

Beschreibung
Carol Shields, die für diesen Roman den Pulitzerpreis erhielt, erzählt raffiniert und lebensnah von einem Frauenleben im 20. Jahrhundert. An einem allzu heißen Nachmittag des Jahres 1905 kommt Daisy Goodwill in einer Sturzgeburt auf die Welt. Die Mutter stirbt...Carol Shields, die für diesen Roman den Pulitzerpreis erhielt, erzählt raffiniert und lebensnah von einem Frauenleben im 20. Jahrhundert. An einem allzu heißen Nachmittag des Jahres 1905 kommt Daisy Goodwill in einer Sturzgeburt auf die Welt. Die Mutter stirbt, Grund für die lebenslange Trauer ihres verträumten Vaters. Daisy wächst bei der Nachbarin Clarentine und deren Sohn Barker auf, der später Daisys große Liebe werden wird. Doch bis dahin muss sie eine schwierige Jugend und eine unglückliche erste Ehe durchleben. Zufriedenheit erfährt Daisy erst mit Barker und den gemeinsamen Kindern. Im hohen Alter vom Leben gebeutelt, macht Daisy noch eine große Reise, ehe sie in einem Altersheim die Vergänglichkeit erleidet und stirbt. 'In ihrem Roman beschreibt Carol Shields auf einfühlsame Weise und mit enormem Sprachvermögen die Geschichte einer einfachen Frau, für die das Leben alles andere als eine Romanze ist.' Berliner Morgenpost
Carol Shields, geboren 1935 in Oak Park, Illinois, übersiedelte 1957 nach Kanada und war dort Professorin für Anglistik an verschiedenen Universitäten. Sie gehört zu den renommiertesten Autorinnen ihres Landes. Sie veröffentlichte zahlreiche Romane und Kurzgeschichten, für 'Das Tagebuch der Daisy Goodwill', wochenlang auf Platz 1 der Bestsellerlisten in Amerika und England, wurde sie mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet, für 'Alles über Larry' mit dem Orange Prize. 2002 wurde ihr der Order of Canada verliehen. Zuletzt lebte sie mit ihrem Mann in Victoria, British Columbia, wo sie 2003 starb. Auf deutsch erschien 2005 ihr letzter, für mehrere Preise nominierter Roman 'Die Geschichte der Reta Winters'.
Autorentext
Carol Shields, geboren 1935 in Oak Park, Illinois, übersiedelte 1957 nach Kanada und war dort Professorin für Anglistik an verschiedenen Universitäten. Sie gehört zu den renommiertesten Autorinnen ihres Landes. Sie veröffentlichte zahlreiche Romane und Kurzgeschichten, für "Das Tagebuch der Daisy Goodwill", wochenlang auf Platz 1 der Bestsellerlisten in Amerika und England, wurde sie mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet, für "Alles über Larry" mit dem Orange Prize. 2002 wurde ihr der Order of Canada verliehen. Zuletzt lebte sie mit ihrem Mann in Victoria, British Columbia, wo sie 2003 starb. Auf deutsch erschien 2005 ihr letzter, für mehrere Preise nominierter Roman "Die Geschichte der Reta Winters".
Leseprobe
Geburt, 1905
Der Name meiner Mutter war Mercy Stone Goodwill. Sie war erst dreißig Jahre alt, als sie an einem glühendheißen Tag erkrankte, während sie in ihrer nach hinten gelegenen Küche stand und für ihren Mann einen Malvernpudding zum Abendessen bereitete. Ein Kochbuch lag aufgeschlagen auf dem Tisch: »Man nehme einige Scheiben altbackenes Brot«, lautete das Rezept, »zwei Tassen Johannisbeeren, eine Tasse Himbeeren, 100 g Zucker, etwas Süßrahm, falls vorhanden.« Natürlich hat sie das Rezept halbiert, sind sie doch nur zu zweit, zumal Johannisbeeren knapp sind und Cuyler (mein Vater) ein schlechter Esser ist. Stocherpicker nennt sie ihn, den Mann, der imstande ist, zu essen oder es bleibenzulassen.
