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Die politische Landkarte Asiens befand sich im 17. und 18. Jahrhundert in unruhiger, krisenhafter Bewegung. Vom Bosporus über Iran, von Nordindien und Südostasien bis nach China durchschritten die asiatischen Monarchien Phasen der staatlichen Umgestaltung und des dynastischen Niedergangs. Europäische Beobachter haben diese Revolutionen sehr genau verfolgt und beschrieben. Im Spiegel der Geschichte des "Orients" wollte Europa sich selbst besser erkennen, indem es die eigenen politischen Erfahrungen immer wieder neu mit denen der "Anderen" verglich. Auf ungewöhnlich breiter Quellenbasis rekonstruiert dieses Buch die universalhistorische Erfassung Asiens als einen geistigen Aneignungsprozess, in dem europäische Revolutionsdiskurse und asiatische Geschichtsschreibung, geschichtsphilosophische Entwicklungsmodelle und Ideologien des Kolonialismus miteinander verwoben waren.
Globalgeschichte: Herausgegeben von Sebastian Conrad, Andreas Eckert und Margrit Pernau
»A book of the magnitude and scope of Sven Trakulhun's Asiatische Revolutionen is only published every few decades. A similar work appeared precisely twenty years ago: Jürgen Osterhammel's Die Entzauberung Asiens. [] Asiatische Revolutionen is a landmark achievement ().« Felicia Gottmann, Journal of World History, 2018 »Trakulhun gives a solid account of German, French and British writings about the Asian Revolutions in the early modern period.« Alexander Drost, clio-online »Asiatische Revolutionen führt mit großer Literatur- und Quellenkenntnis durch zwei Jahrhunderte Geschichte europäischer Fremdwahrnehmungen und politischen Denkens und deckt dabei weit auseinanderliegende Teile des eurasischen Kontinents ab. [] Die klug gewählte Fokussierung auf Semantiken der Revolution erlaubt es Trakulhun, den Lesern das Ausmaß der Veränderungen europäischer Asienbilder zwischen dem17. und 19. Jahrhundert in aller Drastik vor Augen zu führen. Die Studie, die durch ein nützliches Personen- und Ortsregister ergänzt wird, ist deshalb ein willkommener Beitrag zur historischen Asienliteratur.« Nadine Amsler, Zeitschrift für Historische Forschung, 2018
Autorentext
Sven Trakulhun, PD Dr. phil., lehrt neuere und neueste Geschichte an der Universität Konstanz.
Leseprobe
Einleitung "Unser Zeitalter ist bekannt für die gewaltigen und seltsamen Revolutionen, die in ihm stattfinden. Revolten geschehen häufig im Osten wie im Westen, und gerade jene Nation, die sich entschieden vom Rest der Welt abgeschlossen hat, sieht ihre Große Mauer, die sie von seinen barbarischen Nachbarn abtrennt, niederstürzen und ihre Provinzen verwüstet". Robert Mentet de Salmonet Für Robert Mentet de Salmonet, Sekretär des Kardinals de Retz in Frankreich, war die Staatskrise des chinesischen Kaiserreichs eigentlich ein sehr fernes Geschehen. Über 8.000 Kilometer trennten ihn vom Ort der Ereignisse. Gerade darum aber war für ihn China, das 1644 einen blutigen Dynastiewechsel erlebte, besonders gut geeignet, die Präsenz einer allumfassenden Menschheitskrise zu beweisen. In seinem Buch Histoire des troubles de la Grand Bretagne schildert de Salmonet die näheren Umstände eines konkreten und überaus konfliktträchtigen Moments der englischen Geschichte. Das Parlament hatte sich gegen König Karl I. gestellt. Nach Aufständen in Schottland und Irland war das Land 1642 in einen Bürger-krieg gestürzt. Sieben Jahre später wurde der Monarch in London hinge-richtet und England zur Republik. Doch der politische Umsturz in England war nicht das einzige zeit-genössische Ereignis dieser Art. Ganz Europa wurde im 17. Jahrhundert von politischen Unruhen heimgesucht. De Salmonet schrieb im Jahr 1649, das heißt zur Zeit der Fronde in Frankreich und des ausgehenden Dreißig-jährigen Krieges in Mitteleuropa. Es gab Adelsrevolten und Volksauf-stände in Katalonien, Portugal, Neapel und noch anderen Orten Europas. Weite Teile des Kontinents hatten sich in Schlachtfelder oder Hunger-regionen