

Beschreibung
Traumläufe offenbaren im Schlaf teils merkwürdig reale, teils phantastische Bilder, die nach Sigmund Freud einen Königsweg zum Unbewussten eröffnen und uns durch berührendes filmisches Geschehen in seelische und körperliche Erregungszustände versetzen. In bild...Traumläufe offenbaren im Schlaf teils merkwürdig reale, teils phantastische Bilder, die nach Sigmund Freud einen Königsweg zum Unbewussten eröffnen und uns durch berührendes filmisches Geschehen in seelische und körperliche Erregungszustände versetzen. In bildlich verdichteten Miniaturen erweitern sie die innere Biografie überpersönlich und reflektieren Zeitläufte: "Bemerkenswert, wie in den Inhalt der Träume die politische Wende Eingang gefunden hat" (Christa Wolf an Peter Arlt, 1995). Selbstbehauptung und Abwehrkämpfe, zwei Lieben im Zentrum des Wie-Weiter, sind in konfliktgeschüttelten Handlungen lose aneinander gekettet zu einem Lebensroman in Träumen.
Autorentext
Dr. phil. habil. Peter Arlt, geb. 1943 in Halle (Saale), emeritierter Professor für Kunstgeschichte-Kunsttheorie der Universität Erfurt, dort und zuvor an der PH Erfurt von 1974 bis 2009 tätig. Promotion zum Verhältnis von Wort- und Bildzeichensprache, Habilitation zur Antikerezeption in der bildenden Kunst der DDR. Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e. V. seit 2000, Mitglied im Verband Bildender Künstler seit 1982. Kurator und Katalogautor für Ausstellungen zur Mythosrezeption, wie "Urteil des Paris", Gotha 1986, "Mythos und Figur", Gotha 2001, "Daphne. Mythos und Metamorphose", Bremen 2009, "Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR", Weimar 2012/2013. Dazu das Kunstbuch "Die Flucht des Sisyphos. Griechischer Mythos und Kunst - Eine europäische Bildtradition, ihre Aktualität in der DDR und heute", Kunstverlag Gotha 2008. Autor von Künstlermonografien über Otto Knöpfer, Fritz Keller, Curt Ehrhardt, Ronald Paris, Heinz Scharr und Ulrich Barnickel. Desweiteren als Lyriker und Schriftsteller Gedichte in der Neuen Deutschen Literatur, in Anthologien; Gesänge und Rezitationen "Sisyphos und der Stein immerwährender Mühe", 1978, vertont von Antonius Streichardt und aufgeführt 1979; "Brief um einen Brief. Jugendgedichte", 2003; "Der Hirt und die drei schönen Göttinnen", Kinderbuchverlag Berlin 1982 ff; Erzählung "Mein Maler ist ein Kauz. Der junge Maler Karl Stauffer-Bern in der Guten Schmiede beim 70-jährigen Gustav Freytag", Eigenverlag, Gotha 2017. Traumläufe im Irrgang. Ein Lebensroman in Träumen - Traumaufzeichnungen aus fünf Jahrzehnten, EDITION digital, Pinnow 2017.
Leseprobe
366 Ein Wissenschaftler aus dem Bekanntenkreis sagt ruhig und fest: Ich glaube schon, dass es später in der Geschichte eine Erinnerung an den Arbeiter-und-Bauern-Staat DDR geben und dieser nicht vergessen sein wird. In das teilweise widersprechende Grummeln der Gesprächsrunde hinein behaupte ich akzentuiert: Und die DDR wird als Licht hervorleuchten und nicht als Höllenschlund drohen! Träume weiter, entgegnet mir eine Frau. Das erregt meinen Zorn. 10.12.2011 367 Auf dem weichen Grund eines Wattes der Nordsee mit einer Gruppe stehend, beobachte ich mit Entsetzen, dass sich nicht vom offenen Meer, sondern vom Strand, wo wir doch hinmüssen, unaufhörlich die Flut nähert und steigt. Das Absurde der Situation, durch die vom Land ausgehende Flut vom rettenden Ufer abgeschnitten zu sein, bleibt mir unbegreiflich. 20.01.2012 368 Ein Schriftsteller steht auf einer Art Bühne vor einer Landkarte Europas und soll diese entsprechend der geschichtlichen Ereignisse rot einfärben. Zur Zeitbestimmung werden Geräusche eingespielt, welche die wechselnden historischen Verläufe, darunter auch Krieg, anklingen lassen sollen. Es regnet mit schmutzig rotem Aprilwetter gegen die Karte. 26.01.2012 a 369 Nicht in einer Malerei, sondern als Installation demonstriert ein Maler vor einer großen, an die Wand gelehnten Leinwand, mit kleinen verpackten Farbquadern, wie winzig sie sich vor der Malfläche ausnehmen. Vor diese und an sie angelehnt, setzt er mehrere Farbquader übereinander und obenauf einen in Farbe und Form besonderen. Wie probehalber legt er den Farbquader mal mit seiner flachen Seite, mal hochkant auf sie und nennt es: die Farbe des Ikarus. 