Mit Kindern bedürfnis- und beziehungsorientiert umgehen, das geht nicht nur zu Hause, sondern auch in der Schule. In der neu übersetzten und komplett aktualisierten Neuausgabe ihres Longsellers vermitteln Jesper Juul und Helle Jensen ein Mehr an Beziehungskompetenz. »Konsequente Machtausübung« ist oft das einzige Mittel, das Lehrern und Eltern einfällt, wenn sie in Konflikten mit Kindern nicht weiter wissen. Das Resultat: Kinder gehorchen aus Angst. Aber es geht auch anders. Wer Wege sucht, Kinder als eigenverantwortliche Menschen zu stärken, findet in diesem Buch eine Fülle von Anregungen. Anhand neuester Erkenntnisse aus Hirnforschung und Psychologie zeigt das Autorenteam, wie Bindung und Bildung in Freiheit und Gleichwürdigkeit aussehen und was Verantwortung in der Schule bedeutet. Zahlreiche Tipps und Praxisbeispiele, die unter Mitarbeit der Psychologin und Supervisorin Robin Menges auf die Verhältnisse an Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz angepasst wurden, vermitteln Lösungen für herausfordernde Situationen, die jeder Pädagoge, aber auch jedes Elternteil kennt.
Das Markenzeichen von Jesper Juul ist sein »gelassener Optimismus« (Der Spiegel). Dass Eltern nicht perfekt sein müssen, um ihre Kinder dennoch gut zu erziehen, ist seine Botschaft. Seine Bücher sind Bestseller und wurden in viele Sprachen übersetzt.Seit über 40 Jahren arbeitet der Däne mit Familien und ist längst einer der bedeutendsten und innovativsten Familientherapeuten Europas. Seine respektvolle, gleichwürdige Art, mit Menschen umzugehen, beeindruckt Fachleute und Eltern immer wieder neu. Jesper Juul ist Gründer des familylab, das mit Elternkursen und Schulungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und 19 weiteren Ländern in Europa und Übersee aktiv ist. Er hat einen Sohn und zwei Enkelsöhne und lebt in Dänemark.
Vorwort
Gute Beziehungen: Basis für Schulfreude und Schulerfolg
Autorentext
Jesper Juul (1948 - 2019) war einer der bedeutendsten und innovativsten Familientherapeuten Europas. Über 40 Jahre lang arbeitete der Däne mit Familien; seine Bücher sind Bestseller und wurden in viele Sprachen übersetzt. Sein »gelassener Optimismus« (Der Spiegel) wurde zu seinem Markenzeichen. Dass Eltern nicht perfekt sein müssen, um ihre Kinder dennoch gut zu erziehen, war seine Botschaft. Seine respektvolle, gleichwürdige Art, mit Menschen umzugehen, ist der Kern seiner Bücher und beeindruckt Fachleute und Eltern immer wieder neu. Er gründete das familylab, das mit Elternkursen und Schulungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und 19 weiteren Ländern in Europa und Übersee aktiv ist. Jesper Juul war Vater eines Sohnes und Großvater zweier Enkelsöhne.
Leseprobe
1 Was im Umgang mit Kindern zählt
Lehrer*innen denken bei ihrer täglichen Arbeit nicht über Grundlagenforschung nach. Und selbst wenn sie es täten, könnten sie daraus nicht einfach Antworten auf tägliche Herausforderungen ableiten. Die pädagogische Praxis hat ihre eigene Geschichte, ihre eigene Tradition und ihre Anflüge von Trägheit, die in Kombination mit der Persönlichkeit und den Werten des einzelnen Lehrers, der einzelnen Lehrerin das professionelle Verhalten beeinflussen.
Seit der Nachkriegszeit werden laufend neue Anforderungen an pädagogisches Denken und Handeln gestellt. Dies betrifft insbesondere folgende Bereiche:
Demokratische und humanistische Werte
Lernpsychologie
Pädagogische Psychologie
Kinder- und Jugendkultur
Moderne Säuglings- und Bindungsforschung
Wissen um systemische Zusammenhänge.
Diese Faktoren stellen sinnvolle, aber auch herausfordernde Anforderungen an Schule und an das Unterrichten. Sie stellen auch die herkömmliche Erwachsenen-Kind-Beziehung infrage.
Kinder ändern ihr Verhalten schneller als Erwachsene. Das war schon immer so, aber die heutige Zeit ist vielleicht stärker durch einen Zuwachs an Wissen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt als jede andere historische Ära.
Es ist lange her, dass die Schule die Macht hatte, familiäre Werte zu bestimmen. Im Hinblick auf die Beziehungsqualität zwischen Erwachsenen und Kindern haben Familien eine Vorreiterrolle, während Schulen meist eine defensive Position einnehmen. Kinder sind heute nicht anders als in früheren Generationen. Der Unterschied liegt in unserem Wissen über die Natur von Kindern und damit unser aller Natur - unabhängig vom Alter.
Aus unserer Perspektive gibt es nur wenige erziehungsrelevante Faktoren, auf die wir uns derzeit konzentrieren müssen. Die meisten Aspekte, die von den Medien und in der Politik rege diskutiert werden, sind nicht viel mehr als heiße Luft.
Entscheidend sind folgende Faktoren:
Pädagogik baut nicht mehr auf Gehorsam auf, aber es gibt eine große Unsicherheit bezüglich erfolgreicher Alternativen.
Kinder protestieren offen dagegen, als Objekt gesehen zu werden.
Ein erhöhtes Wohlbefinden und ein höheres Entwicklungspotenzial in Subjekt-Subjekt-Beziehungen.
Die nachlassende Tendenz, Kindern die Schuld an schwierigen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern zu geben.
Der Identitätsverlust der Schule als Inhaberin des Wissensmonopols.
Die Pluralität unserer Gesellschaft.1
Ein gravierender Unterschied zu früheren Generationen ist, dass Kinder mit einem Selbstverständnis durch die Welt gehen, das ihnen früher fremd war. Sie drücken ihre Meinungen und Gefühle aus. Sie stellen Fragen, argumentieren und erwarten, dass man sie ernst nimmt. Was wir aber vor allem erreicht haben, ist, dass Kinder weitgehend ohne Angst vor Erwachsenen aufwachsen; allerdings häufig auch ohne Orientierungshilfe und ohne emotionale Verbundenheit mit Erwachsenen.
Gleichzeitig herrscht auf Erwachsenenebene viel Ratlosigkeit. Ein Versuch, damit umzugehen, sind das Kategorisieren und das Diagnostizieren von Kindern. Man beschäftigt sich intensiv mit der Frage, warum es mit Kindern so schwierig ist (und es ist häufig schwierig!), sucht aber selten herauszufinden, wie eine fruchtbare und befriedigende Zusammenarbeit mit genau diesen Kindern gelingen kann.
Auch Kinder sind verunsichert und verwirrt, wenn Erwachsene, die die Führung haben, nicht genau wissen, was sie mit ihrer Führungsrolle anfangen sollen, und sich überwiegend reaktiv verhalten. Viele dieser täglichen Konflikte werden nach wie vor