

Beschreibung
Während die literarischen Qualitäten Solons und Platons schon oft Gegenstand wissenschaftlicher Darstellungen geworden sind, ist ihr Umgang mit den Themen Religion, Glaube, Theologie eher selten (Solon) bzw. in bisher unbefriedigender Weise (Platon) untersucht...Während die literarischen Qualitäten Solons und Platons schon oft Gegenstand wissenschaftlicher Darstellungen geworden sind, ist ihr Umgang mit den Themen Religion, Glaube, Theologie eher selten (Solon) bzw. in bisher unbefriedigender Weise (Platon) untersucht worden. Diese Forschungslücke versucht vorliegender Band zu schließen.
Autorentext
1961 01.11. geboren in Westberlin 1980 - 87 Studium der klassischen Philologie und Archäologie in Westberlin, Rom und Heidelberg (Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes) 1987 - 90 Doktorarbeit in Berlin, Promotion über die Überlieferungsgeschichte der Arbeit von Aristarch von Samos über das heliozentrische Weltsystem - als Buch publiziert Studienaufenthalte in Rom (Vatikan), Venedig, Genf (Fondation Hardt) u.a. 1990 Wechsel als Postdoc nach Hamburg 1993 Uni Tübingen (akad. Rätin) 2007 Ernennung zur akad. Oberrätin 2013 krankheitsbedingt vorzeitiger Ruhestand, seitdem 2014 Wechsel nach Zittau, freie Forschungstätigkeit, diverse Publikationen 2024 10.08. gestorben in Zittau
Leseprobe
Einleitung An den Beginn der vorliegenden Studien über Solon und Platon sei ein Zitat des deutsch-amerikanischen Politologen Eric Voegelin (1901-1985) gestellt; in einem seiner beiden wichtigsten Werke, Order and History (Bände 1-5, 1956-1987), äußert er sich über die beiden antiken Athener: Solon die bedeutendste Einzelpersönlichkeit in der hellenischen Politik []. In der Geschichte der Menschheit hat es sehr wenige Individuen, wie Alexander oder Cäsar, gegeben, die dazu ausersehen waren, einen neuen Persönlichkeitstypus zu schaffen. Solon war einer von ihnen. [] Mit seiner Person entstand der Prototyp des geistigen Staatsmannes. [] das Werk Platons ohne Solons paradigmatisches Leben kaum vorstellbar und sicher nicht verständlich: Voegelin leitet zwei zentrale Momente in Platons staatstheoretischem Hauptwerk Politeia (Staat) aus Solons politischem Denken und persönlichem Vorbild her: (1) Die Konstruktion der Staatsordnung in drei Bevölkerungsgruppen als vergrößertes Analogon zum Aufbau der menschlichen Seele in drei Teilen nehme Solons Eunomia-Konzeption auf, in der die Wohlgesetzlichkeit des Staates die gute Ordnung der Individualseele seiner Bürger (namentlich der Solons) widerspiegele. (2) Die Vorstellung von den Philosophen-Königen, die im idealen Staat ethische Integrität, politisch-philosophisches Fachwissen und politische Macht in Personalunion vereinigen, sei ohne das Paradigma Solons als der substantiellen Quelle der athenischen Ordnung nicht denkbar. Der holistische Blick des Philosophen und Politikwissenschaftlers bestätigte so aufs Schönste die Grundthese, die auch die Verf. vorliegender Untersuchungen nach jahrelanger Auseinandersetzung mit Solon und Platon entwickelt hatte: Die beiden Landsleute verbindet weit mehr als die gemeinsame Heimatstadt Athen. Solon gehört nicht nur zu den Vorfahren Platons, sondern spielt auch in Platons uvre eine wichtige Rolle: Zum einen dürfte er zu den Dichtern gehören, die Platons Dichter-Kritik Stand halten könnten, also im Idealstaat zugelassen wären; Solon wird von Platon im Timaios als Dichter-Persönlichkeit vor Homer und Hesiod gestellt. Zum anderen erscheint Solon als Gewährsmann der Kataklysmen-Theorie (Kritias, Timaios, Politikos), die die Basis für Platons kosmopolitisches Geschichtsmodell darstellt; ein wichtiges Detail in diesem Modell der abwechselnden Weltzeitalter ist die sogenannte Hochzeitszahl. Georges Cuvier, der Begründer der modernen Paläontologie in der frühen Neuzeit, versuchte mit Hilfe der Kataklysmen-Theorie die Existenz nur fossil überlieferter, ausgestorbener Tierarten zu erklären; er berief sich dabei mehrfach auf Platons Dialoge Kritias und Timaios, die in seinem Studium an der Hohen Karlsschule zu Stuttgart zum Lektüre-Kanon gehört haben dürften, rezipiert aber tatsächlich