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Immer mehr soloselbstständige Handwerker bieten ihre Dienstleistungen auf Internetportalen an. Für ihre Teilnahme am Arbeitsmarkt zahlen sie einen hohen Preis: unsichere Lebensplanung, radikale Marktabhängigkeit und Konkurrenzdruck. Sie kommen aus dem Niedriglohnbereich nicht raus und haben keine Aussicht auf eine staatliche Altersvorsorge. Das Ideal der Selbstverwirklichung verkehrt sich in sein Gegenteil. Letztlich bringt das postfordistische Produktionsmodell, wie Philipp Lorig in seiner Studie zeigt, ein neues Tagelöhnertum hervor, das auf längst überwunden geglaubte Arbeitsformen zurückgreift.
Autorentext
Philipp Lorig ist Soziologe und hat an der Universität Trier promoviert.
Leseprobe
Einleitung "Es hängt daher auch nicht von dem Verhältnis überhaupt, sondern von der natürlichen, besondren Qualität der Dienstleistung ab, ob der Soldempfangende Taglohn erhält, oder Honorar, oder eine Ziviliste - und ob er vornehmer oder geringer erscheint, als der den Dienst zahlende. Unter der Voraussetzung des Kapitals als herrschender Macht werden allerdings alle diese Verhältnisse mehr oder minder entehrt werden. Doch dies gehört noch nicht hierher - diese Entgötterung der persönlichen Dienstleistungen, welchen erhabnen Charakter Tradition etc. ihnen immer angedichtet haben mag." (Marx 1974: S. 372) Selbstständigkeit ist wieder en vogue. Im selbstständigen Unternehmertum mit oder ohne Beschäftigte scheinen sich Kapital und Arbeit anzunähern, um einen vermeintlichen "Freundschaftspakt" in einer Person zu schließen. Ist die Selbstständigkeit für die Einen der adäquate Ausdruck einer gelungenen Integration in einen Arbeitsmarkt, der in zunehmendem Maße auf die Eigenverantwortung und die Fähigkeit zur Flexibilisierung der Beschäftigten rekurriert, ist es für die Anderen die Vorstellung einer Möglichkeit, selbstbestimmt und als "eigener Herr" ihr Autonomiebestreben mit Erwerbsarbeit vereinen zu können. Die Attraktivität der Selbstständigkeit und innerhalb des Selbstständigenfeldes, besonders die der Soloselbstständigkeit oder sogenannter Ein-Personen-Unternehmen, spiegelt sich in den Zahlen zum Anstieg soloselbstständiger Arbeitsformen wider. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes und des Mikrozensus sind mittlerweile knapp zwölf Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland selbstständig (Brenke 2013: S. 4), die Soloselbstständigen haben die Selbstständigen mit Angestellten längst überholt und stellen mittlerweile knapp 57 Prozent aller Selbstständigen (Mai/Marder-Puch 2013: S. 485). Ein genauerer Blick zeigt recht schnell, dass das Feld der Soloselbstständigkeit äußerst heterogen ist und unter dem Begriff die verschiedensten Ausprägungen soloselbstständiger Arbeit subsumiert sind. Arbeit in Vollzeit, Teilzeit, Männer- und Frauenarbeit, hohe Einkommensunterschiede und verschiedene Gründungsmotivationen zeichnen diese - in der soziologischen Forschung lange Zeit vernachlässigte - Erwerbsform aus. Sie kann allerdings über ihre konkreten Arbeitsinhalte hinaus als Seismograph für Veränderungen in der gesamten Arbeitsgesellschaft gelten. Denn es ist davon auszugehen, dass in den Anforderungen an die Arbeit von Soloselbstständigen gesellschaftlich diskursiv vermittelte Anrufungen an Unternehmertum, Selbst-Ökonomisierung und Marktgängigkeit ihren Ausdruck finden. Gerade die Gründungsmotivationen zum Schritt in die Selbstständigkeit, instruktiv durch Dieter Bögenholds Unterscheidung in eine "Ökonomie der Selbstverwirklichung" und eine "Ökonomie der Not" formuliert, gilt es vor dem Hintergrund eines aktivierenden Sozialstaats und damit verbunden insbesondere eines sich ausweitenden Niedriglohnsektors zu analysieren. Zu fragen ist folglich nach dem Spannungsfeld zwischen Autonomiebestreben und ökonomischen Abhängigkeiten der soloselbstständigen Arbeitssubjekte, nach den zu internalisierenden Regeln des Spiels innerhalb einer Arbeitswelt, die sich Stück für Stück zu einem "System permanenter