'Gusel Jachina fesselt ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite.' Neue Zürcher Zeitung. In der Weite der Steppe am Unterlauf der Wolga siedeln seit dem achtzehnten Jahrhundert Deutsche.1916 führt Jakob Bach in dem kleinen Dorf Gnadental ein einfaches Leben als Schulmeister, das geprägt ist von den Rhythmen der Natur. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er sich in Klara verliebt, eine Bauerntochter vom anderen Ufer der Wolga. Doch ihre Liebe kann sich den Ereignissen nicht entziehen, die die Revolution und die Gründung der Deutschen Republik an der Wolga mit sich bringen ... Die Übersetzung wurde gefördert vom Institut for Literary Translation, Russland.
Gusel Jachina, geboren 1977 in Kasan (Tatarstan), russische Autorin tatarischer Abstammung, studierte an der Kasaner Staatlichen Pädagogischen Hochschule Germanistik und Anglistik und absolvierte die Moskauer Filmhochschule. Ihr Roman 'Suleika öffnet die Augen' wurde in 31 Sprachen übersetzt, ihr zweiter Roman 'Wolgakinder' in 14 Sprachen. Ihr dritter Roman 'Wo vielleicht das Leben wartet' wird in 19 Sprachen erscheinen und ist wie alle ihre Bücher in Russland ein Bestseller. Gusel Jachina lebt mit ihrer Familie in Moskau.
"Gusel Jachina fesselt ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite." Neue Zürcher Zeitung.
In der Weite der Steppe am Unterlauf der Wolga siedeln seit dem achtzehnten Jahrhundert Deutsche.1916 führt Jakob Bach in dem kleinen Dorf Gnadental ein einfaches Leben als Schulmeister, das geprägt ist von den Rhythmen der Natur. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er sich in Klara verliebt, eine Bauerntochter vom anderen Ufer der Wolga. Doch ihre Liebe kann sich den Ereignissen nicht entziehen, die die Revolution und die Gründung der Deutschen Republik an der Wolga mit sich bringen ...
Die Übersetzung wurde gefördert vom Institut for Literary Translation, Russland.
Autorentext
Gusel Jachina, geboren 1977 in Kasan (Tatarstan), russische Autorin und Filmemacherin tatarischer Abstammung, studierte an der Kasaner Staatlichen Pädagogischen Hochschule Germanistik und Anglistik und absolvierte die Moskauer Filmhochschule. Ihr erster Roman "Suleika öffnet die Augen" wurde in 31 Sprachen übersetzt. Mit "Wolgakinder", bisher in 14 Sprachen übersetzt, legt die international erfolgreiche Autorin ihren zweiten Roman vor. Gusel Jachina lebt mit ihrer Familie in Moskau.
Zusammenfassung
Gusel Jachina fesselt ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Neue Zürcher Zeitung. In der Weite der Steppe am Unterlauf der Wolga siedeln seit dem achtzehnten Jahrhundert Deutsche.1916 führt Jakob Bach in dem kleinen Dorf Gnadental ein einfaches Leben als Schulmeister, das geprägt ist von den Rhythmen der Natur. Sein Leben ändert sich schlagartig, als er sich in Klara verliebt, eine Bauerntochter vom anderen Ufer der Wolga. Doch ihre Liebe kann sich den Ereignissen nicht entziehen, die die Revolution und die Gründung der Deutschen Republik an der Wolga mit sich bringen ... Die Übersetzung wurde gefördert vom Institut for Literary Translation, Russland.
Leseprobe
1
Die Wolga teilte die Welt in zwei Hälften.
Das linke Ufer war niedrig und gelb; flach lag es da und ging in die Steppe über, aus der jeden Morgen die Sonne heraufstieg. Die Erde schmeckte bitter und war von Zieselmäusen durchwühlt, das Gras wuchs dicht und hoch, die Bäume hingegen waren niedrig und selten. Getreide- und Melonenfelder bis zum Horizont, farbenprächtig wie eine baschkirische Bettdecke. Am Ufer klebten die Dörfer. Der Steppenwind war heiß und würzig, er roch nach den Wüsten Turkmeniens und dem Salz des Kaspischen Meeres.