intensiv Aristoteles´ Schrift Meteorologika (Buch I, Kapitel 13 und 14), die er nur marginal und für Details zitiert. Solons gegenüber dem homerisch-hesiodischen Götterapparat gereinigtes, d. h. ethisch fundiertes Gottesbild kann als Vorstufe für Platons Theologie gelten, mochte auch das Wort theología erst bei Platon erstmals in der griechischen Literatur und damit im Schriftwerk des westlichen Abendlandes vorkommen wie übrigens auch der Begriff Seelsorge (epiméleia täs psychäs). Solon erweist sich also auch in theologicis als Wegbereiter Platons (vgl. Kap. 0.3). Die Monographie des (katholischen) Theologen Michael Bordt über Platons Theologie (2006) kommt zu keinem befriedigenden Ergebnis hinsichtlich seines Hauptanliegens, einer Klärung der Vorstellungen Platons über das Göttliche; zudem berücksichtigt sie explizit nicht die platonische Prinzipien-Theorie. Auch in Thomas Alexander Szlezáks neuem Monumentalwerk über Platon. Meisterdenker der Antike (2021) findet sich keine abschließende Behandlung des Themas, was ja auch nicht das Ziel dieser umfassenden Darstellung sein konnte. In diesem Zusammenhang sei an eine Äußerung Walter Burkerts erinnert, eines ausgewiesenen Kenners der Religiosität Platons: Auf Grund des geistigen Formats des Philosophen kommt die Beschäftigung mit Platon zu keinem endgültigen Abschluß. In diesem Sinne verstehen sich die nun folgenden Untersuchungen als Segment zur weiteren Vervollständigung unseres Platon-Bildes, welches letztlich immer monochrome Skizze bleiben muss; die Farben, die ernsthaftesten Themen (spoudaiótata), zu denen für den Philosophen neben der Prinzipien-Theorie ohne Zweifel auch der Bereich des Göttlichen gehörte, hat Platon bekanntlich nicht der Schrift anvertraut, sondern der mündlichen Lehre innerhalb der Mauern der Akademie vorbehalten. Das 0. Kapitel reißt leitmotivisch die Themen der nachfolgenden vier Abschnitte des vorliegenden Bandes an: neben Solon und seiner Beziehung zu Platon die Fachgebiete Philosophie, Theologie, Politik, Literatur und Geschichte; das 5. Kapitel eröffnet mit seinem Ausflug in die Geschichte der mathematischen Wissenschaften in der Antike und der Anhang mit seinem Ausgreifen in die geologischen Wissenschaften der frühen Neuzeit thematisch und chronologisch weitere Horizonte. Nach einer Einführung in die antik-pagane, griechische Religion in Abgrenzung von den drei Offenbarungsreligionen semitischen Ursprungs (Judentum, Christentum, Islam) (1. Kapitel) wird Solons Position in der Geschichte der griechischen Literatur und seine Leistung als Staatsmann Athens umrissen. In der Zusammenschau der drei untrennbar miteinander verwobenen Facetten der Persönlichkeit Solons Poet, Politiker und Philosoph und aus der Analyse der einschlägigen Verse in Solons Gedichten (Die einschlägigen Solon-Passagen im Anschluss an die auf diese Einleitung folgende Zeittafel) ergibt sich ein Gottesbild, das Solons politischen Zielsetzungen eine ethische Grundlage zu geben vermag (2. Kapitel). Im 3. Kapitel wird die Bedeutung Solons für Platons Staatsphilosophie und in Platons uvre vor dem Hintergrund der platonischen Dichter-Kritik und mit Focus auf den Gottesvorstellungen beider Autoren ausgeleuchtet. Das zentrale Kapitel 3.2 über Platons theología versucht in einem neuen trikategorialen Stufungsmodell, in Ergänzung des sattsam bekannten Linien-Gleichnisses aus dem 6. Buch der Politeia, durch eine analoge Stufung des Göttlichen die zahlreichen heterogenen, scheinbar unvereinbaren Aussagen des Philosophen über Gott in schon bekannte Denkstrukturen Platons einzuordnen; eine vorsichtige Annäherung an Platons persönlichen Götter-Glauben (perì theóon pístis, Nom. XII 966d6f.) wird gewagt. Im 4. Kapitel wird Platon als eigentlicher Begründer einer reflektierten Wissenschaft der Geschichtsforschung in Auseinandersetzung mit den ersten beiden Historiographen des Abendlandes, Herodot und Thukydides, erwiesen. Das 5. Kapitel ist der wohl schwierigsten Passage im gesamten Schriftwerk Platons gewidmet, der Platonischen oder Hochzeitszahl; ausgehend von Konrad Gaisers Analyse (1974/2004), aber auf einer breiten math…