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Staatlichkeit im Wandel Sonderforschungsbereich der Universität Bremen
Die Globalisierung führt zu einer Zunahme privater Steuerungsmechanismen und damit zu unterschiedlichen Ausprägungen globalen, nicht-staatlichen Rechts. Am Beispiel der Gewährleistung von Umweltschutz und Sicherheit in multinationalen Konzernen untersucht Martin Herberg, ob die privaten Steuerungssysteme zu einer Aushöhlung staatlicher Handlungsfähigkeit führen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass nationales Recht sich immer mehr der transnationalen Sphäre öffnet und dass der Staat innerhalb neuer globaler Konstellationen vielfach die Rolle eines Koordinators und Schnittstellenmanagers übernimmt.
Vorwort
Staatlichkeit im Wandel Sonderforschungsbereich der Universität Bremen
Autorentext
Martin Herberg studierte Soziologie. Er arbeitet seit 2005 am Sonderforschungsbereich 597 »Staatlichkeit im Wandel« an der Universität Bremen.
Leseprobe
Leseprobe: Der Begriff der Globalisierung verweist auf die zunehmende Verkettung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Handlungszusammenhänge über die Grenzen der nationalstaatlichen Gliederung der Welt hinweg, sowie auf die Schwierigkeiten der Politik, ihre Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit unter den neuen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Die wachsende Mobilität der Produkte, der Produktionsfaktoren und des Kapitals führen zu einer Auflösung des geographischen Passungsverhältnisses zwischen Gesellschafts- und Staatenwelt; eine Inkongruenz, die häufig mit den Ausdrücken der "Entterritorialisierung", der "Entgrenzung" und "Entbettung" sozialer Praktiken umschrieben wird, und die mit zahlreichen Problemen und Herausforderungen für die staatlichen Institutionen verbunden ist (vgl. Altvater/Mahnkopf 1997, S. 109ff; Brock/Albert 1995; Giddens 1990, S. 28ff). Das klassische Territorialitätsprinzip, bislang als entscheidende Grundlage staatlicher Souveränität und Gestaltungsmacht angesehen, lässt den Nationalstaat unter den Bedingungen einer entgrenzten Ökonomie zunehmend als weltfremden "Machtbehälter" (Beck 2002, S. 7) erscheinen, der immer weniger dazu imstande ist, die entterritorialisierten Prozesse mit ihren zahlreichen Folgeproblemen wirksam unter Kontrolle zu bringen. Die besondere Brisanz dieser Entwicklung liegt darin, dass der moderne Staat, trotz des Brüchigwerdens nationaler Souveränität und Handlungsfähigkeit, nach wie vor den entscheidenden Kristallisationspunkt politischer Vergemeinschaftung darstellt. Auch unter den heutigen Bedingungen steht der Staat für eine Form der Sozialintegration, die nicht primär an instrumentellen und funktionalen Gesichtspunkten orientiert ist, sondern an gemeinsamen Werten und übergreifenden Gerechtigkeitsentwürfen, an Fragen der Solidarität und der wechselseitigen Anerkennung des Anderen als (Rechts-)Subjekt. Grundlage dieser gegenseitigen Verbundenheit ist die Entstehung einer kollektiven Identität, die sich historisch vor allem in der Form des modernen Nationalbewusstseins vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Kultur und Sprache herausgebildet hat, die grundsätzlich aber auch eine abstraktere und republikanische Form annehmen kann (vgl. Habermas 1998, S. 100). Politische Vergemeinschaftung in diesem Sinne bedeutet die Entstehung eines symbolisch vermittelten, gleichzeitig aber auch real praktizierten Solidaritätszusammenhangs, verbunden mit dem Anspruch auf Volkssouveränität als Fähigkeit, auf der Basis eines übergreifenden Konsenses selbst über die Belange des Gemeinwesens entscheiden zu können. Durch den modernen Nationalstaat wurde diese, ihrem Anspruch nach alle sozialen Gruppierungen umfassende Form des Miteinanders erstmals auf eine rechtlich formalisierte und dauerhafte Grundlage gestellt (vgl. Münch 1992, S. 295); ein politisches Arrangement, für das sich tragfähige Alternativen bislang nicht oder allenfalls nur sehr schemenhaft abzeichnen. Institutionell finden die genannten