Wie es am anderen Ufer aussah, wusste niemand. Über der rechten Seite des Flusses erhoben sich mächtige Berge, die senkrecht, wie mit einem Messer abgeschnitten, in den Fluss stürzten. An der Kante rieselte zwischen den Steinen Sand herunter, doch die Berge sanken nicht ein, sie wurden Jahr um Jahr nur steiler und fester - von blaugrünem Wald bedeckt im Sommer und tief verschneit im Winter. Hinter diesen Bergen ging die Sonne unter. Auch dort wuchsen kühle Laub- und finstere Nadelwälder. Dahinter lagen die großen russischen Städte mit ihren weißen Kremlburgen, Sümpfe und glasklare blaue Seen mit eiskaltem Wasser. Vom rechten Ufer her wehte es immer kalt; der Wind musste von der fernen Nordsee kommen. Manch einer nannte sie nach alter Sitte noch immer das Deutsche Meer.
Schulmeister Jakob Iwanowitsch Bach spürte diese unsichtbare Trennlinie, die mitten durch die Wolga lief, wo das Wasser wie Stahl und schwarzes Silber schimmerte. Doch die wenigen Menschen, zu denen er von seinen merkwürdigen Gedanken sprach, schauten ihn befremdet an, denn sie sahen das heimatliche Gnadental eher als Mittelpunkt ihres kleinen, von der Wolgasteppe umschlossenen Universums, nicht als einen Grenzort. Bach stritt nicht mit ihnen, denn jede Unstimmigkeit bereitete ihm seelische Schmerzen. Er litt schon, wenn er im Unterricht einem faulen Schüler die Leviten lesen musste. Wahrscheinlich hielt man ihn deswegen auch nur für einen mittelmäßigen Lehrer. Bach sprach mit leiser Stimme, war spindeldürr und von so unscheinbarem Äußeren, dass niemand darüber je ein Wort verlor. Wie auch über sein ganzes Leben.
Wenn morgens am Himmel noch die Sterne leuchteten, erwachte Bach unter seinem Federbett aus Entendaunen und lauschte den Klängen der Welt. Das Gewirr der Laute fremden Lebens, das um ihn herum und über ihn hinweg strömte, beunruhigte ihn. Um die Dächer fegte der Wind - stürmisch, mit Schnee und Graupel vermischt im Winter, böig, mit Feuchtigkeit und himmlischer Spannung geladen im Frühling, träge und trocken, von Staub und den leichten Flugsamen des Steppengrases durchsetzt im Sommer. Hunde begrüßten ihren Herrn, wenn er vor die Tür trat, mit freudigem Gebell. In tiefem Bass brüllten die Rinder auf dem Weg zur Tränke - ein guter Bauer ließ seinen Ochsen oder sein Kamel niemals abgestandenes Wasser oder getauten Schnee aus dem Eimer saufen, sondern führte sie stets zur Wolga, und das, bevor er sich zum Frühstück niedersetzte oder an andere Arbeiten ging. Hier und da ließ eine Frau auf dem Hof ein gedehntes Lied erklingen, um sich den kalten Morgen zu verschönern oder einfach, um nicht wieder einzuschlafen. Die Welt atmete, ratterte, pfiff, muhte, trappelte mit den Hufen, tönte und sang mit vielen Stimmen.
Die Laute seines eigenen Lebens waren so dürftig und unbedeutend, dass Bach sie gar nicht mehr wahrnahm. Das einzige Fenster seines Zimmers klapperte im Wind. Schon im vergangenen Jahr hätte er die Scheiben besser am Rahmen befestigen und die Ritzen mit Kamelwolle abdichten sollen. In dem lange nicht gereinigten Rauchabzug knackte es hin und wieder. Manchmal ließ eine graue Maus hinter dem Ofen ihren Pfiff hören. Vielleicht war es auch nur die Zugluft zwischen den Dielen, die Maus war längst tot und von den Würmern vertilgt. Mehr gab es von Bach nicht zu berichten. Viel interessanter war es hingegen, dem Leben draußen zu lauschen. Dabei vergaß Bach