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Historische Politikforschung
Ausgehend von der öffentlichen Kontroverse um die »religiöse Wende« Max Horkheimers, einer der bekanntesten Bezugsgrößen der Studentenbewegung, zeigt Pascal Eitler, dass Religion und Kirche auch um 1968 für die politische Kommunikation und die Gesellschaft der BRD von großer Bedeutung waren und einen Prozess der Politisierung durchliefen. Von einem vielfach behaupteten Durchbruch der Säkularisierung kann daher keine Rede sein.
Vorwort
Historische Politikforschung
Autorentext
Pascal Eitler, Dr. phil., ist Historiker mit Forschungsschwerpunkten in der Körpergeschichte, der Religionsgeschichte, der Politikgeschichte, der Tiergeschichte und der Zeitgeschichte des Selbst.
Klappentext
Ausgehend von der öffentlichen Kontroverse um die »religiöse Wende« Max Horkheimers, einer der bekanntesten Bezugsgrößen der Studentenbewegung, zeigt Pascal Eitler, dass Religion und Kirche auch um 1968 für die politische Kommunikation und die Gesellschaft der BRD von großer Bedeutung waren und einen Prozess der Politisierung durchliefen. Von einem vielfach behaupteten Durchbruch der Säkularisierung kann daher keine Rede sein.
Leseprobe
Einleitung Ein Gespenst geht um - das Gespenst der Religion. Als Chimäre, als politisierte Religion, sucht es nicht nur die Politik, sondern auch die Massenmedien und Sozial- beziehungsweise Kulturwissenschaften heim. Hier wie dort verbreitet es Angst und Schrecken. Das Verhältnis von Politik und Religion gilt spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 als ein verhängnisvolles. Nicht allein in Form eines "fanatischen Islamismus", auch in Gestalt eines "christlichen Fundamentalismus" erscheint die Politisierung der Religion zahlreichen Beobachtern wenn nicht als außerordentlich gefährlich, so doch jedenfalls als ungeheuer bedenklich. Vollkommen unklar bleibt dabei jedoch in aller Regel: Was bedeutet an dieser Stelle "Politik"? Was bedeutet an dieser Stelle "Religion"? Zu selbstverständlich scheint die Unterscheidung zwischen Politik und Religion, um diese Begriffe noch definieren oder diese Unterscheidung noch legitimieren zu müssen. Die aktuelle Debatte um das Verhältnis von Politik und Religion steht in dieser Hinsicht nach wie vor implizit oder explizit im Schatten der Säkularisierungsthese. Obgleich diese für das 19. Jahrhundert inzwischen gründlich erschüttert wurde, trägt sie im Fall des 20. Jahrhunderts und mit Blick auf die Gegenwart noch immer munter Früchte. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund gewinnt die aktuelle Debatte ihre erstaunliche Brisanz. Das Verhältnis zwischen Politik und Religion war lange Zeit kein Thema, weder für die Politik noch für die Massenmedien oder die Sozial- und Kulturwissenschaften. Die Religion die christliche Religion hatte, so schien es, ihre gesellschaftliche und insbesondere ihre politische Prägekraft weitgehend verloren und es sah ganz danach aus, als wenn sie diese Kraft zumindest vorerst nicht zurückgewinnen würde. Sie war, so die herrschende Meinung, allmählich und verstärkt seit Ende der sechziger Jahre zu einer Privatangelegenheit und - nach einer Formulierung von Thomas Luckmann - "unsichtbar" geworden. Mit einem Schlag, mit einem Anschlag, scheint die Religion nunmehr auf die Tagesordnung zurückzudrängen. Allerorten ist von einer "Rückkehr der Religion" oder einer "Wiederkehr der Götter" die Rede und schon wird die begrüßte oder beklagte "Götterdämmerung" als sogenannter "Megatrend" beschrieben. Die Politisierung der Religion wird dabei in aller Regel als ein zwar nicht prinzipiell, aber konjunkturell neuartiges Phänomen dargestellt als ein Ergebnis und Ereignis der letzten zehn bis fünfzehn Jahre. a) Die Fragestellung: Politikgeschichte als Religionsgeschichte? Die vorliegende Arbeit zielt weder auf eine Analyse dieser aktuellen