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Seit einigen Jahren beschäftigen sich Sozial-, Politik- und Rechtswissenschaftler mit dem Wandel des Staates als Organisations- und Herrschaftsform. Doch wie misst oder beschreibt man die Transformation eines so abstrakten Gegenstandes? Gunnar Folke Schuppert beschreibt anhand zahlreicher Beispiele den Wandel des Staates als einen vielschichtigen, keineswegs einheitlichen Prozess, in dem sich kontinuierlich Strukturen auflösen, Akteure an Einfluss verlieren, neue Akteure hinzukommen und jenseits des Nationalstaats neue Formen der Herrschaft entstehen.
Autorentext
Gunnar Folke Schuppert ist Inhaber der Forschungsprofessur »Neue Formen von Governance« am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Klappentext
Seit einigen Jahren beschäftigen sich Sozial-, Politik- und Rechtswissenschaftler mit dem Wandel des Staates als Organisations- und Herrschaftsform. Doch wie misst oder beschreibt man die Transformation eines so abstrakten Gegenstandes? Gunnar Folke Schuppert beschreibt anhand zahlreicher Beispiele den Wandel des Staates als einen vielschichtigen, keineswegs einheitlichen Prozess, in dem sich kontinuierlich Strukturen auflösen, Akteure an Einfluss verlieren, neue Akteure hinzukommen und jenseits des Nationalstaats neue Formen der Herrschaft entstehen.
Leseprobe
Einleitung: Wozu eine Prozessperspektive auf den Staat? Der Staat - so könnte man angesichts seines schon vielstimmig konstatierten Ablebens meinen - sei eigentlich keines Blickes mehr würdig - auch nicht aus einer prozessorientierten Perspektive. Jedoch zeigt sich schon auf den zweiten Blick, dass gerade die besonders intensiv und mit dem Brustton der Überzeugung vorgetragenen Totsagungen auf ebenso intensiven Missverständnissen beruhen, weil sie nämlich nicht den Staat als Organisationsmodell politischer Herrschaft verabschieden, sondern einen ganz bestimmten Staatstyp, dessen Endzeit oder Erosion sie als gekommen ansehen. Hier sollen nicht noch einmal die bekannten "Neinsager der Bundesrepublik" (Stephan Schlak 2008) zitiert werden, die Galerie konservativer Staatsdenker, Carl Schmitt oder Ernst Forsthoff, und ihr Befund vom Untergang des Staates im Chaos der organisierten Interessen. Vielmehr sollen uns als Referenzautoren solche Personen dienen, die nicht von vornherein zum Kreis der üblichen Verdächtigen gehören, wenn es um das Beklagen vergangener Staatlichkeit geht. Der erste Autor ist Wolfgang Reinhard, der in seiner 2007 erschienenen "Geschichte des modernen Staates" folgendes zu Protokoll gibt (Reinhard 2007: 122/123): "Der moderne Staat, der sich in vielen hundert Jahren europäischer Geschichte entwickelt und durch die europäische Expansion über die Welt verbreitet hat, hat bereits aufgehört zu existieren. Vor allem das Kriterium von Modernität schlechthin, die einst dem Ancien Régime abgerungene Einheit von Staatsvolk und Staatsgewalt, Staatsgebiet und Staatshoheit (Souveränität) trifft kaum mehr zu. Das staatliche Machtmonopol hat sich zugunsten intermediärer Instanzen und substaatlicher Verbände aufgelöst. Auf der anderen Seite sind die Staaten übernational in einer Weise vernetzt und gebunden, die mit den alten Kategorien eines Völkerrechts zwischen souveränen Staaten nicht mehr angemessen erfasst werden kann." Was Reinhard ganz offensichtlich beklagt, ist nicht der Untergang des Staates als solchen, sondern eines bestimmten, mit unangefochtener innerer und äußerer Souveränität begabten Staatstyps, eines Staatstyps, den man mit einer weit verbreiteten angelsächsischen Redeweise als "The Westphalian State" bezeichnen könnte. Über diesen "allround" souveränen Staat sind die Zeitläufe in der Tat hinweggegangen, wie gerade am Beispiel des Prozesses der Europäisierung leicht veranschaulicht werden kann. Rainer Wahl (2006: 95) hat diesen Sachverhalt der Mutation des klassischen souveränen Nationalstaates zum Mitgliedsstaat einer supranationalen Gemeinschaft