

Beschreibung
Wie konnten christlich sozialisierte Soldaten der Wehrmacht den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion vor Gott rechtfertigen? Welche Strategien entwickelten sie, um ihre Erlebnisse zu verarbeiten? Gab es christliche Motive, die das massenhafte Morden legitim...Wie konnten christlich sozialisierte Soldaten der Wehrmacht den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion vor Gott rechtfertigen? Welche Strategien entwickelten sie, um ihre Erlebnisse zu verarbeiten? Gab es christliche Motive, die das massenhafte Morden legitimierten? Anhand zahlreicher Feldpostbriefe und Tagebücher deutscher Soldaten aus allen Abschnitten der Ostfront von 1941 bis 1944 kann David Schmiedel eindrucksvoll zeigen, wie christliche Vorstellungen und nationalsozialistische Propaganda - nicht zuletzt durch die tätige Mitwirkung der Feldgeistlichen - in den Hirnen und Herzen der Truppenangehörigen verschmolzen. Sein Buch leistet somit einen wesentlichen Beitrag zum tieferen Verständnis der Kriegsgesellschaft des "Dritten Reichs".
»[Die Arbeit] liefert Impulse für weitere Forschungsfragen, die zu einem zukünftigen Gesamtbild beitragen können: Wie etwa gestalteten sich die Bezugnahmen auf Gott in den Briefen der daheimgebliebenen Angehörigen der Frontsoldaten? Welche Rolle spielte Gott für die Rotarmisten? Wie wurden die christlichen Soldaten von diesen und der Bevölkerung wahrgenommen? Schließlich bliebe auch nach dem Gegenbild Gottes gerade im Vernichtungskrieg zu fragen, wenn etwa Wehrmachtssoldaten zu Teufelskerlen stilisiert und glorifiziert wurden.« Daniel Ristau, H-Soz-Kult, 12.07.2019 »David Schmiedel gelingt eine Arbeit, die man als grundlegend bezeichnen kann. Er dringt ein in die Tiefe der Psyche dieser Männer und kann nachvollziehen, wie und warum sie handeln. Die Arbeit zeigt generell, wie man mit der Quelle Feldpost umgehen kann und welch wertvolle Erkenntnisse daraus zu ziehen sind.«, Feldpost Archiv, 14.10.2017
Autorentext
David Schmiedel, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Universität Magdeburg.
Leseprobe
Dank Das vorliegende Buch ist eine überarbeitete und gekürzte Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Sommer 2015 an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg angenommen worden ist. Die Idee zur Arbeit entfaltete sich aus der Fragestellung meiner Magisterarbeit (Friedrich-Schiller-Universität Jena 2012), in der ich den Umgang christlicher Soldaten mit der Situation "Stalingrad" untersucht habe. Anhand der Ergebnisse dieser Arbeit wuchs in mir die Frage, wie christlich sozialisierte Soldaten an der Ostfront des Zweiten Weltkrieges ein Teil der nationalsozialistischen Unterdrückungs- und Vernichtungsmachinerie werden und sein konnten. Konzeptionelle Unterstützung bei der Nuancierung meiner Frage erhielt ich dabei von Prof. Silke Satjukow und Prof. Rainer Gries. Silke Satjukow, die die Betreuung und Erstbegutachtung übernahm, bin ich aufgrund ihrer stetigen Unterstützung während des Entstehungsprozesses der Arbeit zu besonderem Dank verpflichtet. Gleiches gilt auch für Prof. Bertram Schmitz, der in seiner Funktion als Zweitgutachter stets ein offenes Ohr für meine Anliegen hatte. Unverzichtbar waren auch die Doktoranden- und Habilitandenkolloquien der beiden, in denen sich mit den Kollegen stets kritische und anregende Diskussionen entwickelten. Besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle Andreas C. Matt M. A. aussprechen, der mit seinen präzisen Nach-fragen stets Schwachstellen zu offenbaren vermochte. Mein Dank gilt ebenso den Mitarbeitern der zahlreichen Archive, ohne deren Bestände das Entstehen meiner Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Hervorzuheben ist hier Dr. Markus Seemann vom Archiv des Katholischen Militärbischofs für die deutsche Bundeswehr, dessen Interesse an meinem und dessen Anregungen für mein Forschungsvorhaben mir eine Bestärkung waren. Des Weiteren Herrn Gunnar Goehle, dessen Betreuung im Archiv des Museums für Post und Telekommunikation Berlin mir eine große und unerlässliche Hilfe bei der Hebung der für meine Arbeit besonders tragenden Feldpostbriefe