Tiefpreis
CHF28.95
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 1 bis 2 Wochen.
Kein Rückgaberecht!
Theorie und GesellschaftHerausgegeben von Jens Beckert (Köln), Rainer Forst (Frankfurt), Wolfgang Knöbl (Göttingen), Frank Nullmeier (Bremen) und Shalini Randeria (Zürich)
Wolfgang Knöbl unterzieht in diesem Buch die aktuellen soziologischen Großtheorien einer kritischen Analyse. Vor diesem Hintergrund arbeitet er insbesondere die Relevanz weltgeschichtlicher Ansätze für die Makrosoziologie heraus: Die dort betonten Phänomene kontingenter Entwicklungen und kultureller Transfers zwischen Weltregionen haben in soziologischen Vergleichsdesigns bislang keinen Niederschlag gefunden. Anhand von Analysen insbesondere zu China, dem Süden der USA sowie Südamerika beleuchtet Knöbl die Spezifika der europäischen Moderne und zeigt, welchen methodologischen Postulaten eine zeitgemäße, historisch fundierte Makrosoziologie genügen muss, zumal wenn sie ihr zeitdiagnostisches Potenzial nutzen will.
Vorwort
Theorie und Gesellschaft Herausgegeben von Jens Beckert (Köln), Rainer Forst (Frankfurt), Wolfgang Knöbl (Göttingen), Frank Nullmeier (Bremen) und Shalini Randeria (Zürich)
Autorentext
Wolfgang Knöbl ist Professor für Soziologie an der Universität Göttingen.
Klappentext
Wolfgang Knöbl unterzieht in diesem Buch die aktuellen soziologischen Großtheorien einer kritischen Analyse. Vor diesem Hintergrund arbeitet er insbesondere die Relevanz weltgeschichtlicher Ansätze für die Makrosoziologie heraus: Die dort betonten Phänomene kontingenter Entwicklungen und kultureller Transfers zwischen Weltregionen haben in soziologischen Vergleichsdesigns bislang keinen Niederschlag gefunden. Anhand von Analysen insbesondere zu China, dem Süden der USA sowie Südamerika beleuchtet Knöbl die Spezifika der europäischen Moderne und zeigt, welchen methodologischen Postulaten eine zeitgemäße, historisch fundierte Makrosoziologie genügen muss, zumal wenn sie ihr zeitdiagnostisches Potenzial nutzen will.
Leseprobe
Die Kontingenz der Moderne - der Titel dieses Buches kann Missverständnisse hervorrufen, die es gleich zu Beginn auszuräumen gilt. Denn wer erwartet, dass in der vorliegenden Arbeit ein weiterer Versuch der in der Soziologie so beliebten Zeitdiagnose unternommen wird, der wird enttäuscht werden: Ob wir (wer auch immer das sein soll) in der ersten, zweiten oder dritten Moderne leben, in der Hoch- oder Postmoderne, all dies ist für die folgende Argumentation bedeutungslos. Auch die Frage, ob heute im Unterschied zu früheren Sicherheiten und festen Strukturen alles flüssig und kontingent sei, interessiert hier nicht weiter. Im Mittelpunkt steht vielmehr, wie die Soziologie im Allgemeinen und die Makrosoziologie im Besonderen mit den empirischen Befunden und theoretischen Herausforderungen umgehen, die aus bestimmten Feldern der Geschichtswissenschaft kommen, wo der Begriff der Kontingenz eine ganz entscheidende Rolle spielt. Konkret soll behauptet werden, dass die fruchtbarsten Anstöße für makrosoziologisches Denken derzeit einem Teilbereich der Geschichtswissenschaft entstammen, den man mit dem Begriff "world history" einigermaßen grob umreißen kann. Hier haben Historikerinnen und Historiker, bemerkenswerterweise zumeist solche mit einer ursprünglichen Spezialisierung im Gebiet der Geschichte Asiens, Debatten initiiert, die unmittelbar an bisherigen Gewissheiten soziologischen Denkens über großflächige und -räumige soziale Prozesse kratzen und die allmählich (obzwar noch kaum im deutschen, so aber doch im anglo-amerikanischen Sprachraum) auch in der Soziologie rezipiert werden. Jene hier angesprochenen "weltgeschichtlichen" Debatten hinterfragen ganz massiv bestimmte Vorstellungen, die man sich im Westen von der Sonderrolle und -stellung Europas bisher machte. Darauf spielt eben der Buchtitel "Die Kontingenz der Moderne" an, insofern mit ihm eine klare inhaltlich-empirische These verbunden ist, nämlich dass sich die Entstehung