verwandelt. In Geschichtsschreibung, überlieferten Selbstzeug-nissen, in Literatur und Kunst sind das Krisenbewusstsein und die Um-bruchserfahrungen der Epoche noch heute mit Händen zu greifen. Und schließlich schienen auch die Menschen in Asien eine Epoche der Krise zu durchleben. Nicht nur in China, sondern auch im Osmanischen Reich, in Persien, Indien und im heutigen Südostasien ereigneten sich zahlreiche "ge-waltige und seltsame Revolutionen", die oft noch größere Veränderungen in Staats-, Sozial- und Klassenstruktur der betroffenen Gesellschaften aus-gelöst haben als die gleichzeitigen Geschehnisse in Europa. Für de Salmonet sah es so aus, als ob die ganze Welt in Aufruhr geraten sei. Durch die Universalität der Revolutionen war die Geschichte der Mensch-heit nicht mehr länger mit der Geschichte Europas oder der christlichen Ökumene identisch. Sie musste zur Weltgeschichte werden. 1. Revolutionen: Begriffsgeschichte und politische Sprachen Revolutionen gehören zu den bemerkenswertesten Phänomenen der Geschichte, aber auch zu den am wenigsten verstandenen. Die inter-nationale Revolutionsforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt versucht, die großen politischen Umbrüche der älteren und jüngeren Geschichte vergleichend zu interpretieren und dabei auch über den Tellerrand Europas hinausgeblickt. Soziologische Erklärungsansätze führten in diesem Zusammenhang vor allem in zwei Richtungen: Einmal zu einer Art politischer Anthropologie, die historisch-gesellschaftlichen Wandel auf der Grundlage "objektiver Beziehungen und Konflikte" zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen oder Staaten erklären wollte. Worum es dabei ausdrücklich nicht gehen sollte, waren die politischen Ansichten oder Ideologien der zeitgenössischen Akteure. Ein zweiter Ansatz lenkte die Aufmerksamkeit auf Ursachen, die außer-halb der Reichweite menschlichen Handelns liegen - in der Natur, genauer gesagt in langfristigen Entwicklungen des Weltklimas und ihren Konse-quenzen für die Demographie. Der amerikanische Soziologe Jack A. Goldstone meinte, eine milde Klimaphase habe seit dem Spätmittelalter zu einem signifikanten Bevölkerungswachstum in Eurasien geführt, das durch eine sich ab etwa 1600 anschließende "kleine Eiszeit" beendet worden sei. Daraufhin sei es zu einem flächendeckenden Missverhältnis zwischen Ein-kommen und Preisen gekommen, zu Inflation, Landflucht und wachsender sozialer Rivalität. Die Revolutionen im 17. und 18. Jahrhundert waren für Goldstone darum Folgen demographischer Entwicklungen und eines naturgeschichtlichen Phänomens, die über Europa hinaus bis nach Ost-asien gewirkt und an beiden Enden des eurasischen Kontinents politische Umwälzungen in Gang gesetzt hätten. Die historische Forschung hat auf sozialwissenschaftliche Revolutions-theorien dieser Art lange Zeit zurückhaltend reagiert, weil bei ihnen die analytische Gewichtung einzelner Faktoren (wie zum Beispiel Klima und materielle Ungleichheit) nicht immer klar begründet wird. Zudem hat sich die Prognostizierbarkeit von Revolutionen dadurch nicht erkennbar erhöht. Kaum jemand in der westlichen Welt hatte zum Beispiel die großen asiatischen Revolutionen des zurückliegenden Jahrhunderts kommen se-hen, weder im Falle Chinas oder Vietnams, noch in Afghanistan oder Iran. Auch die Massenproteste im Jahr 2011 in Tunesien und die darauf fol-genden Aufstandsbewegungen in großen Teilen des arabischen Raums trafen die meisten ausländischen Beobachter völlig unvorbereitet. Und selbst dort, wo ein regime change durch gezielte militärische Intervention von außen herbeigeführt wurde, wie in den vergangenen Jahren in Afghanistan, Irak oder Libyen, haben sich die politischen Folgen der gewaltsamen Ver-änderungen als nahezu unkalkulierbar erwiesen. Genauer beschreiben lassen sich dagegen die zeitgenössischen Stra-tegien, Revolutionen zu deuten. Fragen nach den Ursachen und Zielen von Revolutionen sowie nach den Gründen für ihren je spezifischen Verlauf …