

Beschreibung
Barbara Wolbring, Andreas Franzmann (Hrsg.) Zwischen Idee und Zweckorientierung Vorbilder und Motive von Hochschulreformen seit 1945 2007. 237 S., 30 schwarz-weiße Abbildungen ISBN 978-3-05-004308-1 Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Bd. 21 Im 20. Ja...Barbara Wolbring, Andreas Franzmann (Hrsg.)
Zwischen Idee und Zweckorientierung
Vorbilder und Motive von Hochschulreformen seit 1945
237 S., 30 schwarz-weiße Abbildungen
ISBN 978-3-05-004308-1
Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Bd. 21
Im 20. Jahrhundert erlebten die deutschen Universitäten ein Wachstum ungeahnten Ausmaßes, das jedoch zu keiner Zeit als Blüte wahrgenommen wurde. Vielmehr ist das 20. Jahrhundert durchzogen von Hochschulreformdiskussionen, die in Schüben aufeinander folgten und Ausdruck eines bleibenden Krisenbewusstseins sind, das auch durch die tatsächlich erfolgenden Reformen nicht schwächer wurde.
Die in diesem Band versammelten Aufsätze verfolgen das Ziel, in einem diskursgeschichtlichen Ansatz nicht allein nach den Krisendiagnosen und Reformvorschlägen, sondern vor allem nach den dahinter sichtbar werdenden Leitvorstellungen von der Institution Universität und ihrer Aufgabenstellung zu fragen. Damit werden Aussagen möglich über die Erwartungen an die Universität, an ihre Aufgabe und ihren gesellschaftlichen Stellenwert.
Die einzelnen Beiträge stellen weniger die organisatorische Umsetzung einzelner Reformen ins Zentrum, sondern fragen mehr nach in den Reformen und Reformdiskursen aufscheinenden Deutungsmustern, Werthaltungen, Argumentationsstrategien, den wissenschaftlichen, politischen und sozialen Zielen.
Pressestimmen
"Resümierend lässt sich feststellen, dass die Lektüre dieses Tagungsbandes lohnend und gewinnbringend ist, da er sich interdisziplinär und kritisch mit dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen 'Mainstream' auseinandersetzt sowie zum Teil innovative Forschungsansätze wählt." Wolfgang Lambrecht in: H-Soz-u-Kult, 27. November 2007
Im 20. Jahrhundert erlebten die deutschen Universitäten ein Wachstum ungeahnten Ausmaßes, das jedoch zu keiner Zeit als Blüte wahrgenommen wurde. Vielmehr ist das 20. Jahrhundert durchzogen von Hochschulreformdiskussionen, die in Schüben aufeinander folgten und Ausdruck eines bleibenden Krisenbewusstseins sind, das auch durch die tatsächlich erfolgenden Reformen nicht schwächer wurde. Die in diesem Band versammelten Aufsätze verfolgen das Ziel, in einem diskursgeschichtlichen Ansatz nicht allein nach den Krisendiagnosen und Reformvorschlägen, sondern vor allem nach den dahinter sichtbar werdenden Leitvorstellungen von der Institution Universität und ihrer Aufgabenstellung zu fragen. Damit werden Aussagen möglich über die Erwartungen an die Universität, an ihre Aufgabe und ihren gesellschaftlichen Stellenwert. Die einzelnen Beiträge stellen weniger die organisatorische Umsetzung einzelner Reformen ins Zentrum, sondern fragen mehr nach in den Reformen und Reformdiskursen aufscheinenden Deutungsmustern, Werthaltungen, Argumentationsstrategien, den wissenschaftlichen, politischen und sozialen Zielen.
Autorentext
Dr. phil. Andreas Franzmann lehrt Soziologie an den Universitäten Bielefeld und Tübingen. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Wissenschaftssoziologie und die Professionsforschung. Barbara Wolbring, geb. 1965, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am historischen Seminar der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Leseprobe
Jan-Otmar Hesse
Hochschulreformgeschichte als Disziplingeschichte – Das Beispiel der Wirtschaftswissenschaften (S. 121-122)
Nach Lage der aktuellen Debatte und in der jüngeren Vergangenheit werden Hochschulreformen notwendig, weil die Hochschule ihre gesellschaftliche Aufgabe nur unzureichend erfüllt: Der Arbeitsmarkt frage Absolventen nach, die stärker berufsbezogen ausgebildet sind. Eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe (im Idealfall der jungen Erwachsenen) "überschwemme" die Hochschulen und beanspruche die Finanzlage öffentlicher Haushalte zu stark. Bei derartigen hochschulpolitischen Reformdebatten wird fast selbstverständlich davon ausgegangen, daß der Gegenstand der Reform, die Hochschule als Organisationsform der Wissenschaft, selbst keine Veränderungsimpulse aussendet. Die Wissenschaft – so die Logik einer solchen Position – ist per definitionem der äußeren Veränderung nicht zugänglich. Hochschulreformen verhalten sich al so gegenüber jeder Wissenschaft neutral, beeinflussen ihre Ergebnisse und Erkenntnisse nicht, weil diese ja nicht den gesellschaftlichen Erfordernissen entspringen (dürfen). Sie zielen darauf ab, einen (ihr nicht zugänglichen) Bereich "Wissenschaft" je nach den gesellschaftlichen Erfordernissen und Verhältnissen möglichst effizient intergenerationell zu trans portieren.
