

Beschreibung
Das Thema Bindungen und Bindungsstörungen findet gerade in jüngerer Zeit ein zunehmendes Interesse. Diese in den 60er Jahren entstandene Forschungsrichtung hat viele Forscher inspiriert und in Untersuchungen zu fruchtbaren Ergebnissen geführt. Die Bindungstheo...Das Thema Bindungen und Bindungsstörungen findet gerade in jüngerer Zeit ein zunehmendes Interesse. Diese in den 60er Jahren entstandene Forschungsrichtung hat viele Forscher inspiriert und in Untersuchungen zu fruchtbaren Ergebnissen geführt. Die Bindungstheorie verfügt mittlerweile über wertvolle Erkenntnisse aus Langzeituntersuchungen und langfristigen Projekten zur Vorbeugung seelischer Erkrankungen in Risikogruppen, so daß heutige Bindungsforscher viel genauere Antworten geben können als noch vor wenigen Jahren, zum Beispiel über die Ursachen von Gewalttätigkeit, Kindesmißbrauch oder über Scheidungsfolgen. Eine weitere Erklärung für den Erfolg der Bindungstheorie besteht darin, daß Psychotherapeuten aus ganz unterschiedlichen Richtungen, Psychologen, Psychoanalytiker und Mitarbeiter aus sozialen Berufsfeldern die Erkenntnisse der Bindungsforschung in ihre Theorie integrieren können und daß sie vor allem in ihrer täglichen Arbeit davon profitieren können.
Köhler Karl Heinz Brisch Dr. med., ist Psychiater, Neurologe, Kinder- und Jugendpsychiater, Facharzt für psychotherapeutische Medizin und Psychoanalytiker. Er arbeitet als Oberarzt im Dr.-von- Haunerschen-Kinderspital, Ludwig-Maximilians- Universität, in München. Klaus E. Grossmann, Dr. phil., Dipl.-Psych., lehrt am Institut für Psychologie an der Universität Regensburg. Karin Grossmann, Dr. phil., Dipl.-Psych., Freie Wissenschaftlerin, ist am Psychologischen Institut der Universität Regensburg assoziiert und Lehrbeauftragte der Universität Salzburg. Seit 1974 betreibt sie mit Klaus E. Grossmann grundlegende Forschungen zur Bindungstheorie. Lotte Köhler, Dr. med., Psychoanalytikerin, ist Lehranalytikerin der DPV und der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse und Vorstand der Köhler-Stiftung zur Förderung der Wissenschaften vom Menschen.
Die heute weltweit führenden Bindungsforscher aus den USA, aus England und aus Deutschland berichten in aktuellen Beiträgen über den derzeitigen »State of the Art« ihres Faches. Das Thema Bindungen und Bindungsstörungen findet gerade in jüngerer Zeit ein zunehmendes Interesse. Diese in den 60er Jahren entstandene Forschungsrichtung hat viele Forscher inspiriert und in Untersuchungen zu fruchtbaren Ergebnissen geführt. Die Bindungstheorie verfügt mittlerweile über wertvolle Erkenntnisse aus Langzeituntersuchungen und langfristigen Projekten zur Vorbeugung seelischer Erkrankungen in Risikogruppen, so daß heutige Bindungsforscher viel genauere Antworten geben können als noch vor wenigen Jahren, zum Beispiel über die Ursachen von Gewalttätigkeit, Kindesmißbrauch oder über Scheidungsfolgen. Eine weitere Erklärung für den Erfolg der Bindungstheorie besteht darin, daß Psychotherapeuten aus ganz unterschiedlichen Richtungen, Psychologen, Psychoanalytiker und Mitarbeiter aus sozialen Berufsfeldern die Erkenntnisse der Bindungsforschung in ihre Theorie integrieren können und daß sie vor allem in ihrer täglichen Arbeit davon profitieren können.
Autorentext
Lotte Köhler, Dr. med., Psychoanalytikerin (Deutsche Psychoanalytische Vereinigung und Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse). Zahlreiche Arbeiten zur Anwendung der Ergebnisse der modernen Säuglings- und Kleinkindforschung in der Psychotherapie, darunter auch besonders der Bindungsforschung. Gründerin und bis 2000 Vorstand der Köhler-Stiftung zur Förderung der Wissenschaften vom Menschen.