26.01.2012 b 370 In Moskau hat man eine junge Russin auf dem Kieker, und wegen ihrer politischen und liebesgewerblichen Betätigung in einer Kartei erfasst. Als Signal, dass sie sich bei der Polizei melden muss, erscheint an der Giebelwand einer riesigen Wohnscheibe ihr darauf projiziertes Foto. Sogleich steigt die blonde Frau aus ihrem knallroten Auto, das wie an einem Taxistand oder dem Sammelplatz von Prostituierten geparkt steht, und macht sich auf den Weg, sich zu melden. 20.03.2012 a 371 Meinem Freund, dem Maler Peter Hoppe, wurde das Recht zugesprochen, unkompliziert Bilder zu verkaufen. Für mich überraschend, darf er über zahlreiche große Räume verfügen. Worin sein Privileg im einzelnen besteht, verstehe ich nicht und versuche deshalb mit Nachfragen zu ergründen. Merkwürdig wird die Verkaufsform von ihm mit dem Terminus Anschaffen bezeichnet. Ich sehe mich um und finde in einem geschlossenen Regal mehrere handgroße Plastiken, die ich herausnehme, betrachte und wieder zurückstelle. Peter kommt zu mir, legt seinen linken Arm um meine Schulter und spricht leise: Ich bin doch Alkoholiker. 20.03.2012 b 372 Sage das dem Kind, spricht ein alter Mann, dass nur noch wenige Gramm von diesem Bienenhonig da sind, der in einem Pamir-Kloster gewonnen wurde. Dort haben sie Bienen, deren Larven über ein ganzes Jahr heranwachsen zu einer besonders großen und starken Art, die sehr hoch in die Berge zu seltenen Blüten fliegen kann und nur von diesen Gebirgsblumen den Nektar holt. Daraus schleudern die Mönche diesen reinen, kostbar-köstlichen Honig. 21.03.2012 373 Im Verlaufe des Tages gehe ich zu unserem Schlafzimmer, weil ich Tina darin vermute, und öffne die Tür. Da schlägt mir eine unheimliche Wärme entgegen. Die Betten sind weit aufgedeckt. Tina ist nicht zu sehen, aber ihre überdeutliche Botschaft, wieder miteinander zu schlafen. 23.03.2012 374 An dem Nebentisch in der Mensa nehmen mit Schwung und in aufgeräumter Stimmung Barack Obama mit seiner Frau Platz, während ihr Begleiter, den ich kenne, stehenbleibt und sich meinem Tisch zuwendet. Ich erhebe mich, wie auch der Kollege, mit dem ich zusammensitze, und trete an ihn heran, um ihn zu begrüßen. Zur Erklärung wendet der Bekannte sich an Obama und stellt uns vor: Teachers. Mit dem Ruf Teachers! springt Obama sogleich begeistert auf, als seien wir Nobelpreisträger, und streckt mir lächelnd seine Rechte zu einem festen Händedruck entgegen. Danach begrüßt er meinen Kollegen, während ich seiner Frau die Hand gebe und mich danach, etwas freudig brummelnd, hinter Obamas Begleiter verziehe, weil mir außerordentlich peinlich ist, kein Gespräch auf Englisch führen zu können. 28.03.2012 375 In das Bild Wolfgang Mattheuers Hinter den sieben Bergen blicke ich wie in bildgewordene räumliche Wirklichkeit, wiedererkennbar und verändert. Dort laufen Erwachsene im T-Shirt, auf denen große FDJ- und SED-Initialen angebracht worden sind als Merkmale distanzierender, aber auch identifizierender Kennzeichnung. Dann sehe ich eine Faust mit einer Fackel in der Hand, denke an die URANIA, doch bemerke die Skulptur eines gewaltigen weißen Frauenleibes, an anderer Stelle einen Riesenkopf mit Strahlenkranz. In der landschaftlichen Gegend liegt die Freiheitsstatue, wie in einem sadistischen Akt in Einzelheiten verteilt, oder wie ein Sehnsuchtsmotiv. 19.07.2012 376 An meinem rechten Oberschenkel zeigt sich eine kleine Rundung wie ein Mitesser. Immer größer werdend, stößt aus der Haut ein roter Wurm von Fingerlänge hervor und verlässt den Oberschenkel, der sich hinter seinem Austritt wieder schließt, ähnlich einem Stuhlgang. Krankheit in mir, denke ich, die mich verlässt? 09.12.2013 377 (Bei einem Walzer von Antonín Dvoák, der leise aus dem Radio klingt, das ich wachwerdend vor diesem Traum schon angestellt hatte, huscht diese Traumszene vor meine Augen:) Tina, rotgekleidet, bewegt sich tänzerisch zur Melodie und ihren Takten. Wie sie dabei die Arme…