Bewährung" (Boes/Bultemeier 2008) transformiert. Dies setzt voraus, das prekäre Potenzial dieser spezifischen Arbeitsform vor dem Hintergrund allgemein gesellschaftlicher Prekarisierungsprozesse herauszuarbeiten. Auch wenn das Feld der Dienstleistungsarbeit, in dem ein Großteil der soloselbstständigen Arbeit seinen Platz hat, keine Terra Incognita der Arbeitssoziologie mehr ist - dies zeigt die spezifische Forschung der letzten Dekaden - gibt es weiterhin blinde Flecken. Denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der Blickwinkel der Forschung zumeist auf soloselbstständige Arbeit in der Kreativwirtschaft, auf IT-Dienstleistungen oder hochqualifizierte personale Dienstleistungen fokussiert ist. Vernachlässigt wurde das Feld "traditionaler" Berufe, vor allem der Handwerks-Dienstleistungen. Doch gerade in diesem Bereich ist davon auszugehen, dass aufgrund hoher Konkurrenz und starkem Preiskampf das Prekaritätsrisiko höher ist als in anderen Bereichen des Niedriglohnsektors und weit in den Lebensalltag der soloselbstständigen Handwerker hineinragt. Stehen sich im Betrieb Kapital und Arbeit gegenüber, sind es in diesem zu erforschenden Feld unmittelbar der Markt in der Person des Kunden und ihm gegenüber die Soloselbstständigen, ohne die betriebliche Organisation im Rücken. Zu fragen ist, wie sich diese besondere Form des Verkaufs der Ware Arbeitskraft im direkten Kundenkontakt auf die Soloselbstständigen auswirkt, ob Autonomiegewinne oder radikale Marktabhängigkeit und die damit verknüpfte Kundenorientierung den Arbeits- und Lebensalltag bestimmen. Daran schließt sich die Frage an, wie sich Subjektivierung von Arbeit und neue Formen der Selbstrationalisierung und Kontrolle in der Arbeit der Soloselbstständigen in besonderer Weise widerspiegeln, ob sich Charakteristika dieser Arbeitsform finden lassen, die sich von anderen Formen subjektivierter Arbeit unterscheiden. Diese wachsende Gruppe innerhalb des Niedriglohnsektors, die im Zuge dieser Arbeit explorativ erforscht werden soll, nutzt immer häufiger das Internet auf speziellen Plattformen zur Auftragsakquise und zur Angebotsdarstellung der eigenen Arbeitskraft. Der Marktführer für handwerkliche Dienstleistungen in Deutschland ist das Portal MyHammer.de. Neben einer Vorstellung der Abläufe auf diesem Internetportal gilt es demnach auch zu explizieren, welche Besonderheiten der Arbeitskraftverkauf bzw. die Arbeitskraftvermittlung über das Medium einer solchen Plattform aufzeigt, nach welchen Kriterien Aufträge auf Werkvertragsbasis hier vergeben werden und vor allem, welchen Kontrolleinfluss das System der Kundenbewertungen zum einen auf das Verhältnis zwischen Kunden und Soloselbstständigen, zum anderen auf den Arbeitsprozess hat. Denn es ist davon auszugehen, dass durch die Bündelung der Kundenbewertungen die Soloselbstständigen unter starkem Druck einer öffentlich sichtbaren Kontrolle stehen, der sich in Machtasymmetrien in der Beziehung zum Kunden und einer erhöhten Selbstkontrolle im Arbeitsprozess äußert. Hintergrund dieser Arbeit ist somit die folgende Forschungsfrage: In welcher Form bestimmt das Spannungsfeld von selbstständigem Unternehmertum, radikaler Marktabhängigkeit, Rekommodifizierung der Ware Arbeitskraft und existenzsichernder Erwerbsarbeit, vermittelt über den Kundenkontakt auf MyHammer.de, den Lebensalltag der Beschäftigten auch über den Erwerbszusammenhang hinaus? Wie ist die subjektive Wahrnehmung der Lebenslage und welche Bewältigungsstrategien eröffnen sich für die Beschäftigten? Um diese Forschungsfrage hinreichend beantworten zu können bedarf es einiger "Umwege", die gegangen werden müssen, wollen die Ursprünge des Gegebenen erklärt und das spezifische Forschungsfeld verstanden werden. Zugrunde liegt der Herangehensweise die Überzeugung, dass die Mechanismen konkreter gesellschaftlicher Erscheinungen nicht unabhängig von den Bewegungsgesetzen der übergeordneten Strukturen zu betrachten sind. Demnach ist …
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