Leseprobe
Beatrice Beebe, Joseph Jaffe, Frank Lachmann, Stanley Feldstein, Cynthia Crown, Michael Jasnow KOORDINATION VON SPRACHRHYTHMUS UND BINDUNG Systemtheoretische Modelle
Dieser Beitrag stellt anhand der Forschung über die Koordination des Sprachrhythmus, die sowohl an Gesprächen Erwachsener als auch an Mutter-Kind-Interaktionen gemessen wurde, systemorientierte Konzepte dar. Es werden Daten über die Koordination des Sprachrhythmus zwischen Mutter und Kind und einer fremden Person und dem Kind im Alter von vier Monaten zusammengefaßt und anschließend eine Vorhersage der Bindungsqualität des Kindes im Alter von 12 Monaten vorgenommen. Außerdem soll ein optimales mittleres Maß an Koordination dargestellt werden. Auch die in den Daten enthaltenen Implikationen für die Kindesentwicklung und die Psychoanalyse werden angesprochen.
Unsere Arbeit steht in einer Art intellektueller Schuld gegenüber Louis Sander. Aus der Vielzahl seiner Veröffentlichungen beeinflußte uns am meisten seine 1977 abgegebene Erklärung bezüglich seiner systemorientierten Sichtweisen, in der er sagte, daß man "Organismus, Umgebung und gegenseitigen Austausch als System darstellen oder diskutieren kann ... der Austausch zwischen interagierenden Elementen eines Systems erreicht, durch gegenseitige Veränderung, eine harmonische Koordination, die konsistent mit den Überlebensvoraussetzungen eines jeden Elements ist" (S. 138). Ein grundlegender Aspekt seiner systemorientierten Sichtweise war das Timing, also die zeitliche Abstimmung als Kernelement der Koordination: "... der Bereich der Zeit (der Zeitfaktor) und die zeitliche Organisation von Ereignissen ... bilden einen Bezugsrahmen, um ... die Schwierigkeiten bei der Konzeptualisierung der Schnittstelle zweier geltender Organisationsformen zu beseitigen" (S. 137). Diese beiden Konzepte, die systembezogene Sichtweise und die zentrale Relevanz des Zeitfaktors bei der Koordination zwischen zwei Personen, bilden die Grundlage der Arbeit, die hier vorgestellt werden soll.
Systemorientierte Modelle dyadischer Kommunikation können einen wertvollen Beitrag zur Entwicklungspsychologie und für die Psychoanalyse leisten. Sie können nämlich die Organisationsprinzipien interaktiver Modelle der Dyade, der Entwicklung und der Psyche liefern. Dieser Beitrag beschreibt systembezogene Konzepte. Er diskutiert die Forschung zur Koordination des Sprachrhythmus, die sowohl an Gesprächen Erwachsener als auch an Interaktionen zwischen dem Kind und einem Erwachsenen umfangreich dokumentiert wurde.
Die Koordination des Sprachrhythmus kann sowohl bei psychoanalytischen Interventionen auf der Couch als auch in direkten Dialogen untersucht werden. Sie bietet eine Untermauerung des Dialogs, die sich meistens außerhalb des Bewußtseins sowohl des Analytikers als auch des Patienten vollzieht. Sobald eine der Personen spricht oder einen Laut äußert, entsteht eine Art der Koordination des Rhythmus. Außerdem trägt der Grad der rhythmischen Koordination stark zur Veränderung des emotionalen Klimas im Laufe des Lebens bei. Im Verlauf dieses Beitrags verweisen wir immer wieder auf eine Videoaufnahme einer Face-to-face-Interaktion zwischen einem 12 Monate alten Kind (Celia) und einer fremden Person (der Erstautorin), um verschiedene Aspekte der Koordination des Sprachrhythmus und systembezogener Modelle zu illustrieren.
Unsere Forschung zur Koordination des Sprachrhythmus bei Interaktionen zwischen Mutter und Kind, zwischen dem Kind und einem Fremden und zwischen der Mutter und einem Fremden (Beebe u. a., 1985; Beebe und Jaffe, 1992; Beebe u. a., 1997; Jaffe u. a., 2001) bietet eine reiche Darstellung der Konzepte zweier verschiedener systemorientierter Theorien: 1) ein dyadisches System-Modell der Kommunikation und 2) eine nicht-lineare dynamische Systemtheorie. Ersteres wurde erstmals von Sander (1977, 1985, 1995) in d
