

Beschreibung
Dies ist ein Buch für alle, die sich in ihrer Beziehung eingeengt fühlen oder sich nach Liebe sehnen. Wie Jan Geurtz überzeugend darlegt, ist unsere Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung auf eine fundamentale Selbstablehnung zurückzuführen. Diese versuchen wir ...Dies ist ein Buch für alle, die sich in ihrer Beziehung eingeengt fühlen oder sich nach Liebe sehnen.
Wie Jan Geurtz überzeugend darlegt, ist unsere Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung auf eine fundamentale Selbstablehnung zurückzuführen. Diese versuchen wir durch die Wertschätzung anderer und vor allem durch eine erfolgreiche Liebesbeziehung zu kompensieren. Doch damit erreichen wir das Gegenteil: Wir verstärken unsere tiefe Unsicherheit und Abhängigkeit und werden so süchtig nach Liebe und Anerkennung sowie nach der Sicherheit einer Beziehung. Darum scheitern die meisten Beziehungen nach kurzer Zeit, oder was vielleicht noch schlimmer ist sie verkümmern zu einem biederen Zusammensein mit wenig Raum für Wachstum und Glück.
Mit Humor und praktischen Beispielen skizziert der Autor einen Ausweg aus diesem Teufelskreis und zeigt, wie wir unser Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung in bedingungsloses und dauerhaftes Glück umwandeln können mit oder ohne Beziehung.
Autorentext
Jan Geurtz, Jahrgang 1950, ist Autor mehrerer Bestseller über Sucht. Er studierte niederländische Literatur, Pädagogik und Wissenschaftsphilosophie. Danach arbeitete er als Lehrer und IT-Berater. Seit 1995 praktiziert der Vater von vier Kindern erfolgreich als Suchttherapeut. 1998 begann er, sich mit Buddhismus zu befassen. Er ist Schüler von Sogyal Rinpoche (Autor von Das tibetische Buch vom Leben und Sterben) und lebt auf seinem Hausboot in Amsterdam.
Leseprobe
2 Die erste Schicht unserer Identität: Der negative Glaube Alles Leiden entsteht durch unser Haften an einem falschen Selbstbild. Buddhistische Weisheit Meine ersten Erfahrungen mit der Liebe sammelte ich mit Martha. Ich war elf Jahre alt und besuchte die erste Klasse der Mittelschule. Ich träumte von Martha, starrte in tiefer Melancholie das Klassenfoto an, auf dem sie zu sehen war, und wich in der Klasse nervös zurück, wenn sie mir nahe kam. Der Gedanke, mich an sie heranzumachen, war noch zu beängstigend, darum blieb es bei meiner heimlichen Liebe. Das Ende kam während eines Ausflugs zu den Höhlen von Han in Belgien am Ende des Schuljahres. Die ganze Klasse lief durch die dunklen, unterirdischen Gänge, in denen alle fünfzig Meter eine schwache Glühlampe für spärliche Beleuchtung sorgte. Ich ging hinter Martha, und neben ihr ging einer der stärksten Jungen der Klasse. Auf einmal sah ich, daß die beiden Händchen hielten. Jedesmal, wenn es zwischen den Lampen dunkler wurde, steckten sie die Köpfe zusammen, und wenn es wieder heller wurde, hielten sie wieder etwas Abstand. Ich weiß nicht mehr, ob es sehr weh tat, das zu sehen; aber ich erinnere mich noch gut daran, wie die mechanische Bewegung der beiden Köpfe scheinbar von der Helligkeit des Ganges bestimmt wurde. Wahrscheinlich versuchte ich schon damals, meine schmerzlichen Gefühle mit Hilfe einer nüchternen Beobachtung zu überwinden. Danach war es jedenfalls mit dieser Liebe schnell vorbei. Jeder, der eine solche zarte pubertäre Verliebtheit mitgemacht hat, weiß, daß sie bis zum Rand mit Angst und Hoffnung gefüllt ist: Angst, daß die eigenen Gefühle entdeckt und bespöttelt werden, und Hoffnung, daß sie erwidert werden. In diesem Spiel aus Hoffnung und Furcht ist der Einsatz hoch, denn es geht um totale Zurückweisung oder höchste Bejahung. Und wenn du dich nicht traust, ein Risiko einzugehen, und deine Gefühle verheimlichst, sind Frustration und Selbstablehnung die Folge. Kurz gesagt verdankt das ganze Geschehen rund um die Verliebtheit seine enorme Spannung anscheinend vor allem dem Umstand, daß wir sowohl mit totaler Bejahung als auch mit der tiefsten Ablehnung rechnen müssen. Bei der pubertären Verliebtheit ist diese Spannung deutlich erkennbar; doch sie bleibt bei allen späteren, eher erwachsenen Arten der Liebessehnsucht wirksam, wenn auch oft im Verborgenen. Genauso