

Beschreibung
'Die Evangelien können im Lichte der alchimistischen Wissenschaft verstanden und interpretiert werden. Dem Anschein nach berichten sie nur vom Leben eines Mannes namens Jesus, der vor zweitausend Jahren in Palästina geboren wurde; doch in Wirklichkeit beschrei...'Die Evangelien können im Lichte der alchimistischen Wissenschaft verstanden und interpretiert werden. Dem Anschein nach berichten sie nur vom Leben eines Mannes namens Jesus, der vor zweitausend Jahren in Palästina geboren wurde; doch in Wirklichkeit beschreiben sie auch alchimistische Vorgänge, quer durch die verschiedenen Abschnitte seines Lebens, von seiner Geburt bis hin zu seinem Tod und seiner Auferstehung. Trotz aller Verurteilungen durch die Geistlichkeit hat die Alchimie seit dem Mittelalter die christliche Mystik und Esoterik zutiefst durchdrungen. Und wenn man manche Figuren an der Außenseite wie auch im Inneren von Notre-Dame de Paris oder Notre-Dame de Chartres genau betrachtet, so entdeckt man, dass die Erbauer der Kathedralen Kenntnisse der Alchimie besaßen, wovon die Architektur und Bildhauerei vielfach Zeugnis ablegen.' Omraam Mikhaël Aïvanhov
Leseprobe
Kapitel 1: Über die Deutung der Schriften Teil 1: »Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig« Wenn ich euch über einen wichtigen Punkt des spirituellen Lebens aufklären soll, stütze ich mich, wie ihr bemerkt habt, sehr oft auf die Bibel und vor allem auf die Evangelien. Doch wenn ich das tue, bin ich mir sehr wohl bewusst, dass manche denken: »Warum misst er wohl dem, was in den Evangelien steht, eine derartige Bedeutung bei? Es wurde schon so oft nachgewiesen, dass sie zusammengebastelt, verfälscht und entstellt wurden, und dass sie sogar Widersprüche beinhalten! Wie kommt es, dass er immer noch diese Texte seiner Lehre zu Grunde legt?« So zu denken beweist, dass man mich nicht richtig verstanden hat. Ich messe dem Wortlaut der Evangelien keinen absoluten Wert bei, aber sie dienen mir als Ausgangspunkt, um die ewigen Wahrheiten zu finden, die Jesus lehrte. Ich erkläre euch das mit einem Bild. Der Sternenhimmel ist eines der größten Wunder der Natur. Doch es gibt verschiedene Weisen, die Sterne zu betrachten. Man kann eine Himmelskarte nehmen und ein Buch über Astronomie, das detailliert darlegt, was man alles über die Himmelskörper und Planeten weiß: ihren Namen, die Entfernungen, die zwischen ihnen liegen, die verschiedenen Stoffe, aus denen sie zusammengesetzt sind, wie sie entstehen, leben und vergehen, welchen physikalischen Gesetzen das Sonnensystem gehorcht usw. Dies ist gewiss sehr nützlich und sehr interessant für unser Verständnis des Universums, doch was bringt all dies unserer Seele und unserem Geist? Ich habe Astronomiebücher gelesen, ich habe Astronomen zugehört, die ihre Forschungsarbeiten vorstellten, und oft war ich sehr beeindruckt. Doch welch ein Unterschied zu den Erlebnissen, die ich hatte, als ich den Sternenhimmel in der einzigen Absicht betrachtete, mit dieser Unermesslichkeit zu verschmelzen! Der Friede, der mich nach und nach überkam, erhob mich; ich hatte nur noch den Wunsch, mich von der Erde loszureißen, mich sehr weit in den Raum zu begeben, um in Verbindung mit den spirituellen Wesenheiten zu treten, deren physische Erscheinungsformen die Himmelskörper sind. In diesen Regionen, in die ich mich versetzt fand, fühlte ich, dass nichts wichtiger war, als mich mit dem kosmischen Geist zu vereinigen, mich von ihm durchdringen zu lassen, um zum wahren Verständnis der Dinge zu kommen, zu einem Verständnis, das alle meine Zellen durchflutete.1 Angesichts der Unermesslichkeit und der Herrlichkeit des Himmels fühlen wir uns zuweilen verloren. Doch das Ziel ist nicht, sich in der Kontemplation des Himmels zu verlieren, man muss darüber hinausgehen. Denn der Sternenhimmel ist auch ein Buch, ein Buch, das sich nicht ausschließlich an unseren Verstand wendet. Das Wissen, das er uns vermittelt, prägt sich uns ein und kann unser Leben verwandeln. Wir lassen auf uns ein Licht einwirken, das unsere Verstandeskräfte übersteigt, und dieses Licht bestimmt die Ausrichtung unserer Gedanken, Gefühle und Handlungen dies ist das wahre Wissen. Die