

Beschreibung
Eines der Meisterwerke des berühmten europäischen Erzählers und Essayisten. 30 Jahre nach seiner Albtraumvision 'Schöne neue Welt' zählt 'Eiland' ebenfalls zu den großen utopischen Romanen des 20. Jahrhunderts. Huxley entwirft darin eine Ge...Eines der Meisterwerke des berühmten europäischen Erzählers und Essayisten. 30 Jahre nach seiner Albtraumvision 'Schöne neue Welt' zählt 'Eiland' ebenfalls zu den großen utopischen Romanen des 20. Jahrhunderts. Huxley entwirft darin eine Gemeinschaft, die die Prinzipien des Guten und der Freiheit konsequent anwendet.
Aldous Leonard Huxley, geboren 1894 in Godalming/Surrey, in Eton erzogen, studierte nach einer schweren Augenkrankheit englische Literatur in Oxford und war ab 1919 zunächst als Journalist und Theaterkritiker tätig. 1921 begann er mit der Veröffentlichung seines ersten Romans 'Die Gesellschaft auf dem Lande' seine literarische Laufbahn. Von 1938 an lebte er in Kalifornien. Huxley starb 1963 in Hollywood.
Autorentext
Aldous Leonard Huxley, geboren 1894 in Godalming/Surrey, in Eton erzogen, studierte nach einer schweren Augenkrankheit englische Literatur in Oxford und war ab 1919 zunächst als Journalist und Theaterkritiker tätig. 1921 begann er mit der Veröffentlichung seines ersten Romans "Die Gesellschaft auf dem Lande" seine literarische Laufbahn. Von 1938 an lebte er in Kalifornien. Huxley starb 1963 in Hollywood.
Zusammenfassung
Eines der Meisterwerke des berühmten europäischen Erzählers und Essayisten. 30 Jahre nach seiner Albtraumvision »Schöne neue Welt« zählt »Eiland« ebenfalls zu den großen utopischen Romanen des 20. Jahrhunderts. Huxley entwirft darin eine Gemeinschaft, die die Prinzipien des Guten und der Freiheit konsequent anwendet.
Leseprobe
ERSTES KAPITEL
»Gib acht«, rief eine Stimme, und es klang, als hätte eine Oboe plötzlich zu sprechen begonnen. »Gib acht«, wiederholte sie in demselben nasal eintönigen Ton. »Gib acht.«
Wie ein Leichnam in dem Haufen dürrer Blätter liegend, mit verfilztem Haar, das Gesicht grotesk verschmiert und abgeschürft, die Kleider zerfetzt und schlammverkrustet, fuhr Will Farnaby aus dem Schlaf hoch. Molly hatte gerufen. Er mußte aufstehn. Sich ankleiden. Durfte nicht zu spät ins Büro kommen.
»Dank dir, Liebste«, sagte er und setzte sich auf. Ein schneidender Schmerz durchzuckte sein rechtes Knie, und im Rücken, in den Armen, hinter der Stirn verspürte er noch andere Schmerzgefühle.
»Gib acht«, sagte die Stimme beharrlich, ohne daß sich ihr Ton im geringsten verändert hätte. Auf den einen Ellbogen gestützt, blickte Will umher; verwirrt sah er statt der grauen Tapete und gelben Vorhänge seines Londoner Schlafzimmers eine Lichtung zwischen Bäumen und die langen Schatten und schrägen Sonnenstrahlen eines frühen Morgens im Wald.
»Gib acht.«
Was sollte dieses »Gib acht«?
»Gib acht, gib acht«, beharrte die Stimme - auf dieselbe seltsame, sinnlose Weise. »Molly?« sagte er fragend. »Molly?«
Der Name schien ein Fenster in seinem Kopf zu öffnen. Plötzlich, mit diesem gräßlich vertrauten Schuldgefühl in der Magengrube, roch er wieder Formalin, sah er die kleine energische Krankenschwester ihm eilig durch den grünen Korridor vorangehn, hörte er das trockene Rascheln ihrer gestärkten Tracht. »Nummer fünfundfünfzig«, sagte sie, blieb stehn und öffnete eine weiße Tür. Er trat ein und sah Molly auf einem hohen weißen Bett liegen, das halbe Gesicht bedeckt von einem Verband, den Mund weit offen, mit klaffendem Unterkiefer. »Molly«, hatte er gerufen, »Molly ...« Die Stimme brach ihm, und er weinte jetzt, er flehte: »Mein Liebes!« Es kam keine Antwort. Durch den klaffenden Mund drangen geräuschvoll die kurzen, stoßweisen Atemzüge. »Mein Liebstes, mein Liebstes ...« Und mit einemmal wurde die Hand, die er hielt, für einen Augenblick lebendig. Lag dann wieder still.
»Ich bin's«, sagte er, »ich - Will.«
Abermals bewegten sich die Finger. Langsam, mit einer offenbar ungeheuren Anstrengung schlossen sie sich um die seinen, drückten sie und erschlafften wieder.
»Gib acht«, rief die so gar nicht menschliche Stimme, »gib acht.« Es war ein Unfall gewesen, beteuerte er sich hastig. Die Straße war naß, der Wagen schlitterte über die weiße Linie hinaus. Einer dieser Unfälle, wie sie sich immer wieder ereignen. Die Zeitungen waren voll davon; er selber hatte oft und oft darüber berichtet. »Mutter und drei Kinder bei Zusammenprall getötet.« Aber darauf kam es nicht an. Es kam darauf an, daß er ja gesagt hatte auf ihre Frage, ob es wirklich das Ende bedeute; es kam darauf an, daß sie, kaum eine Stunde später, nachdem sie von jener letzten, so sehr beschämenden Unterredung in den Regen hinausgegangen war, im Krankenwagen lag, und im Sterben.
Er hatte sie nicht angesehen, als sie sich zum Gehn wandte, hatte es nicht gewagt. Noch einen Blick auf dieses blasse leidende Gesicht hätte er nicht ertragen können. Sie war von dem Stuhl aufgestanden und langsam durchs Zimmer gegangen, war langsam aus seinem Leben hinausgegangen. Sollte er sie nicht zurückrufen, sie um Verzeihung bitten, ihr sagen, daß er sie noch immer liebte? Hatte er sie je geliebt?
Zum hundertstenmal rief die artikulierte Oboe ihm ihr »Gib acht« zu.
Ja, hatte er Molly je wirklich geliebt?
»Leb wohl, Will.« In der Erinnerung hörte er sie es flüstern, als sie sich auf der Schwelle nochmals umwandte. Und dann war sie es gewesen, die es sagte - leise, aus tiefstem Herzen. »Ich hab dich noch immer lieb, Will - trotz allem.«
Gleich darauf schloß sich die Wohnungstür fast geräuschlos hinter ihr. Das knappe, leise Einschnappen des Schlosses, und sie wa