Höchstens lesen wir einmal vo n Vorschlägen der Politik, bald diesen oder bald jenen wissenschaftlichen Wissensbereich vollständig zu exekutieren, weil er seine "gesellschaftliche Relevanz" seit langem verloren habe – was in der Wissenschaft sofort unisono als unverschämter Angriff auf die "Freiheit der Wissenschaft" interpretiert wird. An dem Kern eines Faches rütteln kann die Hochschulpolitik indes nicht, und Hochschulpolitiker ebenso wie Hochschulpolitikerinnen würden ein dergestalt waghalsiges Manöver auch niemals unternehmen.
In einer ersten oberflächlichen Betrachtung mag diese hermetische Trennung von Wissenschaft und Hochschulpolitik wie eine moderne, zweckmäßige Arbeitsteilung erscheinen. Sie folgt aber in Wirklichkeit einer höchst w eitreichenden Systemlogik, die jedenfalls au f der einen Seite der Unterscheidung, auf der der Wissenschaft, ganz erhebliche Folgekosten nach sich zieht. Das Beispiel der Wirtschaftswissenschaften in den ersten drei Nachkriegsdekaden läßt erkennen, wie ein Fach, in dem manche eine "gesellschaftliche Leitdisziplin" entdecken, 1 zugleich von innerwissenschaftlichen Akzentverschiebungen und von hochschulpolitischen Erfordernissen verändert worden ist. Zumindest für die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft zwischen 1945 und 1975 läßt sich nachweisen, daß erst in der Überlagerung wissenschaftlichen "Fortschritts" und institutionell bedingtem Einwirken auf das Fach in den 1970er Jahren jene "Disziplin" entsteht, die wir heute selbstverständlich mit dem Begriff "Wirtschaftswissenschaft" in Verbindung bringen.
Noch vor 40 Jahren war es durchaus umstritten, welche Bestandteile zur Wirtschaftswissenschaft hinzugerechnet werden sollten, welche ihr nicht angehörten. Sollte die "Soziologie" als Teil der Wirtschaftswis- senschaft in einer gemeinsamen Fakultät mit der Wirtschaftstheorie organisiert werden oder zusammen mit Geschichte und Pädagogik einem ganz anderen Teil der Universitäten angehören? Dorothy Ross machte kürzlich in ihrem Einleitungsaufsatz für die Cambridge History of Science völlig zu Recht darauf aufmerksam, daß der wissenschaftssystematische Begriff der "Disziplin" notwendig eine zweifache Konnotation mitbringt: Zum einen bezeichnet er d
Inhalt
1;Inhalt;6
2;Einleitung;8
3;Orientierung in Trümmern;13
3.1;Hochschulreformziele an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main 1945-1949;14
3.2;Die Westalliierten als Hochschulreformatoren (1945 1949): ein Vergleich;36
3.2.1;1. Die Alliierten als Träger der Reform;36
3.2.2;2. Die Westalliierten und die Reform des deutschen Hochschulsystems;39
3.2.3;3. Die Franzosen und die Neugründungen;43
3.2.4;Zusammenfassung;45
3.3;Erfindet sich die Hochschule neu? Selbstbilder und Zukunftsvorstellungen in den westdeutschen Rektoratsreden 1945-1950 ;48
3.3.1;1. Die Universität in der Moderne Grundpositionen der Rektoren;48
3.3.2;2. Universitas Zukunftsvergewisserung durch Rückkehr zu den alteuropäischen Ursprüngen;50
3.3.3;3. Christentum Internationalität Persönlichkeitsbildung;51
3.3.4;4. Wie läßt sich das Bildungsprogramm im St udiumrealisieren?;57
3.3.5;5. Fazi;60
3.4; Ein wirklich neuer Anfang . Öffentliche Kritik an den Universitäten und Reformforderungen in …
