

Beschreibung
Jeder Zivilisation liegt eine bestimmte Idee zugrunde. Unsere will den Menschen vom Leiden und von körperlicher Arbeit befreien und ihm ein unterhaltsames, sorgenfreies Leben bieten. Weil die Natur an ihre Belastungsgrenze gekommen ist, kann dieses Zivilisati...Jeder Zivilisation liegt eine bestimmte Idee zugrunde. Unsere will den Menschen vom Leiden und von körperlicher Arbeit befreien und ihm ein unterhaltsames, sorgenfreies Leben bieten. Weil die Natur an ihre Belastungsgrenze gekommen ist, kann dieses Zivilisationsmodell nicht länger befolgt werden.
Swami Vivekananda kam vor gut hundert Jahren in den Westen mit einer Vision einer anderen Zivilisation, die den ganzen Menschen in den Mittelpunkt stellt. In diesem Buch finden Sie das Wesen seiner Botschaft.
Es sind bereits mehrere Bücher von Swami Vivekanada auf Deutsch erschienen. Sie präsentieren dem deutschen Leser einen kleinen Ausschnitt aus seinem Gesamtwerk, das auf Englisch in 9 Bänden vorliegt. Dieses Buch ist eine neue Auswahl seiner Texte, die unter einem neuen Blickwinkel ausgewählt wurden: Sie verdeutlichen die Botschaft des Swamis, mit der er als der erste Yogi überhaupt in den Westen kam.
Das Buch enthält umfangreiche Erläuterungen, die dem westlichen Leser die Annäherung an die Jahrtausende alte und zunehmend aktuelle Botschaft des Yogas erleichtert.
Autorentext
Swami Vivekananda war ein Visionär einer besseren Welt. Er war ein Philosoph und ein Mönch, ein Schüler und Nachfolger von Sri Ramakrishna Paramahamsa, dem meistgeschätzten Yogi der letzten 200 Jahre. Er kam Ende des 19. Jahrhunderts in den Westen und begeisterte und forderte gleichzeitig die intellektuelle Elite heraus. Swami Vivekananda ist im Jahr 1863 in Bengalen geboren. Sein Vater war ein Rechtsanwalt am Obersten Gericht in Kalkutta, ein Agnostiker und unter dem Einfluss der westlichen Kultur. Seine Mutter war eine fromme Hindufrau, tief verwurzelt in der Tradition des Landes. Das Kind war seit seiner frühesten Kindheit sehr besonders. In der Schule lernte er ungewöhnlich leicht. Er konnte den Inhalt einer Buchseite verstehen und wiedergeben, wenn er nur die erste und die letzte Zeile gelesen hatte. Während seiner Schul- und College-Zeit eignete er sich so ein umfangreiches Wissen über die westliche Geschichte, Philosophie und Logik an. Er besaß einen unbefangenen Geist und verlangte rationale Beweise, bevor er eine Schlussfolgerung als gültig akzeptierte. Er begegnete seinem Meister mit 18 Jahren. Dieser erkannte sofort seinen späteren Botschafter. Der junge Mann blieb aber über lange Zeit seinem Guru gegenüber skeptisch. Nicht verwunderlich, wenn man sich den krassen Unterschied zwischen den beiden vor Augen führt: Swami Vivekananda war ein Intellektueller aus bestem Hause, mit exzellenter, westlich geprägter Bildung, der das nichtduale Brahman des Sri Ramakrishna strikt ablehnte. Was die beiden aber verband, erwies sich als ungleich stärker: die Tiefe der Seele und die Reinheit der Liebe zu Gott und den Menschen. Er verbrachte insgesamt sechs Jahre in der Nähe von Sri Ramakrishna. Während dieser Zeit vollzog sich in ihm eine tiefgehende Umwandlung, die im Detail nur dem Schüler und dem Guru bekannt war. Er wurde buchstäblich von der Leidenschaft für Gott besessen, verbrachte Nacht für Nacht in Meditation und erreichte den Nirvikalpa Samadhi, den Gipfel des spirituellen Weges. Nach dem Ableben des Meisters gründeten seine Schüler einen Mönchsorden. Irgendwann entschloss der Swami sich allerdings, das riesige Land von Osten nach Westen und vom Himalaya bis zur Südspitze als Bettelmönch durchzuwandern. Er war Gast in den Palästen der Könige genauso wie in den Hütten der Parias. Auf diesen Wanderungen sah er die unbeschreibliche Armut und Ausbeutung der einfachen Menschen in seinem Land und machte es sich zum Ziel, sie aus der Armut und dem Unwissen zu befreien. Zunehmend verspürte er außerdem den Auftrag, die Erkenntnisse der Upanishaden über die wahre Natur des Menschen und das Ideal der Freiheit durch inneres Loslassen und Entsagung in die weite Welt zu tragen. Im Jahr 1893 fand in Chicago