Elemente ihren Ausdruck im staatlichen Rechtssetzungs- und Gewaltmonopol; Vorkehrungen, die dem Staat den Charakter einer "Institution der Allgemeinheit" verleihen (Böckenförde 1991, S. 215) und ihn befähigen, die gesellschaftlichen Prozesse in eine übergreifende normative Ordnung einzubetten, diese Ordnung notfalls auch gegen Widerstand durchzusetzen und hierdurch den Vorrang der Gemeinschaftsinteressen vor einzelnen Partikularinteressen zu gewährleisten: "Als organisierte Wirkeinheit entsteht und besteht der Staat dadurch, dass einzelmenschliches Wirken durch leitende Organe zusammengefasst, einheitlich gelenkt beziehungsweise ausgerichtet und aktualisiert wird" (a.a.O., S. 219). Das notwendige Gegengewicht zu dieser Machtkonzentration besteht in der rechtsstaatlichen Domestizierung der Staatsgewalt und ihrer Anbindung an den demokratischen Prozess; in der Gewährleistung autonomer Öffentlichkeiten, dem Prinzip der Gewaltenteilung, der Etablierung subjektiver Rechte sowie zahlreichen weiteren Strukturprinzipien, die eine Vereinnahmung der Gesellschaft durch den Staat verhindern und den Individuen das nötige Maß an privater und politischer Betätigungsfreiheit einräumen, um eine autonome Selbstorganisation der Gemeinschaft als Assoziation freier und gleicher Rechtssubjekte zu ermöglichen (vgl. Habermas 1998, S. 217). Die grundsätzliche Trennung zwischen Staat und Gesellschaft schließt staatliche Interventions- und Steuerungsaktivitäten keineswegs aus, im Gegenteil: Zum festen Selbstverständnis des modernen Staates gehört es, die durch das freie Spiel der gesellschaftlichen Kräfte erzeugten Problemlagen - von der Entstehung und Verschärfung sozialer Ungleichheiten über konjunkturell bedingte Wohlfahrtseinbußen bis hin zu Schäden an den natürlichen Lebensgrundlagen -, durch steuernde und planende Maßnahmen abzufedern; dies auch und gerade unter dem Gesichtspunkt, den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft langfristig zu sichern. Der Staat greift hierbei auf ein umfassendes Arsenal von Steuerungsinstrumenten zurück, von der Redistribution materieller Ressourcen über hoheitliche und befehlsförmige Maßnahmen bis hin zu verschiedenen Formen der "regulierten Selbstregulierung" (Schneider 2001). Alle diese Maßnahmen bedürfen der ständigen Optimierung und Abstimmung auf die Struktur der zugrunde liegenden Probleme; auch dies eine wichtige Dimension des Prinzips, dass "die vereinigten Bürger eines demokratischen Gemeinwesens ihre gesellschaftliche Umgebung gestalten und die zur Intervention erforderliche Handlungsfähigkeit entwickeln können" (Habermas 1998, S. 93). Prekär wird dieses Arrangement in dem Moment, in welchem die Intaktheit der territorialen Bezüge - als elementare Voraussetzung der Funktionsfähigkeit des gesamten Institutionsgefüges - durch die Heraufkunft mächtiger, transnational operierender Akteure und durch die Intensivierung der länderübergreifenden Interaktionen und Verflechtungen grundlegend in Frage gestellt wird. Quer zur nationalstaatlichen Gliederung der Welt bilden sich transnationale Organisationen unterschiedlicher Couleur heraus - allen voran die multinationalen Unternehmen der verschiedenen Branchen, aber auch Banken, Versicherungen und internationale Anwaltskanzleien -, die sich relativ autonom dafür entscheiden können, ihre Aktivitäten in bestimmte Räume auszudehnen oder sich aus diesen zurückzuziehen, die sich teilweise ganz von der Anbindung an ihr Herkunftsland befreien, teils den Sitzstaat als strategische Ausgangsbasis für die Expansion benutzen, die miteinander interagieren, konkurrieren und kooperieren und hierbei an der Entstehung translokaler Verflechtungsformen, Schnittstellen und nicht-staatlicher Ordnungsstrukturen mitwirken. Die zunehmende Durchlässigkeit territorialer Grenzen führt dazu, dass das nationalstaatliche Bemühen um die Definition und Durchsetzung allgemeinverbindlicher Regeln immer weiter an seine Grenzen gelangt; und auch die Handlungsformen regulative…
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