Es beschämt sie, wie wenig der Mann ißt, wie er mit seinem Löffel in dem Gericht herumstochert, vielleicht ein-, zweimal die Augen hebt, um ihr über den Tisch einen scheuen, anerkennenden Blick zuzuwerfen, aber sich nie eine zweite Portion nimmt, es ihr überläßt, alles aufzuessen - er fährt mit der Hand durch die Luft, eine verträumte Gebärde, mit der er sie nötigt. Und die ganze Zeit lächelt er, mit seiner einfältigen, zärtlichen Miene. Was bedeutete Essen für einen Arbeiter wie ihn? Eine Last, eine Störung, vielleicht gar eine Art Preis, der zu entrichten war, um sich aufrecht zu halten und weiter zu atmen. Nun, bei ihr, meiner Mutter, war das eine andere Sache.
Essen war dem Himmel so nahe, wie meine Mutter ihm jemals gekommen ist. (Heutzutage haben wir einen Namen für eine Leidenschaft, die so krankhaft ist wie die ihre.)
Und fast so himmlisch wie das Essen war das Zubereiten - mit welcher Hingabe sie darin aufging! Ein jeder Mensch auf Erden hat seine eigene Vorstellung vom Paradies, und dies war ihre, in der mörderisch heißen Küche ihres Hauses stehen, zusammenrühren und -brauen, vornübergebeugt auf den schönen Druck des Kochbuchs hinabblinzeln, einen sauberen Holzlöffel in der Hand.
Es ist schon ein Anblick, wie sie sich konzentriert - ihr heißes, eifriges Gesicht -, wie es sie entzückt, das Gericht Gestalt annehmen zu sehen, wenn sie die gedünsteten Früchte in die kunstvolle Form gießt, das dick geschnittene Brot in den sickernden Saft drückt, fühlt, wie es aufweicht und sich nach und nach voll Himbeerrot saugt. Malvernpudding, sie liebt auch das Wort und läßt die Silben auf der Zunge zergehen wie eine süße Waffel, ja ihre Zunge selbst ist waffelartig und süß geworden. Wie eine Künstlerin - Jahre später ist mir diese Art Kunstfertigkeit vollkommen klar - rührt und schichtet sie und zieht grübelnd die Unterlippe ein. Das wird ein Gericht! Ein warmer Schwamm, der Farbe annimmt. (Mrs. Flett von nebenan hat ihr ein paar Johannisbeeren von ihrem Strauch überlassen; die Himbeeren hat sie selbst am Straßenrand im Süden des Dorfes gefunden, auch wenn es sie halb umbringt, eine Frau von ihrem Umfang, in der Hitze des Tages draußen herumzulaufen.)
Sie streut eine Extraportion Zucker darüber, einen Löffel voll, dann noch einen, dann nimmt sie den Löffel in den Mund, die groben Kristalle, die sie munter halten. Es ist drei Uhr - ein heißer Julinachmittag mitten in Manitoba, mitten im Dominion Kanada. Die Wohnzimmeruhr (gediegener Firnis, vergoldete Füße, ein Hochzeitsgeschenk von der Familie ihres Mannes, den Goodwills aus Stonewall) hat gerade die Stunde geschlagen. Cuyler wird um Punkt fünf aus dem Steinbruch nach Hause kommen; gut gelaunt wird er sich am Spülbecken gründlich waschen, und um halb sechs werden sie sich beide an den Tisch setzen - an ebendiesen Tisch, nur mit einem sauberen Tuch bedeckt, jeden zweiten Tag ein frisches Tuch - und ihr Abendessen einnehmen. Es wird zum größten Teil ein stummes Mahl sein; denn meine Eltern sind beide schüchtern von Natur, und beide wurden in dem Glauben erzogen, daß Reden und Essen verschiedene Tätigkeiten sind, die man zu getrennten Zeiten auszuüben hat. Heute abend werden sie kaltes Corned beef mit einem Löffel selbstgemachter Wü
