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Politik der Geschlechterverhältnisse
Von den ersten Organtransplantationen in den 1960er-Jahren über die Reproduktionstechnologien bis hin zur Stammzellforschung und der viel diskutierten Hirnforschung sind Biowissenschaften immer auch Gegenstand philosophischer Debatten. Weit über das Fach hinaus prägen sie unser Denken und Sprechen und damit auch öffentliche Auseinandersetzungen. Die Autorin geht den geschlechterpolitischen Dimensionen dieser Biophilosophien nach. Sie gibt erstmals einen kritischen Überblick über den philosophischen Diskurs zu Biowissenschaften und Biotechnologien von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.
Geschlechterverhältnisse in Biophilosophien "Lettow macht das Ineinanderwirken von Praktiken der Wissensproduktion, der Konstituierung von Wissensansprüchen und Geschlechterverhältnissen eindrucksvoll greifbar." (WeiberDiwan, 01.12.2011)
Vorwort
Politik der Geschlechterverhältnisse
Autorentext
Susanne Lettow, Dr. phil., ist Privatdozentin an der Universität Paderborn sowie Projektleiterin und Visiting Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen, Wien.
Klappentext
Von den ersten Organtransplantationen in den 1960er-Jahren über die Reproduktionstechnologien bis hin zur Stammzellforschung und der viel diskutierten Hirnforschung sind Biowissenschaften immer auch Gegenstand philosophischer Debatten. Weit über das Fach hinaus prägen sie unser Denken und Sprechen und damit auch öffentliche Auseinandersetzungen. Die Autorin geht den geschlechterpolitischen Dimensionen dieser Biophilosophien nach. Sie gibt erstmals einen kritischen Überblick über den philosophischen Diskurs zu Biowissenschaften und Biotechnologien von der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.
Leseprobe
Biowissenschaften und technologien sind seit den 1960er Jahren immer wieder Anlass philosophischer Reflexion geworden. Molekularbiologie und Genetik, seit den 1950er Jahren auf konzeptioneller Ebene eng mit der Informationstheorie verbunden, werden im philosophischen Diskurs ebenso aufgegriffen wie die technologischen und biomedizinischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts - angefangen mit den ersten Organtransplantationen in den 1960er Jahren, über die Entstehung rekombinanter DNA-Technologien und der Reproduktionstechnologien in den 1970er Jahren, bis hin zu den Versprechen der Stammzellforschung und der Konjunktur der Hirnforschung zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Es geht daher um wissenschaftliche und technologische Entwicklungen, die auf die konzeptionelle Durchdringung und praktisch-technologische Gestaltung der Mikrostrukturen von Menschen, Tieren und Pflanzen zielen. Diesen hat sich jedoch keineswegs nur die Ethik, in Form der Bioethik, zugewandt. Auch in poststrukturalistischen Positionen, in der analytischen Philosophie des Geistes und im Rahmen des Wiederauflebens der philosophischen Anthropologie, das seit einigen Jahren im deutschsprachigen Raum zu konstatieren ist, haben sich theoretische Strategien herausgebildet, die sich in unterschiedlicher Form auf den Komplex der Biowissenschaften und Biotechnologien beziehen. In diesem Buch wird daher das philosophische Feld insgesamt in den Blick genommen und daraufhin befragt, welche wirkmächtigen theoretischen Strategien sich in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet haben. Als "Biophilosophien" werden diese Strategien nicht nur aufgrund ihrer thematischen Ausrichtung bezeichnet, sondern auch, weil sie sich - mit Michel Foucault gesprochen - als Elemente einer Biopolitik erweisen, die nicht nur die staatliche Regulierung von Biowissenschaften und technologien, sondern auch die Entstehung neuer Formen der Subjektivierung und Normalisierung umfasst. Philosophische Artikulationen von biowissenschaftlichem Wissen und Biotechnologien gliedern diese nicht allein ins philosophische Feld und dessen spezifische Denk- und Sprechweisen ein. Sie