der europäischen beziehungsweise US-amerikanischen Moderne, insbesondere die Industrialisierung, kontingenten Umständen verdankt. Wenn dies so ist, so die Schlussfolgerung, dann ist auch die Makrosoziologie, so wie sie in der Tradition etwa Max Webers oder Emile Durkheims betrieben wird, vor neue Herausforderungen gestellt. Der vorliegenden Arbeit liegt also die Prämisse zugrunde, dass das Entwicklungspotential bestehender makrosoziologischer Großtheorien (der Modernisierungstheorie, der Weltgesellschaftstheorien, der Globalisierungstheorien, der Weltsystemtheorie und auch der Zivilisationstheorien) begrenzt oder ausgeschöpft ist und in der makrosoziologischen Diskussion neue Wege zu gehen sind. Wege freilich, welche die Disziplinengrenzen überschreiten, die also gelegentlich das sichere Terrain der Soziologie verlassen werden! Allerdings, es geht nicht darum, Interdisziplinarität zu predigen und vorschnell auf eine Symbiose zwischen Geschichtswissenschaft und Soziologie zuzusteuern. Stattdessen soll der Leser mittels einer Reflexion über den Zustand gegenwärtiger makrosoziologischer Debatten davon überzeugt werden, dass an theoretisch durchaus signifikanten Punkten der Diskussion erhebliche Probleme auftauchen, welche den Blick in andere Disziplinen, eben vor allem in die Geschichtswissenschaft, ratsam scheinen lassen. Ziel ist also nicht eine Verabschiedung der Makrosoziologie, sondern eine Besinnung auf ihre (ursprünglichen) Stärken, um auch die deutlich zu Tage tretenden Schwächen tatsächlich klar benennen zu können. Allerdings, jenes Aufspüren von Stärken und Schwächen ist nicht ganz einfach, weil allein schon die Diskussionslage im Feld der Makrosoziologie ziemlich unübersichtlich ist. Bestenfalls kann man sie als konturlos beschreiben, weil klare Fronten und fokussierte theoretische Auseinandersetzungen fehlen. Die meisten Autoren haben sich nämlich in ihren Theorienischen eingerichtet, weshalb von großer Verve beim Streit um die besseren Argumente nur allzu selten die Rede sein kann: Versprengte Einzelfiguren aus dem ehemals großen Heer bekennender Modernisierungstheoretiker arbeiten weithin unbehelligt neben Verfechtern der Theorie(n) der Weltgesellschaft; Globalisierungstheoretiker unterschiedlichster Provenienz haben es sich neben Weltsystemtheoretikern bequem gemacht, von denen zumindest einige eher Anschluss an Teile der Geschichtswissenschaft suchen als an die übrige Makrosoziologie; und die "Multiple-Modernities"-Protagonisten befinden sich irgendwo dazwischen, wobei auch deren Wille zur Kommunikation mit Vertretern der schon genannten theoretischen Lager nicht allzu groß ist. Besonders überraschend ist die Feststellung der Konturlosigkeit der makrosoziologischen Diskussion freilich nicht, weisen doch die meisten anderen Subdisziplinen und Felder der Soziologie auch keine wesentlich größere paradigmatische Einheitlichkeit auf. Insofern spiegelt sich in der Makrosoziologie nur eine allgemeine Tendenz wider, welche die Soziologie als Ganze betrifft: Die eine allumfassende und weithin anerkannte Theorie gibt es nicht (mehr). Stattdessen besteht eine unübersichtliche Theorienvielfalt, jene Multi-Paradigmatase, durch die es immer schwieriger zu werden scheint, zu strukturierten Diskussionen zurückzukehren. So werden dann nicht selten Argumente zwar noch pflichtgemäß ausgetauscht, der echte Glaube an ihre Überzeugungskraft ist hingegen längst verloren gegangen. Ein leidenschaftliches Interesse an der Sache - und damit die Hoffnung auf Erkenntnisfortschritt - lässt sich nur mehr selten entdecken. Nun ist eine derart resignative Grundhaltung glücklicherweise nicht in der gesamten Soziologie anzutreffen; lebhafte Debatten, Auseinandersetzungen um der Sache willen, gibt es noch immer, und genau solcher Streit - so die These des vorliegenden Buches - lässt sich dazu nutzen, um die Stagnation in der Makrosoziologie zu beenden. Denn all die zuvor genannten Makroansätze und -theorien schweben über höchst…