Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Disziplin Seismologie und eine internationale Organisation für Seismologie geschaffen. Beide Entwicklungen werden in diesem Buch vorgestellt und im Hinblick auf gegenseitige Wechselwirkungen untersucht. Die instrumentellen und experimentellen Voraussetzungen für eine moderne seismische Methode wurden von britischen Wissenschaftlern in Japan und von einem deutschen Astronomen geschaffen, wodurch sich die Seismologie als Universitätsfach etablierte. Die während des Ersten Weltkriegs gesammelten Erfahrungen mit seismischen Methoden führten in der Nachkriegszeit zur Schaffung eines Wirtschaftszweigs, der auf die seismische Suche nach Speicherorten ausgerichtet war. Dadurch festigte sich die angewandte seismische Forschung; die Möglichkeit, Erdbeben weltweit zu messen, machte die Seismologie schließlich zu einer internationalen Angelegenheit. Die deutschen Wissenschaftler, die nach dem Ersten Weltkrieg aus der internationalen Gemeinschaft ausgeschlossen worden waren, gingen dabei einen Sonderweg. Das Buch führt den Weg der jungen Disziplin der Erdbebenforschung und deren Internationalisierung aus, welche die treibende Kraft zur Institutionalisierung der seismischen Forschung bildete.

Leseprobe

Abstract

At the beginning of the 20th century, the discipline of seismology and an international seismological organization were being created. Both developments are presented here and investigated from the point of view of their mutual interactions on one another. The following four aspects are in the foreground.

The instrumental and experimental prerequisites for a modern seismic method were created by British scientists in Japan and by a German astronomer. Their research work made possible a time-dependent registration of earthquakes and their measurement world-wide. This scientific progress triggered a discipline-forming process. Systematic bodies of theoretical and instrumental research were formed. Seismology established itself as an university subject. An organ for publishing seismic contributions and the first seismic institutes were founded. The experience with seismic methods gathered during the First World War led, in the post-war period, to the creation of a branch of industry geared to the seismic search for storage locations. As a consequence of this, applied seismic research began to spread and consolidate itself. The possibility of measuring earthquakes on a world-wide basis made seismology an international affair. In 1902, the geographer Georg Gerland invited participants to the first international seismological conference in Strasbourg. In spite of great international tension, the following years saw the foundation of an international seismological association of nations with its central headquarters in Strasbourg. Until the end of the First World War, this central bureau in Strasbourg at that time the German city of Strassburg , which became a prestige object for Germany, was run by German scientists. After the war, the directorship was vested in a French researcher, as the central bureau remained in Strasbourg, now a French city. This marked the beginning of intensive seismic research in France. The German scientists, who had been excluded from the international community after the war, founded a German organization of their own, setting up a new German central institute in Jena.

The four emphasized aspects show that, and how, the development of the discipline of seismology and its international organization mutually influenced each other. The young discipline of seismic research gained prestige from its internationalization, which in tum aroused the interest of numerous researchers and governments. This interest finally, albeit often hampered by the struggle of international tensions, provided the motive power for this new branch of science, which in the end fulfilled all the requirements of a scientific discipline.

Inhalt

Abstract / Sommaire

Vorgeschichte

Einleitung

• Die Disziplin
• Untersuchungszeitraum
• Hauptschauplatz
• Leitfragen
• Forschungsstand

• Quellen
  I. Die Anfänge der modernen Seismologie

• Instrumentelle Entwicklung in Japan

  • Beginn einer modernen wissenschaftlichen Kultur
  • Grundlegende seismologische Erkenntnisse durch instrumentelle Neuerungen
  • Der unermüdliche Naturbeobachter Milne

• Instrumentelle Entwicklung in Deutschland

  • Experimentelle Infrastruktur
  • Erste seismologische Messungen mit dem Horizontalpendel
  • Entdeckung der Teleseismik
  • Rezeption der deutschen Forschung in Japan
  • Beginn seismologischer Beobachtungen in Straßburg

• Die Entwicklungen im Vergleich

  • Unabhängigkeit der Ausgangssituationen
  • Bahnbrechende Experimente
  • Wissenschaftliche Kulturen
    II. Initiativen zur internationalen seismologischen Zusammenarbeit

• Der deutsche Plan einer internationalen Organisation

  • Briefwechsel zwischen Rebeur-Faschwitz und Gerland
  • Aufruf zur internationalen Zusammenarbeit
  • Plan und Bau eines seismologischen Instituts in Straßburg
  • Streit um Straßburg als internationale Zentralstelle
• Das britische Netz weltweiter Beobachtungsstationen

• Milne versus Gerland

  • Das Vorgehen im Vergleich
  • Die Leistungen im Vergleich
    III. Die Gründung der Internationalen Seismologischen Assoziation (ISA)

• Erste internationale Konferenzen

  • Die I. Internationale Seismologische Konferenz
  • Die II. Internationale Seismologische Konferenz
  • Richtungsweisende Internationalisierung

• Krise 1905/1906

  • Absagen an die ISA
  • Statutenänderung

• Der endgültige Beginn der ISA
  IV. Maßnahmen zum Erhalt des Straßburger Zentralbüros

• Rechtfertigung des Straßburger Zentralbüros

  • Deutsche Wissenschaftspolitik vor der ersten Generalversammlung der ISA
  • Beschlüsse der Generalversammlung im Haag

• Die Nachfolge Gerlands

  • Vorschlag der ISA: Hecker oder Galitzin
  • Vorschlag der philosophischen Fakultät der KWU: Sapper
  • Vorschlag Gerlands: Rudolph
  • Entscheidungsfindung in Berlin
  • Finanzierungskampf zwischen Reich und Land
  • Disziplinbildende Personalpolitik

• Die ISA unter Hecker

  • Straßburger Forschung
  • Internationaler Einfluß deutscher Seismologie
  • Seismologie in den deutschen Kolonien
  • Das Ansehen Heckers innerhalb der Assoziation
  • Das Straßburger Zentralbüro im Ersten Weltkrieg
    V. Etablierung der angewandten Seismik durch den Pionier Mintrop
• Erste Forschungen mit künstlichen Druckwellen

• Seismologische Fortschritte durch Wiechert

  • Neue Instrumente
  • Neue Theorien
  • Wiecherts Grundlagen für Mintrops Explorationsforschung

• Kriegsforschung

  • Mintrops Beiträge
  • Alliierte Zusammenarbeit

• Verbreitung der industriellen Seismik

  • Mintropsche Patente
  • Der Unternehmer Mintrop
  • Disziplinbildender Prozeß

• Neue Forschungswelt: Wissenschaftler in der Industrie
  VI. Die Fortsetzung der Seismologie in Straßburg nach dem Ersten Weltkrieg

• Konstituierung einer neuen internationalen Organisation

  • Der Direktor des provisorischen Zentralbüros: Edmond Rothé
  • Rückblick: Seismologie in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg
  • Britisch-französischer Wettkampf um das Zentralbüro
  • Auflösung der ISA
  • Gründung einer neuen internationalen Organisation

• Die Entwicklung der Forschung in Straßburg unter französischer Leitung

  • Voraussetzungen für den Neuling Rothé
  • Der Generalsekretär Rothé
  • Der Zentralbürodirektor Rothé
  • Der Universitätsprofessor Rothé
  • Die finanzielle Lage des Zentralbüros
  • Die Bedeutung R…