

Beschreibung
Was wird aus Kriegsökonomien, wenn Kriege enden? Nina Engwicht untersucht die Entwicklung illegaler Märkte im Spannungsfeld von Reform und fragiler Staatlichkeit am Beispiel des berühmt-berüchtigten Diamantenmarktes in Sierra Leone. Sie blickt aus einer sozial...Was wird aus Kriegsökonomien, wenn Kriege enden? Nina Engwicht untersucht die Entwicklung illegaler Märkte im Spannungsfeld von Reform und fragiler Staatlichkeit am Beispiel des berühmt-berüchtigten Diamantenmarktes in Sierra Leone. Sie blickt aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive auf den illegalen Markt in der Postkonfliktgesellschaft und zeigt, dass andauernde Illegalität die Friedenskonsolidierung nicht notwendig gefährdet.
Autorentext
Nina Engwicht, Dr. phil., ist wissenschafltiche Mitarbeiterin an der Friedensakademie Rheinland-Pfalz.
Klappentext
Was wird aus Kriegsökonomien, wenn Kriege enden? Nina Engwicht untersucht die Entwicklung illegaler Märkte im Spannungsfeld von Reform und fragiler Staatlichkeit am Beispiel des berühmt-berüchtigten Diamantenmarktes in Sierra Leone. Sie blickt aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive auf den illegalen Markt in der Postkonfliktgesellschaft und zeigt, dass andauernde Illegalität die Friedenskonsolidierung nicht notwendig gefährdet.
Leseprobe
Vorwort
Zum Zeitpunkt, da dieses Buch zur Veröffentlichung vorbereitet wird, diskutiert die europäische Politik erneut über Möglichkeiten der Regulierung des internationalen Rohstoffhandels aus Konfliktgebieten. Ziel der Reformvorhaben ist, den Handel mit sogenannten Konfliktgütern - also Rohstoffen, deren Verkauf bewaffnete Gewalt finanziert und motiviert - zu unterbinden. Im Juni 2016 beschlossen die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Europäische Rat die Einrichtung verpflichtender Due-Diligence-Regeln für Unternehmen, die Gold, Zinn, Tantal oder Wolfram in die Europäische Union importieren. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der Rohstoffhandel europäischer Unternehmen Menschenrechtsverletzungen im Globalen Süden finanziert. Das geplante Gesetzesvorhaben greift damit Forderungen von Menschenrechtsorganisationen, die eine solche Regulierung seit Jahren anstreben, auf, wenngleich es hinter deren Anspruch zurückbleibt, den Import von Rohstoffen, auch in verarbeiteter Form, zu kontrollieren. Dies wirft die Frage auf, ob und wie in konfliktfördernde Rohstoffmärkte eingegriffen werden kann, wie Regulationsbemühungen auf Marktstrukturen und wirtschaftliche Praktiken der Marktteilnehmer wirken und welche Konsequenzen Reformen für die Bevölkerung in rohstoffproduzierenden und konfliktbetroffenen Ländern haben. Die vorliegende Studie nimmt einen Rohstoffmarkt in den Blick, der als Prototyp einer Kriegsökonomie traurige Berühmtheit erlangte: den illegalen Diamantenmarkt in Sierra Leone. Sie fragt, wie sich der Markt heute, über ein Jahrzehnt nach dem Ende des sierra-leonischen Bürgerkriegs und umfangreichen Reformen gestaltet.
Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die ich zwischen 2011 und 2015 am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln verfasst habe. An seiner Entstehung haben zahlreiche Personen mitgewirkt, denen ich zu Dank verpflichtet bin. Der größte Dank gilt meiner Doktormutter, Renate Mayntz, die die Entstehung dieser Studie in allen Phasen intensiv begleitet hat. Ihr stetes Interesse an meinem Forschungsprojekt, ihr konstantes Augenmerk auf den Fortschritt des Buches und ihre detaillierte Auseinandersetzung mit jedem seiner Teile kann ich nicht hoch genug einschätzen. Ich hoffe, dass sich ihr Beharren auf analytische Klarheit und empirische Genauigkeit bei der Untersuchung sozialer Phänomene auf den folgenden Seiten widerspiegelt. Jens Beckert hat die Arbeit als Zweitgutachter mit wertvollem Rat und Unterstützung begleitet. Renate Mayntz und Jens Beckert haben mir eine Feldforschung ermöglicht, die in dieser Form nicht selbstverständlich ist. Ebenso bedanke ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen der Forschungsgruppe "Die Struktur illegaler Märkte", Annette Hübschle, Matías Dewey und Arjan Reurink, für viele anregende Diskussionen und forschungspraktischen Austausch. Wichtige Ideen und Hinweise habe ich außerdem von William Reno, meinem Betreuer an der Northwestern University, sowie von William P. Murphy, LaRay Denzer und Sigrid Quack und den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des IMPRS-SPCE-Kolloquiums und der CUTED-Sommerkonferenz 2014 an der Columbia University erhalten. Mein Dank gilt auch allen nicht wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des MPIfG. Sie haben die Fertigstellung dieses Buches in den Phasen der Recherche, der Feldforschung, des Datenmanagements und der Veröffentlichung auf eine Weise unterstützt, die weit über das übliche Maß an Hilfestellung, auf das Forscherinnen und Forscher hoffen können, hinausgeht. Besonders danke ich Thomas Pott, der den Text redigiert und gesetzt hat, für die aufmerksame Lektüre und seine hilfreichen Kommentare.
