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Eine Geschichte des Todes zu schreiben scheint unmöglich, denn es gibt keine Zeugnisse von Sterbenden oder Toten. Aber es gibt Vorstellungen vom Lebensende, die zum Beispiel in Tagebüchern festgehalten wurden. Überliefert sind außerdem Symbole und Inszenierungen, so im 19. Jahrhundert der Trauerschmuck (Armbänder oder Ketten, geflochten aus dem Haar von Toten), Totenmasken und die Post-mortem-Fotografie (Bilder von frisch Verstorbenen). Anhand dieser Quellen schreibt Isabel Richter eine Kulturgeschichte des Todes. Sie vermittelt uns den kulturellen Umgang mit Trauer und dem Wissen um die Endlichkeit des Lebens, mit der wir uns trotz aller medizinischen Fortschritte stets werden arrangieren müssen.
"For scholars of death in other disciplines, there is much to be gained from this well-organised monograph, whose highly structured presentation makes it particularly accessible.", Mortality, 18.07.2013
Autorentext
Isabel Richter, PD Dr. phil., ist Akademische Rätin und Lektorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bremen.
Klappentext
Eine Geschichte des Todes zu schreiben scheint unmöglich, denn es gibt keine Zeugnisse von Sterbenden oder Toten. Aber es gibt Vorstellungen vom Lebensende, die zum Beispiel in Tagebüchern festgehalten wurden. Überliefert sind außerdem Symbole und Inszenierungen, so im 19. Jahrhundert der Trauerschmuck (Armbänder oder Ketten, geflochten aus dem Haar von Toten), Totenmasken und die Post-mortem-Fotografie (Bilder von frisch Verstorbenen). Anhand dieser Quellen schreibt Isabel Richter eine Kulturgeschichte des Todes. Sie vermittelt uns den kulturellen Umgang mit Trauer und dem Wissen um die Endlichkeit des Lebens, mit der wir uns trotz aller medizinischen Fortschritte stets werden arrangieren müssen.
Leseprobe
Einleitung 1. Einführung Sterben und Tod scheinen im frühen 21. Jahrhundert in aller Munde zu sein. Ein Hinweis darauf, was Menschen umtreibt, wenn es um Lebensende und Tod geht, mag die Wahl zum Wort des Jahres 2007 sein: "Sterbetourismus" wurde in der deutschsprachigen Schweiz aus über 2.000 Vorschlägen aus der Bevölkerung ausgewählt und setzte sich damit als Wort des Jahres durch. "Sterbetourismus" beherrsche als Thema Stammtische und mache in den Medien Schlagzeilen, führte die Jury in ihrer Begründung aus. Diese Auszeichnung rückt nicht nur die beim Thema Sterbehilfe im Vergleich mit anderen europäischen Ländern liberalere Gesetzgebung der Schweiz in den öffentlichen Blick. Sie macht auch die Frage der Kommerzialisierung des Todes zum Politikum. In anderen Medien ist davon die Rede, dass zwar niemand etwas mit dem Sterben zu tun haben wolle, der Tod allerdings als Thema en vogue sei. Der Tod, stellt der Soziologe und Psychoanalytiker Christian Schneider fest, ist "die beherrschende Phantasie, das zentrale Faszinosum unserer Kultur". Gunther von Hagens präparierte Leichen sind seit Jahren ein Publikumsrenner, und der Tod ist - folgt man aktuellen Printmedien - endlich kein Tabu mehr. Diese Auszeichnungen, Ausstellungen und Texte stehen zweifellos für eine Strömung in der Gegenwart, die sich für eine stärkere Reflexion und Auseinandersetzung mit Lebensende und Tod in der Öffentlichkeit starkmacht. Ob mit dem 21. Jahrhundert tatsächlich die Epoche eines tabulosen Umgangs mit Sterben und Tod beginnt, muss sich erst noch erweisen. In diesem Buch geht es um die Kulturgeschichte des Todes im späten 18. und im 19. Jahrhundert, das heißt hier werden Geschichte und Entwicklung der Einstellung von Menschen zu Sterben und Tod untersucht. Im Mittelpunkt stehen zwei Aspekte: zum einen die Frage nach Formen der Auseinandersetzung individueller Menschen mit dem vorweggenommenen eigenen Tod. Zum anderen interessieren mich historische Entwürfe des Selbst, die angesichts dieser Auseinandersetzung und Konfrontation mit Vergänglichkeit, Lebensende und Tod zum Ausdruck kommen. Beginn und Ende meines Untersuchungszeitraumes sind nicht an