

Beschreibung
In einer kalten Winternacht des Jahres 1918 besteigt der 14-jährige Moshé Feldenkrais in seiner umkämpften ukrainischen Heimatstadt einen Pferdekarren und wird von einem Schmuggler durch ein gefährliches Sumpfgebiet nach Polen gebracht. Seine abenteuerliche Od...In einer kalten Winternacht des Jahres 1918 besteigt der 14-jährige Moshé Feldenkrais in seiner umkämpften ukrainischen Heimatstadt einen Pferdekarren und wird von einem Schmuggler durch ein gefährliches Sumpfgebiet nach Polen gebracht. Seine abenteuerliche Odyssee führt ihn auf die staubigen Baustellen Tel Avivs und mitten hinein in die Straßenkämpfe mit feindlichen Arabern, in das Radium-Institut des Ehepaars Joliot-Curie in Paris, das London des 'Blitz' und in die geheime Anti-U-Boot-Forschungsabteilung Churchills im Norden Schottlands. Dank seiner Freundschaft mit dem Judo-Erfinder Jigoro Kano und einer vermeintlich unheilbaren Knieverletzung entdeckt der promovierte Ingenieur, was Gehirnforscher erst seit wenigen Jahren belegen können: dass Körper und Geist eine Einheit bilden, dass es eine 'Muskulatur der Seele' gibt und das Gehirn durch bestimmte Bewegungsabläufe beeinflusst werden kann. Christian Buckard erzählt die faszinierende Geschichte jenes Mannes, der das bewusstheitsschärfende Potenzial der leichten Bewegung entdeckte. Seine Methode hilft heute weltweit kranken und gesunden Menschen, ihre Möglichkeiten zu erforschen.
Christian Buckard, geboren 1962, freier Autor, studierte Judaistik und Niederländische Philologie in Jerusalem, Amsterdam und Berlin. 2004 veröffentlichte er eine Biographie über Arthur Koestler, 2012 erhielt er den Deutsch-Französischen Journalistenpreis. Christian Buckard lebt in Berlin.
Vorwort
»Sich selbst zu erkennen, scheint mir das Wichtigste, was ein Mensch für sich tun kann.« Moshé Feldenkrais
Autorentext
Christian Buckard, geboren 1962, freier Autor, studierte Judaistik und Niederländische Philologie in Jerusalem, Amsterdam und Berlin. 2004 veröffentlichte er eine Biographie über Arthur Koestler, 2012 erhielt er den Deutsch-Französischen Journalistenpreis. Christian Buckard lebt in Berlin.
Leseprobe
1 | Kopfstand in Zion
An einem Septembermorgen des Jahres 1957 legen sich die Journalistin Tikvah Weinstock und ein Fotograf am Strand des israelischen Badeorts Herzliya auf die Lauer. Ihr Auftrag ist es, ein Foto von David Ben-Gurion, dem siebzigjährigen Staatsgründer und Premierminister, zu schießen. Ein besonderes Foto soll es werden, denn die Zeitung Maariv hat erfahren, dass sich der notorisch unsportliche Ben-Gurion angewöhnt hat, am Strand gegenüber dem Hotel Ha-Sharon auf dem Kopf zu stehen. Um 9:30 Uhr, nach zwei Stunden Wartezeit, erspähen die Journalisten die Gestalt des stämmigen und weißhaarigen Ben-Gurion, der in Begleitung seiner beiden Leibwächter das Hotel verlässt. Der Premierminister trägt leichte Baumwollkleidung. Er hat offensichtlich noch nicht vor, zum Strand hinunterzugehen. Zuerst steht ein Morgenspaziergang der energischen Art auf dem Programm. In einem Restaurant am Strand weiß man Bescheid: Ben-Gurion wird erst gegen Mittag an den Strand gehen.
