

Beschreibung
Bis wir einander wiederfinden! Frankfurt, 1938: Als Sängerin darf die Jüdin Anni nicht mehr auftreten. Nur mit Mühe kann sie für sich und ihre kleine Tochter Ruth sorgen. Die Angst vor dem NS-Regime wird immer größer, aber all ihre Bemühungen, gemeinsam auszur...Bis wir einander wiederfinden! Frankfurt, 1938: Als Sängerin darf die Jüdin Anni nicht mehr auftreten. Nur mit Mühe kann sie für sich und ihre kleine Tochter Ruth sorgen. Die Angst vor dem NS-Regime wird immer größer, aber all ihre Bemühungen, gemeinsam auszureisen, scheitern. Schließlich ringt sich Anni zu der wohl schwersten Entscheidung für eine Mutter durch: Um wenigstens ihre Tochter in Sicherheit zu wissen, schickt sie Ruth mit einem der Kindertransporte nach England. So bald wie möglich will Anni ihr folgen. Doch dann bricht der Krieg aus, und sie kann das Land nicht mehr verlassen... Die berührende Geschichte einer jungen Mutter, die ihr Kind zu retten versucht, indem sie es auf eine Reise ins Ungewisse schickt...
Hinter Linda Winterberg verbirgt sich Nicole Steyer, eine erfolgreiche Autorin historischer Romane. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern im Taunus. Im Aufbau Taschenbuch und bei Rütten & Loening liegen von ihr die Romane »Das Haus der verlorenen Kinder«, »Solange die Hoffnung uns gehört«, »Unsere Tage am Ende des Sees«, »Die verlorene Schwester«, »Für immer Weihnachten«, »Die Kinder des Nordlichts« sowie die große Hebammen-Saga »Aufbruch in ein neues Leben«, »Jahre der Veränderung«, »Schicksalhafte Zeiten« sowie »Ein neuer Anfang« und der erste Band der Winzerhof-Saga »Das Prickeln einer neuen Zeit« vor.
Autorentext
Hinter LINDA WINTERBERG verbirgt sich Nicole Steyer, eine erfolgreiche Autorin historischer Romane. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern im Taunus.
Im Aufbau Taschenbuch liegen von ihr zahlreiche Romane vor, darunter die Berliner Hebammen-Saga mit den Titeln »Jahre der Veränderung«, »Aufbruch in ein neues Leben«, »Schicksalhafte Zeiten« und »Ein neuer Anfang«. Nach dem großen Erfolg dieser Reihe widmet sich die Autorin nun ihrem Herzensprojekt: eine Hebammengeschichte aus ihrer eigenen Heimat zu erzählen.
Leseprobe
Kapitel Eins
SEPTEMBER 1933, FRANKFURT
Anni blickte aus dem Fenster der kleinen Laubhütte in den idyllischen Garten, der gleich hinter der Synagoge begann und den Lärm der umliegenden Großstadt vollkommen fernzuhalten schien. Durch das laubbedeckte Dach der Hütte drangen einzelne Sonnenstrahlen zu ihr hinein. Kastanienketten, von fleißigen Kinderhänden gefertigt, hingen von der Decke, Nüsse und Äpfel lagen auf den Tischen neben Herbstblumen in kleinen Vasen. Eine Handvoll Frauen aus der Nachbarschaft hatte sich heute in der Laubhütte zusammengefunden. Es gab Kaffee, dazu selbstgebackenen Kuchen und Kekse. Anni war mit Marlene, ihrer Nachbarin, gekommen, kannte aber auch einige der anderen Frauen. Susanne Hofmann, die in einer großen Wäscherei im Westend arbeitete. Michaela Geigers Sohn war mit ihrer Tochter Ruth in den Kindergarten gegangen, und Simone Gärtner arbeitete im Lebensmittelgeschäft an der Ecke. Letztere war, wie sie selbst, Protestantin, einige der anderen Frauen waren Jüdinnen. Wer welchen Glauben hatte, war hier jedoch unwichtig, wenngleich der Anlass ihres Zusammentreffens, das Laubhüttenfest, ein jüdischer war.
Die Tradition, der Hütten als Zufluchtsort des jüdischen Volkes zu gedenken, erinnerte Anni an lang vergangene Erlebnisse ihrer Kindheit. Sie war zwei Jahre alt gewesen, als ihre Eltern zum evangelischen Glauben konvertierten. Ihr Vater war damals Klavierlehrer am berühmten Hoch'schen Konservatorium in Frankfurt. Vor allem seine Beschäftigung mit der christlichen Kirchenmusik hatte ihn irgendwann dazu bewogen, zum Protestantismus wechseln zu wollen. Annis Mutter war es nicht leichtgefallen, ihre jüdischen Wurzeln aufzugeben. Sie stammte aus Krakau, wo sie eine klassische Gesangsausbildung genossen hatte. Dennoch hatte sie in Frankfurt an keinem Theater Fuß fassen können, weshalb sie Gesangsstunden gab und sich um die musikalische Ausbildung ihrer Tochter kümmerte, wofür Anni ihr heute dankbar war. Ohne die Unterstützung ihrer Mutter wäre sie niemals zu der Sopranistin geworden, die sie heute war. Im Frühjahr jährte sich der Todestag ihrer Eltern zum achten Mal. Auf dem Weg zu einem Auftritt in Berlin waren sie beide bei einem Zugunglück ums Leben gekommen.
»Anni, hörst du überhaupt zu?«
Anni schaute hoch. Sämtliche Blicke der Frauen waren auf sie gerichtet. »Entschuldigt bitte, ich war in Gedanken. Was habt ihr gesagt?«
»Es geht um ein Geburtstagsfest in der jüdischen Gemeinde«, wiederholte Michaela Geiger. »Unser Rabbi, David Silberstein, wird sechzig Jahre alt. Wir haben gerade darüber gesprochen, für die Feier eine musikalische Darbietung zu organisieren, denn er liebt klassische Musik, ganz besonders die Oper. Marlene meinte, du würdest uns bestimmt den Gefallen tun und etwas für ihn singen.« Abwartend sahen die Frauen sie an.
»Warum nicht?«, meinte Anni. »Allerdings geht das nur, wenn sich das Fest nicht mit einem meiner Auftritte überschneidet. Welche Oper bevorzugt er denn?«
Die Frauen sahen sich fragend an.
»Das wissen wir gar nicht«, erwiderte Susanne. »Aber das lässt sich ohne Probleme in Erfahrung bringen. Ich werde gleich nachher seine Frau anrufen. Er wird sich bestimmt freuen.« Sie klatschte vor Begeisterung in die Hände.
Ein Geburtstagsständchen für einen Rabbi, dachte Anni. Wäre nicht jiddische Musik passender? Ihre Mutter wäre davon ausgegangen. Zuerst ein schnelles Lied zum Mitklatschen, dann ein trauriges für die Wehmut und am Ende etwas Fröhliches, um den Jubilar hochleben zu lassen. Jiddische Musik hat Seele, hatte ihre Mutter immer gesagt. Ach, wie sehr Anni sie doch vermisste. Besonders in den letzten Jahren hätte sie sich die geliebte Mutter an ihre Seite gewünscht, denn der frühe Tod ihres Mannes Johann war ein schwerer Schlag gewesen, von dem sie sich nur langsam erholte. Ihre Mutter hätte ihr in dieser schweren Zeit Kraft gegeben und Mut gemacht. Oftmals führte Anni auch jetzt noch stumme Zwies