war. Der Axel Springer Stiftung in Berlin und der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein danke ich für die großzügige Gewährung eines Publikationszuschusses, der die Drucklegung der Studie möglich gemacht hat. Abschließend möchte ich meiner Frau Isabel Schmiedel danken, die nicht nur mit ihrer stetigen Lektüre meiner Texte eine unverzichtbare Hilfe war, sondern die mich in allen schwierigen Phasen stets begleitete und mich immer wieder aufrichtete. Besonders trifft dies für die schwere Zeit des Herbst 2013 zu, nachdem mich der zu frühe Tod meines Vaters Steffen Schmiedel seelisch immer wieder stark beanspruchte. Ihm sei diese Schrift gewidmet. Hildesheim, im Frühling 2017 David Schmiedel Einführung Ende Oktober des Jahres 312 nach Christus zog der römische Kaiser Konstantin der Große mit seinem Heer die via flaminia entlang in Richtung Rom, um den Usurpator Maxentius im Kampf zu stellen. Dieser wiederum zog dem konstantinischen Heer entgegen, woraufhin es am 28. Oktober 312 zur Schlacht an der Milvischen Brücke kam (Schmitt 2007: 150). Was genau an diesem Tag und während der Schlacht - die als "Urknall" der christlichen Kriegsgewalt (Baudler 2001: 257f.) und der christlichen Geschichtstheologie (Wallraff 2013: 97f.) bezeichnet werden kann - geschah, ist aufgrund der Überlieferung (die Forschung kann sich fast ausschließlich nur auf die Darstellungen von Lactantius und Eusebius stützen) nicht mehr zu eruieren. Als gesichert erscheinen im Grunde nur das Datum der Schlacht und der Sieg Konstantins über Maxentius, der zugleich das Ende eines etwa einjährigen Feldzuges bedeutete (Girardet 2010: 64). Vor einiger Zeit ergab sich ein Gespräch mit zwei evangelischen Geistlichen über deren Einschätzung zu den überlieferten Vorgängen in der Nacht vor der Schlacht: Laut der antiken Chronisten Lactantius und Eusebius soll es sich so verhalten haben, dass Konstantin im Traum der christliche Gott erschien, der ihn anwies, das caeleste signum dei - das sogenannte Labarum - auf die Schilde seiner Soldaten zeichnen zu lassen, wodurch ihm der Sieg gewährt werden würde (Heinen 2007: 7). Konstantin tat dies und sein Sieg am nächsten Tag leitete die sogenannte konstantinische Wende ein (Bleicken 2007: 64), die, nachdem die Verfolgung der Christen im römischen Reich erst vor wenigen Jahren zu Ende gegangen war (Piepenbrink 2007: 24) - wobei diese trotzdem immer wieder aufflammte (Kraft 1989: 75, 379) -, das Christentum zur staatlich legitimierten Religion erhob. Der erste Theologe bezog sich vollkommen auf die Friedfertigkeit des Christentums, weshalb er die Frage, wie es denn möglich war, dass das Christentum aufgrund einer Waffentat zur legitimierten Religion im römischen Reich wurde, ganz entschieden beantwortete: Er glaube davon kein Wort. Sicherlich hat Gott zu Konstantin gesprochen, doch dieser hat die Worte Gottes falsch verstanden, da er aus dem Geist eines Militärstrategen heraus dachte. Gott hätte niemals eine Gewalttat im Namen des Christentums gewollt. Der zweite Theologe konnte dieser Antwort nicht im Geringsten zu-stimmen: Zu sagen, dass Gott niemals Waffengewalt zur Durchsetzung seiner Ziele benutzen würde, würde die Freiheit Gottes einschränken. Gott hatte in dieser Nacht entschieden, dass die Christen - zumindest für eine gewisse Zeit - aus der Verfolgung geführt werden sollten, um das römische Reich zu führen. Während der erste Pfarrer sich also unter keinen Umständen die Legitimation von Gewalt durch den christlichen Gott vorstellen konnte, stellte für den zweiten Pfarrer die durch Gott legitimierte Gewalt im Namen des Christentums kein Problem dar. Ohne im Folgenden darauf eingehen zu wollen, welche der beiden Ansichten aus theologischer oder moralisch-ethischer Sichtweise zu teilen wäre, zeigt dieses Beispiel auf, wie unter-schiedlich sich die Frage nach der Anwendung von Gewalt in der christlichen Religion noch im 21. Jahrhundert auslegen lässt. Nun gibt es in jeder Zeit und jeder Epoche eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten, die sich mitunter näher oder weiter entfernt von der Heiligen Schrift und der Theologie bewegen; ein…
