Ein argentinischer Geistlicher stößt auf das Vermächtnis einer gewissen Susana: ein Durcheinander von winzigen Notizzetteln, auf die die Unbekannte das Tagebuch ihrer höllischen Internierung in einem politischen Gefängnis schrieb. Pater Antonio flickt sorgfältig die Teile des Tagebuchs zusammen. Dann macht er eine bestürzende Entdeckung.

Die durch Langeweile und Isolation entstandene Ruhe eines argentinischen Geistlichen findet ihr Ende, als ihm eine Fremde eine Kiste übergibt: das Vermächtnis einer gewissen Susana. In der Kiste findet er ein Durcheinander von winzigen Notizzetteln, auf die die Unbekannte das Tagebuch ihrer höllischen Internierung in einem politischen Gefängnis schrieb. Während Pater Antonio sorgfältig die Teile des Tagebuchs zusammenflickt, entwirren sich seine eigenen Lebensumstände. Von der Kanzel aus entlarvt er die Diktatur, tadelt die Offiziere seiner Pfarrei und arbeitet mit den Opfern der Repression zusammen. Eines Tages entdeckt er zu seiner Bestürzung, daß auch er für Susanas qualvolles Schicksal verantwortlich ist.

» Susana stellt einen jener Edelsteine dar, die einzigartig sind, weil sie unter extremsten Umständen enstanden sind. Susana ist ein Buch, das packt und aufrüttelt.«

Vorwort
»Dieses Buch ist der erschreckendste Bericht über Folter, den ich je gelesen habe.« Frances Fitzgerald, New York Times Book Review

Autorentext
Omar Rivabella, argentinischer Schriftsteller und Journalist, setzt sich in seinen Werken vehement für die Menschenrechte ein. Der Autor lebt in Miami.

Leseprobe
Ich hatte sie in der Siebenuhr-Morgenmesse gesehen. Sie saß allein in der hintersten Bankreihe und hielt eine große Kartonschachtel auf den Knien. Ihr Gesicht war kaum zu sehen. Als ich die Kanzel bestiegen und dabei mehr aus Gewohnheit als aus Neugierde einen Blick auf die Anzahl der erschienenen Gläubigen geworfen hatte, war mir zuerst diese Schachtel aufgefallen.
Verbissen hielt die Frau den Karton fest; dabei ließ sie mich nicht aus den Augen. Sie erweckte den Eindruck, ein neugeborenes Kind festzuhalten. Die Frau mit der Kartonschachtel beschäftigte mich während der ganzen Messe. Als ich betete, blinzelte ich verstohlen nach ihr, um herauszufinden, wer sie sein könnte. Es waren nun sechs Monate, seit ich mich der Gläubigen dieses kleinen Ortes, mit weniger als tausend Einwohnern, angenommen hatte - in dieser Zeit lernte ich sie fast alle kennen. Aber diese Frau hatte ich noch nie gesehen, weder in der Kirche noch auf der Straße. Plötzlich war ich sicher, daß sich an diesem Morgen etwas Geheimnisvolles und Merkwürdiges ereignen werde.
Als die Messe zu Ende war und die Gläubigen langsam die Kirche verließen, warteten einige bei der Kanzel auf mich, um private Angelegenheiten zu besprechen. Sie wunderten sich, daß ich auf der zweituntersten Stufe stehenblieb. Doch meine ganze Aufmerksamkeit galt der Schachtel und der Frau. Sie starrte trotz des Gemurmels und der neugierigen Blicke der vorbeigehenden Kirchgänger teilnahmslos gradeaus. <