spezifische historische Ereignisse geknüpft, sondern greifen Strömungen, Prozesse und Entwicklungen auf, die in der Selbstzeugnisforschung als Zäsur begriffen werden und innerhalb der Geschichte des Todes für einen Mentalitätswandel stehen. Für einen Untersuchungsbeginn der Studie im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts sprechen seit dem 18. Jahrhundert festgestellte Dechristianisierungsprozesse und Säkularisierungstendenzen und die von der Selbstzeugnisforschung konstatierte zunehmende Psychologisierung des Selbst. Hinweise auf diese Psychologisierung des Selbst lassen sich vor allem in autobiographischen Texten seit dem späten 18. Jahrhundert finden, aber auch in neuen Publikationen, etwa in dem von Karl Philipp Moritz herausgegebenen Magazin zur Erfahrungsseelenkunde, das zwischen 1783 und 1793 angeregte Debatten auslöste. Die Jahrhundertwende um 1900 markiert aus unterschiedlichen Gründen einen Einschnitt in der Geschichte des Todes: durch den Prozess der Verwissenschaftlichung des Lebens im Zuge der Etablierung der Biologie und Psychologie als akademische Fächer im 19. Jahrhundert, aber auch durch die im späten 19. Jahrhundert einsetzende Verjüngungsmedizin, mit der sich Altern zu einem pathologischen Zustand entwickelt. Darüber hinaus ist eine Zäsur an bevölkerungsstatistischen Entwicklungen erkennbar, da die Durchschnittssterblichkeit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts signifikant fiel. Am Fallbeispiel Preußen lässt sich auf der Grundlage statistischer Auswertungen belegen, dass die Durchschnittssterblichkeit zwischen 1876 und 1910 um über 33 Prozent sank. Damit verbunden war eine deutliche Abnahme der Sterblichkeit an Infektionskrankheiten, der Säuglingssterblichkeit sowie der Tuberkulosesterblichkeit. Um 1900 setzt ferner die folgenreiche Neuinterpretation des Seelenlebens durch die Psychoanalyse ein, die als medizinische, therapeutische und kulturelle Strömung das 20. Jahrhundert nachhaltig prägt. Nicht zuletzt gilt das 20. Jahrhundert als Epoche, die sich durch die Verdrängung des Todes auszeichnet und in der Zeitgeschichte neue Phantasmen der Unsterblichkeit mit sich bringt. Bei der Frage nach Formen der Auseinandersetzung individueller Menschen mit dem vorweggenommenen eigenen Tod war mein Ausgangspunkt: Der Tod an sich erlaubt keine hermeneutische Annäherung. Insofern können Sinnbildungsprozesse niemals vollendet werden. Ich bin daher davon ausgegangen, dass das Wissen um eine Wirklichkeit, die nicht mitteilbar ist, in Narrationen, Symbolen und als Geschichte erfunden werden muss, um erzählbar zu sein. Denn die eigene Abwesenheit kann nur phantasiert werden. Nicht der Tod, sondern die Unvorstellbarkeit des Todes wird in unterschiedlichen Kontexten erfahren ? Erfahrungen, die zentral für die Entstehung und Entwicklung von Kultur sind. Was sich Menschen wünschen, wie sie sich Dinge und Phänomene vorstellen, was sie träumen und erhoffen, steht nicht nur für eine Geschichte der Möglichkeiten, sondern zeigt auch, welche Bedeutung Phantasien und Imaginationen für Entwürfe des Selbst haben und sagt viel über Kultur/en aus. Die Geschichte des Todes erweist sich damit als Kulturgenerator und historischer Prozess, an dem vor allem auch die Bedeutung von kulturellen Phantasien erkennbar wird. Die Frage nach Erfahrungen als Sinnbildungsprozessen oder Sinnbildungsversuchen im Kontext von Vergänglichkeit, Lebensende und Tod hatte die Recherche von Quellen mit einer selbstreflexiven Dimension zur Folge. Sie hat mich zunächst zu Tagebüchern geführt, die zwei zentrale Kriterien erfüllen: Sie sind zum einen aussagekräftige Quellen im Hinblick auf die Fragestellung. Zum anderen sind diese Selbstzeugnisse über den gesamten Zeitraum der Untersuchung überliefert. Zugleich aber müssen Einstellungen zu Sterben und Tod sowie Entwürfe des Selbst auch anhand der Verwendungsweisen von Objekten, verwendeten Materialien und dem Verhältnis der Verwender/innen zu Objekten zu untersucht werden. Materiel…