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Emotionen sind nicht nur in der Managementforschung und -praxis aktuell. Doch wie werden sie speziell dort thematisiert? Die Autorin rekonstruiert unterschiedliche Debatten, wie die über Geschlecht und Emotionen oder über Emotionsarbeit, und zeigt am Beispiel des Modethemas »emotionale Intelligenz« die Dynamiken auf, die die Ausarbeitung, Verwendung und Verbreitung von Emotionskonzepten bestimmen. Damit liefert sie einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Diskussion um die Rolle von Emotionen in Organisationen.
Vorwort
Campus Forschung
Autorentext
Barbara Sieben war bis zum Sommer 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Management Personalpolitik der FU Berlin.
Leseprobe
Emotionen sind ein wichtiges Thema für Managementforschung und -praxis, jedoch auch ein heikles: Sollten Phänomene wie Angst, Liebe, Scham oder Ekel wirklich im Kontext kommerzieller Arbeitsorganisationen aufgegriffen und bearbeitet werden? Öffnet nicht ein Emotionen integrierendes Managementwissen der Instrumentalisierung dieser letzten Zonen der Privatheit Tür und Tor? Da ist zumindest Vorsicht angebracht. Folgen wir jedoch Arlie Hochschilds (1990) Analyse der "Kommerzialisierung der Gefühle", so ist diese schon weit fortgeschritten. Zudem sind Emotionen nicht aus dem Arbeitsalltag wegzudenken. Freude an der Arbeit wird empfunden oder vorgetäuscht. Arbeitsbedingungen - von der Gestaltung des Arbeitsplatzes über Umsatzvorgaben bis zu Kontrollmechanismen - können beruhigend, bedrückend oder bedrohlich wirken. Im Umgang mit KollegInnen, Vorgesetzten, Untergebenen und KundInnen wird gerügt, gelobt, geholfen, angespornt, eingeschmeichelt, getäuscht - all dies ausgelöst, begleitet oder gefolgt von mehr oder weniger heftigen Emotionen. Organisationen stellen nicht nur politische Arenen dar (vgl. z.B. Ortmann u.a. 1990: 8), sondern (damit verbunden) auch emotionale Arenen (vgl. Fineman 2000a). Das Thema Emotionen in Organisationen ist überdies nicht neu und wird seit den 1990er Jahren in wachsendem Umfang aufgegriffen. Wissenschaftliche Zeitschriften aus den Bereichen Psychologie und Management geben Special Issues zu "Emotions at work" oder "Emotions in Organizations " heraus. Ähnlich lautende Sammelbände (z.B. Fineman 1993b; 2000c; Ashkanasy u.a. 2000; Lord u.a. 2002; Payne/Cooper 2004; Härtel u.a. 2005a; im deutschen Sprachraum: Schreyögg/Sydow 2001) und Monographien mit Lehrbuchcharakter (Fineman 2003; Küpers/Weibler 2005) erscheinen, sowie (seit Ende 2005) eine themenspezifische Zeitschrift, das International Journal of Work Organization and Emotion. Ein Tenor der wissenschaftlichen Veröffentlichungen lautet: Das Weber'sche Ideal der bürokratischen Organisation "sine ira et studio" (so auch der Titel von Albrow 1992), in der nach rein rationalen Prinzipien gehandelt wird, sei so einflussreich gewesen, dass die Rolle von Emotionen nicht beachtet wurde (vgl. z.B. Briner 1999). Diese beklagenswerte Vernachlässigung sei zu überwinden. Dies scheint inzwischen erreicht: Neuerdings mehren sich die Stimmen, die einen "paradigm shift" (Barsade u.a. 2003) oder eine "emotional revolution" (Härtel u.a. 2005b: 2) in den Organisationswissenschaften ausrufen. Auch Stephen Fineman, der 1996 in einem Überblicksartikel zu "Emotions and Organizing" noch von einer zögerlichen Thematisierung von Emotionen spricht, hebt nun die wahre Explosion der Forschungsliteratur hervor (vgl. Fineman 2006: 675). Auch praxisorientierte Zeitschriften setzen Themenschwerpunkte wie "Sense and Sensitivity" (Pickard 1999) oder "Die emotionale Landschaft des Unternehmens" (Volk 2002), und die Ratgeberliteratur propagiert "Emotionale Führung" (Goleman u.a. 2002) oder "Emotionales Management" (Gonschorrek 2002). Ein Tenor der praxisorientierten Publikationen lautet: In der Arbeitswelt seien neue, emotionale Qualitäten gefragt; Soft Skills und, ganz oben auf der Liste der populären Schlagwörter, Emotionale Intelligenz werden zum Erfolgsmaßstab