Es liegt in der Natur einer empirischen Studie über Illegalität, dass ein großer Teil derjenigen, die zum Gelingen des Forschungsprojekts beigetragen haben, nicht namentlich genannt werden können. Meinen Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern danke ich dafür, dass sie mich an ihrer Lebenswelt teilhaben ließen und mir Einblick in die soziale Welt des illegalen Diamantenmarktes gewährt haben. Schließlich gebührt großer Dank meinen Freunden und meiner Familie, allen voran Samia Dinkelaker, Fabian Engwicht und Vicente Gutiérrez. Meine Eltern, Monika und Reiner Engwicht, haben die Entstehung der Dissertation liebevoll begleitet und unterstützt. Ihnen ist das Buch gewidmet.
Landau, im September 2016 Nina Engwicht
Kapitel 1
Einleitung
1.1 Problemaufriss: Illegale Märkte als Gefahr für (Post-)Konfliktgesellschaften
Illegale Märkte stehen im Zentrum der sozialwissenschaftlichen Debatte um die Gestalt zeitgenössischer Kriege. Illegale Güterproduktion und illegaler Handel - betrieben von privaten, aber auch von staatlichen Gewaltakteuren1 - motivieren und finanzieren den gewaltsamen Konfliktaustrag in einer Vielzahl gegenwärtiger bewaffneter Konflikte. Zu nennen wären etwa der Anbau und Handel von Kokain in Kolumbien und Mexiko oder von Opium in Afghanistan, die Piraterie vor der Küste Somalias, illegaler Abbau von Columbit-Tantalit (Koltan) in der Demokratischen Republik Kongo sowie der illegale Handel mit Öl und geraubten syrischen Antiken durch den "Islamischen Staat". Die Gewinne aus dem Verkauf illegaler Kriegsgüter werden, vor allem im Fall nichtstaatlicher Gewaltakteure, oft in den illegalen Waffenkauf reinvestiert. Neben illegalen Märkten, die in direktem Zusammenhang mit dem gewaltvollen Konfliktaustrag stehen, bilden sich in konfliktbetroffenen Gesellschaften zudem illegale Strukturen als Konsequenz des Kriegszustands heraus. So bieten der Mangel an staatlicher Souveränität, eine korrupte Administration und bereits bestehende illegale Handelsstrukturen einen idealen Lebensraum für neu entstehende illegale Märkte. Als Beispiele wären etwa die vielfältigen mafiösen Organisationen zu nennen, die im Zuge der Balkankonflikte in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens aufblühten, oder die Erschließung Westafrikas als Transitregion für Drogentransporte aus Lateinamerika, die für den europäischen Markt bestimmt sind.2 Infolge des Wegfalls einer staatlich regulierten Ökonomie sind zudem oft große Teile der Bevölkerung zum Überleben darauf angewiesen, sich auf Schwarzmärkten zu betätigen. Schließlich sind Krisenregionen Ursprungsgebiete von Flüchtlingsströmen, die Profitmöglichkeiten für Schlepper und Menschenhändler bieten.
Historisch liegt der Bedeutungszuwachs illegaler Märkte im Konfliktgeschehen einerseits im Wegfall der Finanzierung innerstaatlicher Kriege im Globalen Süden - sogenannter Stellvertreterkriege - durch die Weltmächte des Kalten Krieges begründet. In der Folge sind heutige Kriegsakteure zumeist dazu gezwungen, die Mittel zur Kriegsführung selbst aufzubringen. Andererseits erstreckt sich die Beschleunigung und Verdichtung von Waren- und Informationsströmen im Zuge der Globalisierung auch auf den illegalen G…
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