

Beschreibung
"Da wir ohne Strom leben müssen, fühlen wir uns ab 19.00 Uhr wie in einem Grab." Joseph Honnon, Adido, Benin. Pascal Maitre, eine der besten Fotografen unserer Zeit, und Jean-Marc Gonin, erfahrener Auslandsreporter beim Figaro Magazin, haben gemeinsa..."Da wir ohne Strom leben müssen, fühlen wir uns ab 19.00 Uhr wie in einem Grab." Joseph Honnon, Adido, Benin. Pascal Maitre, eine der besten Fotografen unserer Zeit, und Jean-Marc Gonin, erfahrener Auslandsreporter beim Figaro Magazin, haben gemeinsam das Leben von Hunderten von Millionen Afrikanern ohne jeden Zugang zu Elektrizität dokumentiert: 70 % der Bevölkerung Subsahara-Afrikas haben keinen Zugang zu Elektrizität, 620 000 000 Afrikaner leben ohne Strom. "Afrika wird nicht länger die Welt mit seinen Ressourcen erleuchten können, während es selbst im Dunkeln bleibt." Macky Sall, Président Sénégal UNO, 20/09/2016, New York
Autorentext
PASCAL MAITRE begann seine Karriere als Fotojournalist 1979 in Paris. Heute zählt er zu den besten Fotografen der Welt und arbeitet für renommierte Magazine wie GEO, National Geographic, Le Figaro oder Paris Match. Seine Fotografien wurden in zahlreichen Ausstellungen rund um den Globus gezeigt, unter anderem achtmal beim Fotofestival Visa pour l'Image. Pascal Maitre hat in über 40 Ländern Afrikas Reportagen fotografiert und sich dabei mit den wesentlichen Themen dieses unerschöpflichen Kontinents beschäftigt: mit den Völkern und ihrer Lebensart, mit Politik, Konflikten und Traditionen. Maitres persönliche Best-of-Auswahl erschien 2012 unter dem Titel Amazing Africa in der Edition Lammerhuber, 2017 das Buch BAOBAB. JEAN-MARC GONIN ist Auslandskorrespondent für Le Figaro Magazine, wo er früher als stellvertretender Chefrdeakteur tätig war. Er hat Bücher über den Krieg in Jugoslawien und den Fall der Berliner Mauer geschrieben und zahlreiche Reportagen auf allen Kontinenten verfasst. Mit Pascal Maitre hat er aus Kongo, Nigeria, Benin, Tschad, Niger, Mali, Kenya und Somalia berichtet.
Leseprobe
Leben in Finsternis Von Jean-Marc Gonin In Benin braucht man nur wenige Kilometer zurückzulegen, um vom Licht in die Finsternis zu gelangen. Das Dorf Fanto mit seinen 665 Bewohnern liegt nur zehn Minuten Fahrt von der Nationalstraße 2 entfernt, die Cotonou mit dem Norden des Landes verbindet. In diesen zehn Minuten reist man mehrere Jahrzehnte in die Vergangenheit, von der asphaltierten Straße mit der parallel verlaufenden Stromleitung bis ins Buschland mit seinen Feldern, auf denen Maniok, Mais und Zuckerrohr angebaut werden. Über eine Reihe von Masten, die mitten in den Ackerfurchen stehen, führt ein Kabel zu einer hell erleuchteten katholischen Kirche, in der die Gläubigen der Abendmesse beiwohnen. Hinter dem Gotteshaus: nur noch Dunkel. Die mit Schlaglöchern und Fahrrillen übersäte Sandpiste ist im Licht der Scheinwerfer nur schwer zu erkennen. Sie mündet in einen Platz, auf dem vereinzelte Bäume stehen. Die Verkaufsstände des abendlichen Marktes werden von etwa einem Dutzend Petroleumlampen erhellt. Ihr flackerndes Licht erleuchtet das Gesicht einer Köchin, die in einem Topf aus Metall einen dampfenden Brei zubereitet. Neben ihr bietet eine alte Frau auf einem Brett ein wenig Obst und Gemüse zum Verkauf. "Seit dreizehn Jahren warten wir nun schon auf Strom", ereifert sich der 57-jährige Houegagbo Ahossivou. "2004 hat man uns die Anbindung ans Netz versprochen." Wenn um 18 Uhr die Sonne untergeht, müssen die Handwerker mit der Arbeit aufhören. Dann wird es auch gefährlich, sich draußen zu bewegen. Banditen springen aus dem Gebüsch am Straßenrand hervor und entreißen den Motorradfahrern ihre Maschinen. "In unserem Haus haben wir kein Licht und auch keinen Kühlschrank", so Ahossivou. "Wir können nicht einmal Milch für die Kinder aufbewahren, und um Nahrungsmittel zu konservieren, müssen wir sie in der Sonne trocknen." Letztes Jahr sind zwei Dorfbewohner gestorben. Weil es in der örtlichen Krankenstation keinen Strom gab, mussten sie ins nächstgelegene Krankenhaus nach Zinvié gebracht werden. Die fünfundvierzigminütige Fahrt haben sie nicht überlebt. Auch die Familie Honnon träumt von der heilsbringenden Elektrizität. In dem Weiler Adido, anderthalb Stunden nördlich der Hauptstadt Porto-Novo, sehnt sich der 52-jährige Joseph nach einem etwas besseren Leben. Wenn er seine mit Stroh gedeckte Lehmhütte an das Stromnetz anschließen könnte, würde er als erstes eine Tiefkühltruhe kaufen. "Dann könnte meine Frau vor dem Haus ein kleines Geschäft einrichten und gekühltes Wasser und tiefgefrorenen Fisch verkaufen." Seine Frau Anagogan fügt hinzu, dass sie dann nicht mehr von Markt zu Markt ziehen müsste, um dort die Palmölseife anzubieten, die sie in ihrem Hof herstellt. Und mit dem Strom käme auch das Fernsehen, dieses Fenster zur entfernten Stadt und zur großen weiten Welt, das es ermöglicht, dem Buschland und dem kargen Leben dort zu entfliehen."Wer fleißig ist, braucht bei uns kein schlechtes Leben zu führen", sagt Joseph Honnon. Dieser Zweckoptimismus kann allerdings kaum die Mühen verbergen, die es bedeutet, eine Familie mit vier Kindern zwischen achtzehn Monaten und neun Jahren zu ernähren. Während Anagogan mit Taschen voller Seife von Dorf zu Dorf zieht, verdingt Joseph sich tageweise als Fahrer von Kleintransportern. Wenn er nach Hause kommt, geht er sofort auf die Felder, wo er Mais, Maniok und etwas Gemüse für den Familienkochtopf anbaut. Dieses Leben ist nicht wirklich schlecht, aber Joseph will, dass sich für seine Kinder etwas ändert. Jeden Abend vor dem Essen wiederholen der neunjährige Rogatien und die siebenjährige Eveline, die beide die Grundschule besuchen, was sie tagsüber gelernt haben. Ihr Vater steht vor einer alten Wandtafel, die an der Decke befestigt ist, und deutet wie ein Lehrer aus vergangenen Zeiten im flackernden Licht einer Lampe mit einem langen Zeigestab Zeile für Zeile auf die mit Kreide angeschriebenen Multiplikationstabelle