für die Bundesrepublik in einem einzigen Satz wie folgt auf den Punkt gebracht: "Deutschland ist weiterhin ein Staat, gewiß, aber in vielerlei Hinsicht ist es treffender, es als Mitglied-Staat zu charakterisieren." Noch deutlicher wird die Tatsache, dass der Abgesang auf den Staat eigentlich nur eine Verabschiedung eines bestimmten Staatstyps meint, am Beispiel der Zerfaserungssemantik des Bremer Sonderforschungsbereichs "Staatlichkeit im Wandel" (Genschel/Leibfried/Zangl 2008; Genschel/Zangl 2008). In den in jeder Hinsicht anregenden Publikationen dieses Sonderforschungsbereichs ist von der Zerfaserung des Staates die Rede (zuletzt Hurrelmann u.a. 2008), gemeint ist aber die Zerfaserung eines bestimmten Staatstyps, nämlich des "Demokratischen Rechts- und Interventionsstaates", den sie DRIS nennen und dessen "Goldenes Zeitalter" sie in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verorten. In großer Klarheit heißt es dazu bei Genschel/Leibfried und Zangl wie folgt (2006: 1): "Die Zerfaserung von Staatlichkeit bedeutet also nicht das Ende des Staates. Sie bedeutet aber, daß die Organisation von Staatlichkeit komplexer und womöglich prekärer geworden ist, als sie es im goldenen Zeitalter des DRIS war." So mögen also bestimmte Staatstypen untergehen, erodieren oder ausfransen, der Staat als Ordnungsmodell politischer Herrschaft aber bleibt davon offenbar unberührt, ja wir könnten vielmehr - wie der Titel eines von Wolfgang Reinhard und anderen herausgegebenen Bandes (1999) lautet - von einer "Verstaatlichung der Welt" sprechen. Diese auffallende Diskrepanz zwischen dem Befund, dass der Staat als Ordnungsmodell politischer Herrschaft keineswegs ausgedient hat, gleichzeitig aber verschiedene Typen von Staatlichkeit ihren Zenit überschritten haben oder inzwischen - sternschnuppengleich - verglüht sind, scheint darauf hinzudeuten, dass "der Staat" eine wandlungsfähige Institution ist und verschiedenerlei Gestalt annehmen kann. Die Nachricht vom Tod des Staates war also offenbar eine Ente. Wenn sich dies aber so verhält, bedarf es offenbar einer Theorie des Wandels von Staatlichkeit, so dass das eigentliche Problem nicht in dem Verlust des Staates, sondern im Fehlen einer gegenstandsangemessenen Staatstheorie besteht. Was also tun? Wir können diesem Mangel an Staatstheorie nicht abhelfen; dies überstiege unsere Kompetenz. Was wir aber tun können, ist, einige kleine Bausteine zu einer zu entwickelnden Theorie des Wandels von Staatlichkeit beizusteuern. Dazu schlagen wir vor, den Staat nicht als feststehenden Gegenstand, sondern als Prozess in den Blick zu nehmen. Eine solche Prozessperspektive auf den Staat scheint uns unverzichtbar zu sein, will man der Gefahr entgehen, Staatstyp und Staat als Ordnungsmodell zu verwechseln; vielmehr hätte man von hier aus einen vergleichsweise sicheren methodischen Grund, um Wandlungsprozessen des Staates auf die Spur zu kommen, sie zu analysieren und zu systematisieren. Wir fühlen uns in diesem Ansatz bestärkt, und wir wenden - was den Leser in diesem Augenblick verwundern mag - den Blick für einen kurzen Moment vom Staat ab und einem anderen Gegenstand zu, den wir gewöhnlich als sich kaum verändernd wahrnehmen. Diese Anregung verdanken wir der soeben erschienenen Schrift von Hansjörg Küster (2009) mit dem Titel "Schöne Aussichten", in der zwei uns interessierende Aspekte behandelt werden, nämlich einmal die Frage "Was ist Landschaft?", zum anderen die Verwendung des Landschaftsbegriffs als Metapher. Zunächst einmal lernen wir hier, dass nicht nur Staatlichkeitsbeschreibungen Momentaufnahmen sind, sondern auch jedes Landschaftsbild, obwohl wir doch gewohnt sind, eine gemalte Landschaft als etwas in sich Ruhendes, häufig auch zu Bewahrendes zu betrachten (2009: 72): "Man kann Landschaften fotografieren oder malen. Zum Blick auf Landschaft gehören immer Interpretation und Abstraktion: Die Land…
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