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Einer der letzten Romane von Aldous Huxley - ein Meisterwerk voller Humor, Sprachgewalt und intellektueller Gedanken 'Das Genie und die Göttin' erzählt die Geschichte eines brillanten Professors, seiner wunderschönen Frau und einem jungen Mann, der ihre Welt in Stücke reißt. Huxley schafft es, seinen Figuren Ruhe, Hilflosigkeit, Liebe, Genialität, Humor und Zynik mit brachialer Harmonie zu geben. Ein Meisterwerk, das durch seine Unauffälligkeit glänzt, und als das Gegenstück zu Huxleys bekanntesten Roman 'Schöne neue Welt' gilt. 'Sollte Huxleys mit höchster Meisterschaft aufgebaute Erzählung eine Moral haben, so wäre es wohl die: daß der perfekte Gehirnmensch nicht nur am Leben vorbeilebt, sondern den Tod ausstreut und noch gar nicht einmal auf seine Opfer achtet.' (Christian E. Lewalter, DIE ZEIT)
Aldous Leonard Huxley, geboren 1894 in Godalming/Surrey, in Eton erzogen, studierte nach einer schweren Augenkrankheit englische Literatur in Oxford und war ab 1919 zunächst als Journalist und Theaterkritiker tätig. 1921 begann er mit der Veröffentlichung seines ersten Romans 'Die Gesellschaft auf dem Lande' seine literarische Laufbahn. Von 1938 an lebte er in Kalifornien. Huxley starb 1963 in Hollywood.
Autorentext
Aldous Leonard Huxley, geboren 1894 in Godalming/Surrey, in Eton erzogen, studierte nach einer schweren Augenkrankheit englische Literatur in Oxford und war ab 1919 zunächst als Journalist und Theaterkritiker tätig. 1921 begann er mit der Veröffentlichung seines ersten Romans "Die Gesellschaft auf dem Lande" seine literarische Laufbahn. Von 1938 an lebte er in Kalifornien. Huxley starb 1963 in Hollywood.
Leseprobe
»Das Fatale an Romanen«, sagte John Rivers,»ist, dass sie zu viel Sinn ergeben. Die Wirklichkeit ergibt nie einen Sinn.«
»Nie?«, fragte ich zweifelnd.
»Vielleicht aus der Gottesperspektive«, räumte er ein.»Nie aus der unseren. Ein Roman hat Einheit, ein Roman hat Stil. Die Wirklichkeit hat weder das eine noch das andere. Im Rohzustand ist das Dasein immer eine verflixte Sache nach der anderen. Und jede der verflixten Sachen ist Thurber und zugleich Michelangelo, Mickey Spillane und zugleich Thomas von Kempen. Das Merkmal der Wirklichkeit ist ihre wesentliche Beziehungslosigkeit.« Und als ich fragte: »Worauf?«, schwenkte er seine breite, gebräunte Hand gegen die Bücherregale. »Auf, 'was das Beste ist geblieben, das je ein Mensch gedacht, geschrieben'«, deklamierte er mit spöttischer Gewichtigkeit und fügte dann hinzu: »Seltsamerweise gelten die der Wirklichkeit am nächsten kommenden Romane als die am wenigsten wahren.« Er neigte sich seitwärts und tippte auf den Rücken eines zerlesenen Exemplars der Brüder Karamasoff. »Der da ergibt so wenig Sinn, dass er fast Wirklichkeit ist. Und das ist mehr, als sich von irgendeiner der wissenschaftlichen Arten von Romanen sagen lässt. Von den Romanen der Physiker und der Chemiker, von den Romanen der Historiker, den Romanen der Philosophen ...« Sein anklagender Finger fuhr von Dirac zu Toynbee, von Sorokin zu Carnap. »Mehr sogar, als sich von den Romanen der Biografen sagen lässt. Hier hast du das neueste Exemplar dieser Sorte.« Er nahm von dem Tischchen neben sich ein Buch in einem glänzend blauen Schutzumschlag und hielt es mir zur Besichtigung her.
»Henry Maartens - Sein Leben«, las ich laut, ohne größeres Interesse, als man für einen zum Begriff gewordenen Namen aufbringt. Dann erinnerte ich mich, dass für John Rivers der Name etwas mehr und etwas anderes als einen Begriff bedeutet hatte.»Du warst sein Schüler, nicht wahr?«
Rivers nickte stumm.
»Und das hier ist die offizielle Biografie?«
»Der offizielle Roman«, verbesserte er. »Ein unvergessliches Bild des Rührstückwissenschaftlers - du kennst doch den Typ? - das blöde Kleinkind mit dem Riesenintellekt; das kranke Genie, das unbezwinglich gegen ungeheure Widrigkeiten ankämpfte; der einsame Denker, der doch der liebevollste Familienvater war; der vergessliche Professor mit dem Kopf in den Wolken, aber dem Herzen auf dem rechten Fleck. Die Wirklichkeit war leider nicht ganz so simpel.«
»Du meinst, das Buch ist ungenau?«
»Nein. Alles darin ist wahr - bis zu einem gewissen Grad. Darüber hinaus ist alles Quatsch - oder vielmehr gar nicht vorhanden. Und vielleicht«, fügte er hinzu, »vielleicht soll es gar nicht vorhanden sein. Vielleicht ist die vollständige Wirklichkeit immer zu würdelos, um verzeichnet zu werden, zu sinnlos oder zu grässlich, um nicht in einen Roman umgedichtet werden zu müssen. Immerhin ist's, wenn man zufällig die Wirklichkeit kennt, aufreizend, es ist sogar fast beleidigend, mit einem Rührstück abgespeist zu werden.«
»Also hast du die Absicht, es zu berichtigen?«
»Für die Öffentlichkeit? Gott behüte!«
»Für mich also. Privat.«
»Privat?«, wiederholte er. »Schließlich, warum nicht?« Er zuckte die Achseln und lächelte. »Eine kleine Orgie von Reminiszenzen, um einen deiner seltenen Besuche zu feiern.«
»Jeder Mensch würde glauben, du sprichst von einem gefährlichen Rauschgift.«
»Aber sie sind ein gefährliches Rauschgift«, antwortete er. »Man flüchtet in Reminiszenzen, wie man sich in Schnaps oder Amytal-Sodium flüchtet.«
»Du vergisst«, sagte ich, »dass ich Schriftsteller bin und die Musen die Töchter der Erinnerung sind.«
»Und Gott«, fügte er schnell hinzu, »ist nicht ihr Bruder. Gott ist nicht der Sohn der Erinnerung; er ist der Sohn der unmittelbaren Erfahrung. Man kann einen Geist nicht im Geist verehren, wenn man es nicht