eine Weltausstellung statt und in ihrem Rahmen ein Parlament der Religionen. Swami Vivekananda wurde bereits von Intellektuellen und Königen darauf angesprochen, ob er dort nicht den Hinduismus vertreten würde, und er stimmte zu. Seine Auftritte in Chicago machten ihn auf einen Schlag zu einer Berühmtheit und einem gefragten Redner, und das, obwohl er seinen amerikanischen Gastgebern alles andere als gefällig war. Er scheute nicht davor zurück, die religiöse Realität des Westens, die im krassen Gegensatz zur Lehre Christus stand, oder die Grundzüge der materialistischen, utilitären Kultur zu kritisieren. Swami Vivekananda reiste unermüdlich und hielt im Durchschnitt zwölf Vorträge pro Woche. Auf diese Weise verbrachte er einige Jahre in den USA und in Europa. Die Harvard-Universität und die Columbia boten ihm einen Lehrstuhl an, was er ablehnte. In den letzten Jahren seines Lebens zog er sich aus dem öffentlichen Leben und in die Meditation zurück. Das Werk seines kurzen, nur 39 Jahre dauernden Lebens ist allerdings enorm: Er gründete einen Mönchsorden, der heute über eintausend Mönche zählt, und hinterließ eine Organisation, die Zentren in mehreren Ländern der Welt unterhält und die Botschaft der Göttlichkeit des Menschen und der Einheit allen Lebens weiterträgt.
Leseprobe
Vorwort von Swami Atmarupananda
Als Antwort auf eine Frage, die ihm im Dezember 1894 auf einem öffentlichen Forum gestellt wurde, sagte Swami Vivekananda: Ich habe eine Botschaft an den Westen, wie Buddha eine Botschaft an den Osten hatte. Swami Vivekananda war ein profunder Kenner der Geschichte und des Buddhismus und war sich daher der Bedeutung seiner Worte voll bewusst. Buddhas Botschaft verbreitete sich über weite Teile Asiens, vom östlichen Mittelmeerraum bis nach Japan, und mit ihrer Ausbreitung ging eine goldene Periode der kulturellen Entwicklung einher.
Man muss also annehmen, dass dies entweder ein klassisches Beispiel für orientalische Übertreibung oder die Offenbarung eines tiefen Sendungsbewusstseins war. Eine nüchterne Betrachtung seines Lebens zeigt, dass es Letzteres war. Ja, er war zu Übertreibungen fähig, um Wirkung zu erzielen, aber er war sich seiner Mission und ihrer historischen Bedeutung völlig sicher und immer bewusst. Man kann an der objektiven Gültigkeit seines Sendungsbewusstseins zweifeln, aber man kann nicht bezweifeln, dass er es hatte. Die Geschichte die Zeit wird seine Gültigkeit bestätigen oder verneinen.
Angebracht sind nun zwei Fragen: Was sah er als seine Aufgabe an? Und: Ist sie für uns wichtig?
Der Swami sah, dass die vorherrschenden Paradigmen, die die Welt regierten Ost und West, Nord und Süd gleichermaßen am Ende ihrer Nützlichkeit angelangt waren. In gewisser Weise wurden sie sogar destruktiv. Eine neue Sichtweise, ja ein neues Fundament war für die künftige Zivilisation erforderlich. Denn er erkannte, dass jede Zivilisation die Manifestation einer Idee ist, ein komplexes Ganzes von miteinander verbundenen Ideen. Dieses neue Fundament muss unendliche Variationen zulassen, so vielfältig wie das Leben selbst sein und dennoch eine Vision der Harmonie inmitten dieser Variationen bieten. Sie muss so einfach sein, dass ein Kind sie verstehen kann, und doch tiefgründig genug für den höchsten Geist.
Ein Vorwort ist nicht der richtige Platz, um diese Vision auszudrücken; dieses Buch wird dem Leser seine Vision in Swamis eigenen Worten vorstellen. Aber lassen Sie uns auf den roten Faden hinweisen, der sich durch alles zieht, was der Swami lehrte.
Im Zentrum seiner Botschaft steht seine Vision von der Göttlichkeit eines jeden Wesens. Für die meisten von uns ist dies eine Idee, ein intellektueller Standpunkt, einer von vielen möglichen Standpunkten, und nicht gerade ein populärer dazu. Für ihn war es eine Erkenntnis, eine Tatsache aufgrund direkter Erfahrung, aus der sich eine Welt voller Bedeutung und Möglichkeiten ergab.
Aber, wenden wir natürlich ein, die Menschen tun so viele schreckliche Dinge, es gibt so viel Böses in der Welt. Der Swami würde niemals leugnen, dass Menschen schreckliche Dinge tun. Aber er sah, dass solche Taten nich…
