15%
17.10
CHF14.55
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 2 bis 4 Werktagen.
Anschaulich und mit großem Erzähltalent schildert Anders Winroth die Lebenswelt der Wikinger. Zugleich zeichnet er ein umfassendes, farbiges Bild einer der stürmischsten Epochen des Abendlandes, in der die Räuber aus dem Norden das Gesicht Europas veränderten.
Alles Wissenswerte über die Wikinger
Faszinierende Epochendarstellung
Über 15.000 verkaufte Exemplare im HC
Autorentext
Anders Winroth studierte Geschichte an der Universität von Stockholm und wurde 1996 an der Columbia University promoviert. Von 1996 bis 1998 war er »Sir James Knott Research Fellow« an der University of Newcastleupon-Tyne. 2003 wurde er Fellow der McArthur-Foundation (Genius Grant). Seit 2004 lehrt er als Professor mittelalterliche Geschichte an der Yale University.
Leseprobe
Kapitel 1
Einleitung
Der Furor der Nordmänner
Endlich ließ sich der Häuptling auf seinem erhabenen Sitz nieder.
Die Krieger hatten in gespannter Erwartung auf den Bänken in der
großen Halle ausgeharrt, gewärmt vom prasselnden Feuer und gelabt
mit reichlichen Mengen Met. Die Dienerinnen des Häuptlings
hatten im Herbst Wochen damit zugebracht, Honig und Wasser
zu mischen und Fässer zu füllen mit dem Trank für die berühmte
Yule-Feier, das alte skandinavische Mittwinterfest. Nun war der
Häuptling eingetroffen angetan mit seinen besten Gewändern ,
und verlangte zu wissen, warum man seinen berühmten Kriegern
nur ein so gewöhnliches Getränk kredenzt hatte. Verdienten sie
denn nichts Besseres nach all dem, was sie im Frankenland geleistet
hatten? Hatten sie nicht Fässer voll des besten Weins aus dem
reich bestückten Keller jenes Klosters im letzten Sommer mitgenommen
und ihre Beute mit ihrem Blut teuer bezahlt?
Das Erscheinen des Krugs, seine perfekte Ebenmäßigkeit, die
im Vergleich mit den gewohnten plump-irdenen Gefäßen so ganz
anders wirkte, ließ die ungehobelten Krieger in der riesigen Halle
verstummen. Mehrere horizontale Reihen aus Zinnfolie und dazwischen
Gruppen von Rhomben schmückten den Krug, ein wundervolles
Gefäß für ein exotisches Getränk. Der Häuptling wurde
als Erster bedient, er nahm einen Becher mit kunstvollem Dekor
aus blauem Glas in zarten Streifen entgegen; danach wurde dem
Mann auf dem Ehrenplatz ein ebensolches Glas überreicht. Die
anderen Männer tranken aus Hörnern oder einfachen Bechern,
jetzt aber tranken alle Wein statt Met, um ihrer aller Tapferkeit und ihren Erfolg bei ihren Raubzügen im Sommer zu feiern. Einige
der Krieger erkannten die Glasgefäße wieder: Der Häuptling
hatte sie gekauft, als die Kriegerbande auf dem Heimweg der Stadt
Hedeby einen Besuch abstattete. Man munkelte, die blau schimmernden
Gläser stammten aus einem weit entfernten Königreich
namens Ägypten; und der Häuptling hätte für das, was er nach zähen
Verhandlungen dafür bezahlte, ein gutes Langschiff erwerben
können.
Einige der Krieger, gewöhnt an schlichtere Getränke, kannten
den Geschmack von Wein noch nicht. Welch ein herrlicher Anführer,
der solchen Luxus so großzügig zu teilen verstand! Und
er sah ja auch ganz wie ein Führer aus. Auf den Umhang, den er
trug, waren Leoparden und silberne Pailletten gestickt, und der
Stoff war üppig mit Fuchspelz verbrämt. Auf dem Kopf trug der
Häuptling eine seidene Mütze. Ein mit Eiderdaunen gefülltes Kissen
in einem herrlich bestickten Überzug, auf dem eine Prozession
von Menschen, Pferden und Wagen zu sehen war, polsterte seinen
Sitz, und neben ihm lehnte eine Zeremonialaxt: Sie war dekoriert
mit der aus Silberdraht gefertigten Darstellung eines Phantasietiers.
Wahrhaftig ein echter Häuptling! Woher nahm er all diese
herrlichen Dinge? Nur wenige Krieger waren vergleichbaren Luxusgütern
je so nahe gekommen. Nie hatten sie so dunkel-schimmernde
Füchse gesehen, nie waren sie mit Stoff in Berührung gekommen,
der so glänzte und leuchtete.