Astronomen beobachten den nächtlichen Himmel, doch die meisten von ihnen beschränken sich auf seine materielle Wirklichkeit. Sie wissen nicht, dass intelligente Wesenheiten diese Himmelskörper bevölkern und an ihnen arbeiten; alles wird in mechanischen Gesetzen zusammengefasst. Bei solchen Untersuchungen gewinnen auch ihre Seele und ihr Geist nicht viel. Sie gleichen den Alpinisten, die einen Gipfel einzig mit dem Ziel erklimmen, sportliche Höchstleistungen zu erbringen, die Beschaffenheit der Felsen zu studieren oder die Veränderungen in der Atmosphäre. Sie vergessen dabei, den Berg zu betrachten und mit seiner Schönheit, seiner Reinheit und seiner Kraft in Verbindung zu treten. Die Betrachtung des Sternenhimmels sollte, genauso wie die Besteigung eines Gipfels, den Menschen die Lösung aller Probleme bringen, denn sie öffnet ihnen die Türen zu ihrem inneren Himmel. Wer es sich zur Gewohnheit macht, die Sterne mit Liebe zu betrachten, wer über die kosmische Harmonie meditiert, über diese Lichter, die von so weit her aus Raum und Zeit kommen, durcheilt mit seinen Gedanken die spirituellen Regionen, die sich auch in ihm selbst befinden. Ihr müsst nun wissen, dass ich in dieser Weise die Heiligen Schriften und insbesondere die Bibel lese, so als ob ich mich einem Himmel näherte, dessen Gestirne mein ganzes Leben erhellen und durchdringen. Die Bibel spielte eine außerordentliche Rolle in der Prägung des menschlichen Geistes. Sie wurde wieder und wieder gelesen, sie wurde in alle Sprachen der Welt übersetzt; man sagt sogar, dass sie das Buch ist, von dem die größte Anzahl Exemplare gedruckt wurde. Viele von denen, die sie besitzen, lesen sie nicht oder nur sehr selten, doch sie bewahren sie wie eine Art Talisman auf; und viele von denen, die sie lesen, gestehen, dass sie diese Texte nicht wirklich richtig verstehen und sich manchmal entmutigt fühlen. Jahrhunderte lang haben die Christen die Bibel gelesen, einfach so, ohne sich Fragen zu stellen. In manchen Häusern gab es keine anderen Bücher. In der Bibel lernten sogar viele das Lesen, und sie machten sie zu ihrer täglichen Nahrung. Doch jetzt scheint dieser Text der zeitgenössischen Mentalität immer fremder zu werden. Wie viele Menschen ob Katholiken, Protestanten oder orthodoxe Christen sagten mir im Vertrauen, dass ihnen die Lektüre trotz ihrer Bemühungen wenig bringt. Nun, was verstanden denn die Leser vergangener Epochen, was die Männer und Frauen der heutigen Zeit nicht mehr verstehen? Manche sagen, man verstehe die Bibel, indem man sie immer wieder lese, und man müsse sich auch mit Hilfe von Gebet und Fasten auf diese Lektüre vorbereiten... Andere empfehlen, die Schriften der Kommentatoren zu studieren. Diese Ratschläge enthalten zweifellos etwas Gutes, doch die wahre Antwort ist nicht hier zu finden. In vielen Fällen haben auch die Ausdeuter, die sich daranmachten, die Bibel vom wissenschaftlichen Gesichtspunkt her zu studieren, ihren Wert herabgesetzt. Ihre analytische Arbeit brachte vor allem Abschreibfehler, Lücken und Widersprüche zum Vorschein, und statt Inspiration und Licht zu finden, häuften sie bloß Stoff für endlose Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten an. Wissenschaftliche Methoden sind natürlich immer nützlich, doch je nach ihrem Bereich sind sie ungleich wirksam. Die Geheimnisse der Seele entgehen ihnen, und sie sind nur auf einen winzig kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit anwendbar. Die Frage, zu welcher Zeit dieser oder jener Teil des Alten oder Neuen Testaments geschrieben wurde, ob er von einem oder mehreren Autoren verfasst wurde, sein Vokabular zu untersuchen und es mit demjenigen verwandter Sprachen zu vergleichen, ist gewiss interessant. Aber ein Vorgehen, das darin besteht zu analysieren, zu durchwühlen und zu zerlegen, hinterlässt oft nur Staub und Asche. Das Verständnis der Heiligen Schriften, welcher auch immer, der Veden, des Zend-Avesta oder des Korans, erfordert eine andere Art des Vorgehens. Die erste Regel ist, sich in einen Zustand der Empfänglichkeit zu versetzen, um den durch das Gelesene hervorgerufenen Bildern und Empfind…
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