Kurz nachdem der Premierminister gegen 12:00 Uhr ins Hotel zurückgekehrt ist, tritt seine Ehefrau Pola vor den Eingang. Dann marschiert sie zum Strand hinunter. Die Journalisten wagen es, sich der Frau im Badeanzug zu nähern. Sie haben Glück, denn Pola ist offensichtlich in Urlaubsstimmung und daher ungewöhnlich gesprächig. »Das mit dem Kopfstand«, erzählt sie,
ist wirklich eine ungewöhnliche Sache. Die Idee dahinter ist, dass beim Kopfstand Herz und Lungen besser durchblutet werden. Diese Methode stammt von Dr. Feldenkrais. Er ist Spezialist, wenn es um die Beziehung zwischen Körper und Geist geht. Er sagt, dass man über das Gehirn jeden Muskel des Körpers bewegen kann. Ben-Gurion ist sicher, dass Feldenkrais ihm sehr geholfen hat. Ich selbst mache keinen Kopfstand. Dafür ist mein Kopf zu klein. Ich bin schon froh, wenn ich auf den Beinen stehen kann.1
Im November des vorangegangenen Jahres hatte das noch anders geklungen. Da war die resolute gelernte Krankenschwester Pola noch überzeugt gewesen, dass Dr. Moshé Feldenkrais - den sie »Mr. Hokuspokus« nannte - nur die wertvolle Zeit ihres vielbeschäftigten und leidgeplagten Ehemanns verschwende.2 Schon in seiner Jugend hatte Ben-Gurion unter Rückenschmerzen gelitten, doch seit einigen Jahren traten Anfälle von Lumbago, dem sogenannten Hexenschuss, in immer kürzeren Abständen auf. Die Schmerzen waren mitunter so schlimm, dass er das Bett hüten musste. Nicht genug damit, war Ben-Gurion 1955 zeitweise unfähig gewesen, vom Bett aufzustehen, ohne sofort von Schwindel gepackt zu werden. Auch wenn diese Schwindelanfälle schließlich verschwunden waren, so hatte der Premierminister aufgrund des Lumbago doch zunehmend Schwierigkeiten, in ein Auto zu steigen, und konnte sich vor aller Augen nur noch mit Mühe aus seinem Stuhl in der Knesset erheben. Auf Auslandsreisen erhielt er Spritzen, damit er nicht unter den Schmerzen zusammenbrach. Keiner seiner Ärzte hatte ihm dauerhaft helfen können. Schmerzmittel und ein Stützkorsett, das war die einzige Therapie, die ihnen eingefallen war.3 Und als ihn Anfang November 1956 ein neuer schlimmer Anfall von Lumbago ans Bett fesselte, war Ben-Gurions Energie mehr denn je gefordert: Die israelische Armee kämpfte sich Richtung Suezkanal vor, um die Meerenge von Tiran wieder für israelische Schiffe passierbar zu machen und um gegen die Terroristen vorzugehen, die von Gaza aus fast wöchentlich Israelis ermordeten. Die Aktion war in Koordination mit Großbritannien und Frankreich geplant worden, doch drängte der US-Präsident die Israelis zum Rückzug, und die Sowjetunion drohte mit einer Intervention im Nahen Osten, sogar mit der Bombardierung von Paris und London.4 Und ausgerechnet in dieser angespannten politischen Situation war Ben-Gurion unfähig, auch
Inhalt
Inhalt
01 | Kopfstand in Zion
02 | Die grünen Hügel von Kremenez
03 | Im Weltenbrand
04 | Moshés Weg ins Freie
05 | Junge Menschen, altes Land
06 | Überleben, leicht gemacht
07 | Zwischen Zelt und Schulbank
08 | Alles auf Anfang
09 | Monsieur Feldenkrais
10 | Rasende Atome und fallende Judoka
11 | Auf der Flucht
12 | Rettung in den Blitz
13 | Entdeckungen in Schottland
14 | Moshé öffnet die Fenster
15 | Belsize Grove Nummer 8
16 | Falling in Love
17 | Moshé kehrt heim
18 | Dr. Feldenkrais, Tel Aviv
19 | Moshés großer Plan
20 | New York, New York
21 | Die ersten dreizehn Studenten
22 | In die Welt hinaus
23 | Ein Guru wider Willen
24 | Ende und Anfang
Epilog
Nachwort Lea Wolgensinger
Anmerkungen
Zeittafel
Literatur
Dank
Register
Bildnachweis
