

Beschreibung
Im Zuge der nachhaltigen Familienpolitik zwischen 2002 und 2008 wurden in Deutschland weitreichende Reformen umgesetzt. Maßnahmen wie der angestrebte Ausbau der Kindertagesbetreuung und die Einführung eines einkommensabhängigen Elterngeldes stellen eine progra...Im Zuge der nachhaltigen Familienpolitik zwischen 2002 und 2008 wurden in Deutschland weitreichende Reformen umgesetzt. Maßnahmen wie der angestrebte Ausbau der Kindertagesbetreuung und die Einführung eines einkommensabhängigen Elterngeldes stellen eine programmatische Neuausrichtung gegenüber der konservativen Wohlfahrtsstaatspolitik dar. Katharina Hajek analysiert die Expertisen, Studien und Gutachten, die dieser Politik zugrunde liegen und zeigt, dass mit ihren bevölkerungspolitischen Motiven nicht nur neue Väter- und Mütterbilder und eine Neubestimmung des Verhältnisses von Öffentlich und Privat einhergehen, sondern auch spezifische Ungleichheiten sowie ein grundlegend neues Verständnis von Familie.
Autorentext
Dr. Katharina Hajek ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturwissenschaft der Universität Koblenz-Landau. Zuvor war sie Universitätsassistentin an der Universität Wien. Sie absolvierte Gastaufenthalte an der York University/Toronto sowie an der TU Berlin und war als Lehrbeauftragte an mehreren Universitäten im deutschsprachigen Raum tätig. Katharina Hajek forscht und schreibt zu den Themen Familie, Biopolitik, soziale Reproduktion und politische Repräsentation.
Leseprobe
Dank Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung einer Dissertationsschrift, die im August 2018 am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien vorgelegt wurde. Danken möchte ich zuallererst Birgit Sauer, die die Arbeit betreut, mit ihrem Wissen, ihren klugen Fragen und ihrer Zeit begleitet und mich in den letzten Jahren nachhaltig unterstützt hat. Das kann ich nicht genug betonen. Gundula Ludwig und Benjamin Opratko haben weite Teile der Arbeit gelesen, scharfsinnig kommentiert und mit mir diskutiert. Danke dafür. Die Teilnehmerinnen des Dissertantinnenkolloqiums am Institut für Politikwissenschaft haben mir die Möglichkeit gegeben, die Argumente dieser Arbeit immer wieder diskutieren und kollektiv reflektieren zu können. Mein Dank gilt insbesondere Edma Ajanovic, Florian Anrather, Alev Cakir, Katja Chmilewski, Ayse Dursun, Katharina Fritsch, Myriam Gaitsch, Daniel Lehner, Stefanie Mayer, Jürgen Portschy und Leda Sutlovic. Desiree Hebenstreit, Veronika Helfert und Nina Wlazny möchte ich dafür danken, mir einen Raum gegeben zu haben, in dem die Höhen und Tiefen des Arbeits- und Schreibprozesses geteilt und bearbeitet werden konnten. Ein Marietta-Blau-Stipendium des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) ermöglichte die Arbeit an mehreren produktiven Orten. Isabella Bakker danke ich für die Einladung an die York University/Toronto, wo mich insbesondere Ann Porter und die Teilnehmerinnen des Women and Politics Course herzlich in ihre Diskussionszusammenhänge aufgenommen haben. Sabine Hark danke ich für die Einladung ans Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin. Mein Dank für die tolle Arbeits- und Diskussionsatmosphäre gilt dem gesamten Team und dem Kolloquium des ZIFGs und insbesondere Hildegard Hantel, Mike Laufenberg und Hanna Meißner. Ich durfte in den letzten Jahren zudem von unzähligen Diskussionen und der Zusammenarbeit mit folgenden Personen lernen, denen ich ausdrücklich danken möchte: Brigitte Bargetz, Ulrich Brand, Alex Demirovi, Julia Dück, Daniel Fuchs, Anna Götz, Christian Haddad, Käthe Knittler, Eva Kreisky, Andrea Kretschmann, Marion Löffler, Isabel Lorey, Kelly Mulvaney, den Redaktionsmitgliedern der PROKLA, Katharina Pühl, Hans Pühretmayer, Jemima Repo, Felicita Reuschling, Silvia Schröker, Angelika Striedinger, Mariana Schütt, Susanne Schultz, Franziska Schutzbach, Stefanie Wöhl, Tobias Zortea, den Studierenden meiner Lehrveranstaltungen an den Universitäten Wien, Bochum, Klagenfurt und Koblenz. Die beiden Kater Hermit in El Poble-Sec und Igor in Neukölln haben die Arbeit wochenweise mit ihrem strengen Blick und ihrem