läßt sich der Mann, der seiner neuen Freundin von seinen früheren Abenteuern erzählt, ihr jedoch verschweigt, daß er gelegentlich mit Prostituierten Kontakt hatte, von seiner Angst vor Ablehnung leiten. Und die Frau, die ihrem Mann gesteht, daß sie ab und zu gerne allein Urlaub machen würde, fürchtet sich ebenfalls vor Zurückweisung. Wenn du dein eigenes Verhalten genau unter die Lupe nimmst, siehst du, daß du sowohl in der Anfangsphase einer Beziehung als auch in der stabilen Phase ständig in diesem Spiel aus Hoffnung und Angst gefangen bist. Das heißt nicht, daß du andauernd hoffst und fürchtest. Vor allem in der stabilen Phase bist du in der Regel so gut auf die Situation und deinen Partner eingespielt, daß du solchen Gefühlen vorbeugen kannst. Du weißt dann, welche Verhaltensweisen du tunlichst vermeiden solltest und welche dir ziemlich sicher Pluspunkte einbringen. Also bleibst du soweit wie möglich innerhalb dieser sicheren Grenzen, damit der Partner dich nicht ablehnt, sondern schätzt. Es setzt eine ehrliche Selbstprüfung voraus, diese Mechanismen bei sich selbst zu entdecken. Aber sie sind immer da, auch wenn Sie glauben, in einer guten Beziehung zu leben. Daß wir diese furchtvermeidenden Pfade beschreiten, zeigt sich am deutlichsten im Umgang mit dem geliebten Menschen, aber wir tun es mit jedem. Die Stärke sowohl der Hoffnung als auch der Furcht entspricht dabei der Intensität deiner Gefühle für den anderen. Beim Bäcker wirst du meist kein Problem haben. Doch wenn du nach langem Warten endlich dran bist und sich ein Kunde vordrängelt, der gerade erst hereingekommen ist, ist das Spiel aus Hoffnung und Furcht sofort in vollem Gang. Du hoffst, deine Rechte werden respektiert, und du fürchtest Ablehnung. Wenn du deine Wut um des lieben Friedens willen herunterschluckst, fühlst du dich meist schwach, und das ist eine Form der Selbstablehnung. Du befindest dich also in einem Dilemma. Einerseits hoffst du, anerkannt zu werden und hast zugleich Angst vor Ablehnung. Andererseits lehnst du dich selbst ab. Die Ursache dieser grundlegenden Mischung aus Hoffen und Bangen liegt in der Art der Beziehung, die wir mit uns selbst haben, oder, anders ausgedrückt, in unserem Selbstbild, unserer Identität. Diese hat nämlich eine Struktur, die komplett von Selbstablehnung bestimmt wird. Im nächsten Kapitel werde ich zunächst die Struktur unseres Selbstbildes erklären und anschließend einige weitere kontraproduktive Automatismen, die wir bei unserem Streben nach Glück und Anerkennung verwenden (siehe dazu auch die Abbildung auf Seite 7). Anschließend werde ich beschreiben, wie diese Mechanismen dafür sorgen, daß die meisten Liebesbeziehungen scheitern, weil sie genau das Leid hervorrufen, vor dem wir zu fliehen versuchen. Die zweite Hälfte des Buches handelt davon, wie wir diesen kontraproduktiven Mechanismus loswerden und wie wir mit oder ohne Beziehung Liebe und Unabhängigkeit genießen können. Der Kern unseres Selbstbildes ist Selbstablehnung und Abneigung gegen diese Selbstablehnung. Beide fasse ich mit dem Begriff negativer Glaube zusammen. Niemand wird damit geboren, aber jeder hat es. Wir erlernen ihn in den ersten zehn Jahren unseres Lebens. Wenn du Babys und Kleinkinder beobachtest, siehst du, daß diese gar kein Selbstbild haben, auch kein negatives Selbstbild. Sie verhalten sich völlig ungehemmt und spontan. Wenn sie wütend sind, schreien sie. Wenn sie Hunger haben, weinen sie. Wenn sie froh sind, jauchzen sie. Dieses natürliche, spontane Verhalten von Kleinkindern gilt manchmal als höherer Seinszustand, den wir als Erwachsene verloren haben und wiederfinden müssen. Das ist ein Irrtum. Der natürliche Zustand kleiner Kinder ist kein höherer Seinszustand, schon deshalb nicht, weil ein Kind sich seines Seinszustandes gar nicht bewußt ist. Das Kind ist Spielball seiner Spontaneität und kann sich deshalb sehr unsicher, machtlos und enttäuscht fühlen. Sehr kleine Kinder haben also noch kein Selbstbild. Aber wenn sie ungefähr ein bis anderthalb Jahre alt sind, beginnt die Entwicklung eines mentalen Selbstbildes. Etwa gleichzeitig lernt das Kind zu sprechen, und die Eltern versuchen zum er…