bringen darüber hinaus auch kulturelle und politisch-ethische Codierungen hervor, die die gesellschaftlichen Diskurse um diese Wissenschaften und Technologien mit prägen - und damit indirekt auch diese selbst. Weit davon entfernt, "reine" Erkenntnisprojekte zu sein, sind die hier untersuchten philosophischen Interventionen und Diskurse Teil der gesellschaftlichen Politiken um Biowissenschaften und technologien. Sie berühren Fragen der Ökonomie, des Rechts, der gesellschaftlichen Naturverhältnisse ebenso wie Körper- und Bevölkerungspolitiken, die sich wiederum um so existenzielle Bereiche wie Fortpflanzung und Geburt, Gesundheit und Krankheit, Altern, Sterben und Tod herum gruppieren. Dabei stehen Entwürfe von Subjektivität und Handlungsfähigkeit individueller und kollektiver Lebensweisen ebenso auf dem Spiel wie die Formen und Möglichkeiten gesellschaftlicher Partizipation an wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen. Die hier untersuchten philosophischen Praxen und Strategien adressieren diese Fragen zum Teil direkt, zum Teil nur implizit und auf sehr unterschiedliche Art und Weise. An der kulturellen Artikulation von Biowissenschaften und technologien arbeitend, sind sie jedoch immer in Machtverhältnisse und daher auch in Geschlechterverhältnisse verstrickt. Denn alle gesellschaftlichen Verhältnisse sind auch Verhältnisse, in denen Individuen als vergeschlechtlichte agieren und vergeschlechtlicht werden. Geschlechterverhältnisse bilden keinen spezifischen gesellschaftlichen "Bereich", der sich gesondert betrachten ließe, sondern sind eine konstitutive Dimension des Sozialen. Ihre spezifische Ordnung und die Formen geschlechtlicher Subjektivität, von Männlichkeit und Weiblichkeit, sind historisch kontingent und wandelbar. Sofern philosophische Artikulationen aber in einem sozialen und kulturellen Kontext stehen beziehungsweise in diesen intervenieren, stellen sie immer auch eine Relation zu dessen geschlechterpolitischen Dimensionen her, ob dies nun intentional und explizit oder implizit beziehungsweise im Modus der Ausblendung geschieht. Daher gilt es, die philosophischen Interventionen, die sich thematisch oder konzeptionell auf Biowissenschaften und technologien beziehen, daraufhin zu befragen, wie diese Relation hergestellt wird. In diesem Zusammenhang sind die Positionen, die feministische Philosophinnen in den vergangenen Jahrzehnten formuliert haben, bedeutsam. Ein Blick auf die Disziplin zeigt jedoch, dass diese dort immer noch marginal sind. Die Analyse hat sich daher insbesondere mit jenen dominanten Positionen auseinanderzusetzen, die Geschlecht und Geschlechterverhältnisse nicht, nur am Rande oder auch im Widerstreit mit feministischen Intentionen thematisieren. Untersucht wird, worin die Spezifik der biophilosophischen Artikulationen besteht, das heißt, wie in den unterschiedlichen Strategien philosophische Kompetenz eingesetzt wird, um Geschlechterverhältnisse zu artikulieren beziehungsweise zu desartikulieren. Im Modus der Kritik und der bestimmten Negation geht es darum, strukturelle Defizite in den bisherigen philosophischen Artikulationen auszuloten, dabei jedoch zugleich auch Ansatzpunkte dafür aufzuzeigen, wie gegenwärtige philosophische und gesellschaftliche Debatten um Biowissenschaften und -technologien transformiert und erweitert werden können. Im Zentrum der Arbeit stehen Geschlechterverhältnisse, weil mit den Biowissenschaften und technologien menschliche Körper, die immer auch Geschlechtskörper sind, auf neuartige Weise praktisch verändert und kulturell artikuliert werden. Mit dem Durchlässigwerden von individuellen Körpergrenzen durch die Zirkulation menschlicher und tierischer Körperstoffe und durch technische Interventionen in körperliche Mikroprozesse stehen tradierte Vorstellungen von Körper, Sexualität, Fortpflanzung und Verwandtschaft zur Disposition. In gesellschaftlichen Strukturzusammenhängen, die durch hierarchische…
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