erklärt (so bei Goleman 1998, eine Publikation, die im Folgenden einen großen Stellenwert einnimmt). Diese vielstimmige Rede wird begleitet von einem insgesamt gestiegenen Interesse an Emotionen. So erhob der Focus im Juni 2004 "Die Intelligenz der Gefühle" zum Titelthema, ein Radiofeature im Hessischen Rundfunk ging im August 2004 der "Renaissance der Gefühle" nach, ein ganzer Fernsehsender begriff sich schon als "powered by emotion" und nach Lady Diana, der "Prinzessin der Herzen", werden Gesangstalente zu "Superstars der Herzen" und Angela Merkel zur "Kanzlerin der Herzen" deklariert. Die "Geschichte der Gefühle" (Benthien u.a. 2000a) ist gemeinhin facettenreich und von widersprüchlichen Wertungen durchzogen. Neben einerabendländischen Tradition der Abwertung von Emotionen (als Gegenpart von Vernunft und Verstand) und Ausgrenzung (aus der Öffentlichkeit) (vgl. z.B. Schmitz 2000) lassen sich auch Gegenbewegungen ausmachen, in denen Emotionen und Emotionalität als Gegenpart von Gefühlskälte positiv gewertet werden (vgl. z.B. Lutz 1990: 69). Diese Konnotation scheint an Bedeutung zu gewinnen, eine "kulturelle Aufwertung" von Emotionen scheint stattzufinden (Benthien u.a. 2000b: 9). Auf die Frage, was unter Emotionen verstanden wird, gibt es keine einfache Antwort: Verschiedene Disziplinen (wie Philosophie, Soziologie oder Biologie) beschäftigen sich mit dem Gegenstand und beleuchten unterschiedliche Aspekte, auch innerhalb einer Disziplin nicht zwingend aus einer einheitlichen Perspektive. Im Anschluss an Sturdy (2003: 82ff mit Bezug auf Burkitt 1997) plädiere ich für ein Verständnis von Emotionen als multidimensionalem Phänomen: Emotionen gelten zunächst als privat und subjektiv, zumal sie individuell ausgelebt oder unterdrückt werden. Zudem werden sie in Interaktion mit anderen erlebt und geformt. Überdies wirken kulturell geprägte Wertungen und soziale Strukturierungen darauf, wie Emotionen dargestellt und empfunden werden oder werden sollen. Gerade wenn ihre Rolle für das komplexe Geschehen in Organisationen betrachtet wird, erscheint ein solch umfassendes Emotionsverständnis geboten. Ein Ziel meiner Ausführungen ist es, kritisch zu beleuchten, wie Emotionen im Kontext von Arbeit in Organisationen thematisiert werden. Ich konzentriere mich auf die Art der Thematisierung von Emotionen, denn diese bestimmt, welche Rolle ihnen im Managementkontext zugeschrieben wird, wie darauf mit personalpolitischen Instrumenten reagiert wird und Weiteres mehr. Werden zum Beispiel emotionale Anteile von Arbeitsanforderungen (an)erkannt, so macht es einen Unterschied, ob auf die Emotionen auslösende Situation, sprich, die Arbeitsbedingungen, fokussiert wird oder auf die mehr oder weniger dafür geeignete Person. Ein Eindruck aus meiner Recherche zum Thema ist, dass Letzteres, eine Verengung des Fokus auf die Person, derzeit dominiert. Dieser Fokus scheint plausibel, bedenkt man den privaten, persönlichen Charakter, der Emotionen gängigerweise zugeschrieben wird. Gerade dies macht jedoch auch den heiklen Charakter des Themas aus; moralisch-ethische Fragen und politische Implikationen einer solchen Art der Thematisierung drängen sich auf. Denn aus einem Fokus auf die Person folgt, dass deren Emotionalität der Kontrolle und Formung durch Managementpraktiken anheim gestellt wird. Ich schließe mich Organisationsforschern wie Sturdy (2003) und Fineman (2005) an, die fordern, gerade im Zusammenhang mit Emotionen politische Implikationen in den Blick zu nehmen: Sowohl in Bezug auf die wissenschaftliche Forschung zu Emotionen als auch auf diesbezügliche Managementpraktiken gilt es, Grundannahmen zu problematisieren und mögliche Konsequenzen und Nebenwirkungen zu bedenken. Ein zweites Ziel ist, für diesen Zweck einen Analyserahmen zu entwickeln, den ich hier auf das Thema Emotionen anwende, der aber auch für kritische Analysen weiterer Managementthemen fruchtbar gemacht werden kann. Dieser Analyserahmen gründet auf Überlegungen zur Produktion, Verbreitung und Verwendu…