Nicht jeder in der Halle war im letzten Sommer mit dem Häuptling
ausgefahren, um in Frankenland Beute zu machen; zur Feier
waren auch viele Neulinge erschienen. Man konnte sie prahlen hören:
Wie sie selbst im nächsten Sommer mit diesem Häuptling
ziehen würden, um ihre Schwerter zu röten mit dem Blut der Franken
und der Englischen und vielleicht sogar, warum nicht, mit
dem der Mauren in Spanien? Und sie würden unerhörte Reichtümer
anhäufen.
Im vergangenen Sommer hatten sie nicht so viel Glück gehabt.
Von den drei Schiffen, die unter dem Befehl eines anderen Häuptlings ausgefahren waren, kam nur eines zurück, und dieses kam
ohne den Führer, der, so hieß es, gefallen war, als sich die Friesen
völlig überraschend zur Wehr gesetzt hatten. Keiner wusste genau,
was passiert war, denn diejenigen, die zurückgekommen waren,
sprachen ungern darüber.
Nun war es Zeit für das Hereinbringen der Speisen, doch als
Erstes mussten die Götter ihren Anteil bekommen. Der Häuptling
schnitt dem Opfertier die Kehle durch und ließ das Blut auf den
Boden fließen. Auf die Lache goss er etwas Wein. Außerdem hielt
er ein kleines Stück Goldfolie hoch, so dass jeder es bewundern
konnte. Diejenigen, die in der Nähe saßen, konnten das eingeprägte
Bild eines sich umarmenden Paares erkennen. Der Häuptling
befestigte die Folie an einem der Pfosten, die das Dach trugen.
Nicht alle seine Krieger wussten so ganz genau, was es mit diesem
Ritual auf sich hatte, aber alle waren sicher, dass ein Segen damit
verbunden war. Das geopferte Lamm wurde hinausgetragen, um
gebraten zu werden, und das übrige Essen wurde hereingebracht:
große Stücke gebratenes Fleisch, mehrere Kessel gekochter Fisch,
und Zuckerwerk. Die Krieger langten bei all dem, was angeboten
wurde, kräftig und zufrieden zu. Es war natürlich völlig unnötig,
zu den Festen dieses berühmten Häuptlings sein Essen selbst mitzubringen!
Die Bäuche gefüllt mit einem wunderbaren Festmahl waren nun
alle geruhsam damit beschäftigt, Nüsse von ihren harten Schalen zu befreien, um die süßen Kerne zum Dessert zu genießen. Der
Häuptling und die Gäste in seiner unmittelbaren Nähe hatten
größere Nüsse, die einfacher zu öffnen waren, denn ihre Schalen
waren weicher und dünner. Ob wohl auch der Inhalt wohlschmeckender
war? Nur wenige in der Halle hatten je von diesen
ausländischen »welschen« Nüssen, den »Walnüssen«, gekostet.
Einige konnten sich daran erinnern, wie eine einzige Walnuss in
das prächtige Grab des vorigen großen Häuptlings gelegt worden war.
Dieses Begräbnis war ein Ereignis, das man nicht so leicht vergaß:
Der tote Mann hatte ein riesiges, prachtvolles Schiff mit erlesenen
Holzschnitzereien bekommen, das ihn ins Jenseits befördern
sollte. Die Leute hatte beeindruckt, dass sein Sohn bereitwillig ein
so gewaltiges Schiff hergab, obwohl böse Zungen leise behaupteten,
das Schiff sei nicht sonderlich seetauglich, zweimal gekentert,
und der Bruder des Häuptlings bei dem Unfall ertrunken. Der
Sohn des alten Häuptlings hatte außerdem eine unerhörte Anzahl
Pferde auf dem Vorschiff geopfert. Man sprach noch lange von
dem Blutmeer auf dem Deck des Begräbnisschiffs, bevor Erde darüber
gehäuft wurde, die einen Hügel bildete, aus dem als Denkmal
der Mast noch herausragte.
In der Mitte der Halle erhob sich der Skalde, und die Krieger,
mittlerweile recht angeheitert, wurden zwar nicht ganz still, doch
immerhin kehrte genug Ruhe ein, dass die meisten im Raum ihn
hören konnten. Der Skalde wandte sich an den Häuptling und
deklamierte: »Hört meiner Dichtung zu, Zerstörer des dunklen
Blau, ich weiß zu komponieren.« Das war ein guter Skalde, s…