Debatte noch beschäftigt sie sich mit einem Thema, das üblicherweise unter dem Stichwort der "politischen Religion" verhandelt wird. Wenn im Folgenden demgegenüber von einer Politisierung der Religion und dementsprechend von einer politisierten Religion die Rede ist, geht es allerdings ebenso wenig um ein Problem, das den doch angeblich säkularisierten "Westen" gewissermaßen von "außen" und erst seit wenigen Jahren tangiere, wie Heiner Bielefeldt und Wilhelm Heitmeyer suggerieren. Ich betrachte die Politisierung der Religion demgegenüber als ein Phänomen, das den "Westen" so man an diesem fragwürdigen Etikett festhalten möchte gleichsam von "innen" und bereits seit über vier Jahrzehnten betrifft. Es geht dabei, wie sich zeigen wird, weder um "Ersatzreligionen" noch um den "religiösen Gebrauch der Politik" beziehungsweise den "politischen Gebrauch der Religion". So lässt sich im Fall der Bundesrepublik Deutschland insbesondere mit Blick auf das Jahrzehnt zwischen Mitte der sechziger und Mitte der siebziger Jahre ein Prozess rekonstruieren, innerhalb dessen Religion christliche Religion auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Folgen ebenso hartnäckig wie vielfältig politisiert wurde. Zeitgenössisch wurde diese Politisierung der Religion zumeist unter dem Begriff der Politischen Theologie subsumiert weniger häufig war stattdessen oder ergänzend von einer Kritischen Theologie, einer Theologie der Hoffnung oder einer Theologie der Befreiung die Rede. In den sechziger und siebziger Jahren verwies dieser Begriff nicht allein auf eine insgesamt recht überschaubare Ansammlung von Politischen Theologen vielmehr umschrieb er eine gesellschaftliche Auseinandersetzung um katholische und evangelische Reformbestrebungen beziehungsweise die soziale Relevanz der Theologie, die denkbaren Aufgaben der Kirche und das Verhältnis von Politik und Religion um 1968. Im Rahmen dieser öffentlichen Debatte um die Politisierung der Religion, der Kirche und der Theologie, so die These, wurde eine ganze Reihe von überaus klassischen und scheinbar konstitutiven Unterscheidungen zwischen Politik und Religion "Welt" und "Kirche" oder "Handeln" und "Glauben" teilweise beziehungsweise mittelfristig verabschiedet, delegitimiert oder relativiert. Die Politische Theologie offerierte und etablierte in dieser Hinsicht und mit Verweis auf den sogenannten "Dialog zwischen Christentum und Marxismus" einen neuartigen Bezugsrahmen, innerhalb dessen die ehedem verhältnismäßig eindeutige Grenze zwischen Politik und Religion massiv an Homogenität und Stabilität verlor. Zwar war diese Grenze auch zuvor nicht vollkommen unumstritten, zudem besaß dieser Politisierungsprozess eine vielschichtige Vorgeschichte - doch lässt sich weder die interne Dynamik noch die historische Relevanz dieses Politisierungsprozesses mit vorangegangenen Entwicklungen umstandslos vergleichen. Die vorliegende Arbeit versucht zu zeigen, dass eine im Sinne der Säkularisierungsthese eindeutige Unterscheidung zwischen Politik und Religion in diesem Zusammenhang und in diesem Zeitraum keineswegs selbstverständlich war. Der sogenannte "Dialog zwischen Christentum und Marxismus" wurde nicht nur in der Bundesrepublik geführt, sondern in weiten Teilen Nord- und Südamerikas sowie West- und Osteuropas, in Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, der Schweiz und Großbritannien ebenso wie in Polen, Ungarn, Jugoslawien und der CSSR in dieser Hinsicht gilt es für die sechziger und siebziger Jahre einschneidende Veränderungen zu verzeichnen. Die Politisierung der Religion war ein transnationaler Transformationsprozess des religiösen Raumes. "Gott" war nicht einfach "tot", wie das gros der Zeitgeschichtsschreibung im Schatten der Säkularisierungsthese nach wie vor behauptet. Niemand verlieh diesem Umstand um 1968 so ein- und gleichzeitig vieldeutig Ausdru…