen Drangs zum Züchten. Ich stamme aus einer Familie, die sich der Vervollkommnung der Rebenzucht verschrieben hat. Meine Verwandten zogen Trollinger und Alicanter, köstliche Tafeltrauben, die für den Export bestimmt waren und auf den Versteigerungen hohe Preise erzielten. Das ist nun vorbei. Meine Onkel die ohne Ausnahme Gärtner waren haben alle anstelle der Reben Tomaten und Gurken gepflanzt, und sogar mein Vater hat schließlich aufgegeben und sich auf den Anbau von Nachtschattengewächsen verlegt. Warum? Manchmal glaube ich nur deshalb, weil die Fruchtansätze der Trauben während des Wachstums ausgedünnt werden müssen. Und dieses Ausdünnen gelingt eigentlich nur den feinen, schlanken Fingern von Frauen- und Kinderhänden. Sie waren einfach unentbehrlich. Vielleicht habe ich die Rebstöcke nur in der Hoffnung zurückgeholt, damit irgendwann Frauenhände und möglicherweise sogar Kinderhände zu verlocken, die heranreifenden Trauben auszudünnen.
Von Kindheit an habe ich den Beruf meines Vaters und meiner Onkel verachtet. Ich wollte kein Gärtner werden, ich wollte berühmt werden, auch wenn ich keine genauen Vorstellungen hatte, wie ich das schaffen sollte. Um überhaupt eine Chance zu haben, berühmt zu werden, mußte ich auf jeden Fall herausragende Leistungen aufweisen, und das ta