Schnurren begleitet. Tobias Boos, Alina Brad, Veronika Duma, Andrea Kretschmann, Melanie Pichler und Georg Spitaler haben Teile der Arbeit gelesen, mit wichtigen Kommentaren versehen und sind mir darüber hinaus in Freundschaft zur Seite gestanden. Den Gutachterinnen Annette Henninger und Andrea Maihofer danke ich für die sorgfältige Lektüre, die kritischen Nachfragen und wertvolle Hinweise, die in das Buch eingeflossen sind. Am Institut für Kulturwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau habe ich zudem einen produktiven, solidarischen und wertschätzenden Kontext vorgefunden, in dem die Dissertation zum Buch werden konnte. Mein Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen und insbesondere Ina Kerner. Den Herausgeberinnen der Reihe »Politik der Geschlechterverhältnisse« danke ich für Publikation meiner Arbeit. Judith Wilke-Primavesi vom Campus Verlag und Andrea Kremser für ihre nette Betreuung, ihre Geduld und Ausdauer. Schließlich möchte ich Maria und Paul Hajek, sowie Ove Sutter danken, deren Unterstützung mir in den letzten Jahren sehr wichtig war. 1 Einleitung Im Zuge einer Volkszählung unter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia erhielten die Beamten den Auftrag, Familien nach folgenden Kriterien zu erfassen: »Zu einer Familie sollen alle diejenigen gerechnet und folglich auf dem nämlichen Familienbogen eingeschrieben werden, welche nicht für sich selbst kochen, sondern unter einem und dem nämlichen Hausvater oder Mutter am gemeinschaftlichen Tisch und Brot genährt werden, sie seien verheiratet oder nicht; mithin wird jeder, der andere bei sich zu nähren hat, als ein Familienoberhaupt angesehen.« (Alfred Gürtler, zit. n. Mitterauer 1978, 80) Eine Familie bezeichnet im Habsburgerreich des Jahres 1777 also einen Personenverband, für den »gekocht wird« und der am »gemeinschaftlichen« Tisch isst. Familie bezieht sich hier auf die Hausgemeinschaft des bäuerlichen Hofes oder des städtischen Handwerksbetriebes und umfasste neben dem Familienoberhaupt und seinem/ihrem Ehegatten auch die Kinder und (die oftmals zahlreichen) Stiefkinder, Dienstboten und Gesinde (die zur Verwirrung der Historikerinnen wiederum oft den Namen des Hausvaters trugen), Inleute, also Besitzlose, die gegen Mitarbeit im Betrieb im Haus wohnten, wie auch die sogenannten Austragerinnen, die ehemaligen Inhaberinnen des Gutes oder der Wirtschaft, die weiterhin Wohnrecht besaßen. All diese wurden ohne grundsätzliche Differenzierung zur Familie gezählt. Ein eigener Begriff für den engeren Kreis von Ehegatten und ihren leibli-chen Kindern fehlte zu dieser Zeit im Deutschen noch gänzlich. Musste dennoch gesondert auf diese Konfiguration im Kontext der Hausgemein-schaft Bezug genommen werden, wurde sie mit »NN mit Weib und Kind« umschrieben: »Sie ist als solche für sich allein genommen eben keine sepa-rierte soziale Einheit, keine Gruppe im Verständnis der Zeitgenossen.« (Mitterauer 1978, 79). Mit Familie wurde der große Kreis einer Haushaltsgemeinschaft bezeichnet, welche vom Hausvater oder wie das obige Zitat zeigt gelegentlich auch von einer Hausmutter »genährt« wurde und die damit im übertragenen Sinne die Bedingungen ihrer alltäglichen Reproduktion (Nahrung, Wohnraum) bereitgestellt bekam (Mitterauer 1978, 77ff.). Wieso der Bezug auf die Definition von Familie im 18. Jahrhundert in der Einleitung zu einer Arbeit, in der es um die Familienpolitik im 21. Jahrhundert in Deutschland gehen soll? Mit dieser Anekdote können drei Punkte greifbar gemacht werden, die für die vorliegende Arbeit zentral sind. Zum Ersten macht das Beispiel anschaulich, dass Familie weit davon entfernt ist, etwas immer schon Gegebenes oder eine quasi überhistorische Konstante zu sein. Familie hat vielmehr eine Geschichte ihre Bedeutung verändert sich mit der Zeit. Das Schlaglicht auf das Jahr 1777 veranschaulicht den Umfang und den grundlegenden Charakter des Bedeutungswandels im Vergleich mit dem, was gegenwärtig etwa im Alltag, in den (Sozial-)Wissenschaften oder in der Politik unter Familie verstanden wird. Dies lässt sich anhand einiger allgemeiner Beobachtungen erläutern: Zunäch…
